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DK „Welßeritz-Zeitung" erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis Vierteljährlich l M. 25 Pfg., zweimonatlich 8-1 Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummer» 10 Pfg. — All- Postan stalten, Postboten, sowie die Agenten nehme» Be stellungen an. Mchmh-MilW. Amtsblatt Inserate, welche b«i der bedeutenden Auslage deS Blattes eine sehr wirt- sanie Verbreitung finden» werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirt« Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeile 20 Pfg. für die Königliche Wntshaupimannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen "Amtsgerichte nnd die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Verantwortlicher Redacteur: Carl Ikhne in Dippoldiswalde. Nr. 24. Sonnabend, den 23. Februar 1884. 49. Jahrgang. Politische Wochenschau. Deutsches Reich. Der Besuch des russischen Mi litärbevollmächtigten am Berliner Hofe, des Fürsten Dolgorucki, in Friedrichsruhe beim Fürsten Bismarck ist ein neues bedeutsames Glied in der Kette freund schaftlicher Beziehungen, welche sich gegenwärtig zwischen Deutschland und Rußland nach einer Zeit sichtlicher gegenseitiger Verstimmung wieder heranbilden. Fürst Dolgorucki ist erst vor Kurzem von St. Petersburg nach Berlin zurückgekehrt, mit dem speziellen Auftrage, dem Kaiser Wilhelm die Gefühle freundschaftlichster Ergebenheit wie der aufrichtigen Friedensliebe des Ezaren zu versichern und in ähnlicher Weise soll sich Fürst Dolgorucki auch dem Reichskanzler gegenüber geäußert haben. Daneben wird aber die Anwesenheit des russischen Militärbevollmächtigten in Friedrichsruhe mit einer bezweckten Maßregel in Verbindung gebracht, welche deutlicher als alle Versicherungen Rußlands für dessen Friedensliebe sprechen würde. Es soll sich um die beabsichtigte Zurückziehung der russischen Truppen von der russisch-preußischen Grenze handeln, was eine gleiche Maßregel seitens Deutschlands nach sich ziehen würde, und spricht die gleichzeitige Anwesenheit des preußischen Kriegsministers, Bronsart von Schellendorf, in Friedrichsruhe allerdings sehr für die Glaubwür digkeit dieser Version. Bekanntlich hatte Rußland in den letzten Jahren sehr starke Kavalleriemassen in Kongreßpolen konzentrirt, was demscherseits ebenfalls verschiedene Truppendislokationen nach diesem Theile der Grenze hin zur Folge hatte, und wodurch zum Theil die Verstimmung zwischen den Kabineten von Berlin und Petersburg mit hernorgerufen wurde. Hoffentlich werden die unter der Aegide des Fürsten Bismarck stattfindenden Konferenzen zwischen Dolgorucki und Bronsart zu dem angedeuteten Resultate führen. Oesterreich-Ungarn. Die Verhandlungen des österreichischen Abgeordnetenhauses über die Ausnahme maßregeln haben in der Dienstagssitzung desselben noch ein Nachspiel gehabt. Den Anlaß hierzu gab der Antrag des Abgeordneten Ritter von Schönerer auf Unterstützung der Familien der Individuen, welche auf Grund der Ausnahmeverfügungen aus Wien ver wiesen worden sind. Ministerpräsident Graf Taaffe nahm hierbei Gelegenheit, über die bisher getroffenen polizeilichen Verfügungen Aufklärung zu geben, indem er nachwies, daß bisher 215 Inländer theils internirt, Iheils ausgewiesen wurden; letzteres Schicksal traf auch 23 Ausländer. Für die zu gewährenden Unterstützungen seien die Gesetze über die Armenpflege maßgebend; auch verlas Graf Taaffe eine Stelle aus der iu Pest erscheinenden sozialistischen „Zukunft", worin die Fa milien der Betroffenen aufgefordert werden, alle Unter stützungen der „Staatsbestie" zurückzuweisen. Wohl hauptsächlich infolge dieses Kraftausdruckes sand der Antrag Schönerer nur sehr wenig Freunde, denn er wurde mit 155 gegen 25 Stimmen abgelehnt. Frankreich. In der französischen Hauptstadt machen sich neue beunruhigende Symptome der anarchistisch revolutionären Bewegung geltend. Es sind nämlich Werbebureaux, z. B. in dem Arbeiterviertel Belleville, entdeckt worden, die angeblich zum Eintritt in die fran zösische Kolonialarmee anwerben, in der That aber die Bildung von förmlichen Anarchistenbanden be zwecken. Durch Affichen und durch auf der Straße vertheilte Prospekte werden die brodlose» Arbeiter auf gefordert, sich anwerben zu lasten; zwei ehemalige Offiziere sollen die ganze Bewegung letten. Da eine offiziöse Note diese überraschende Nachricht bringt, so ist an der Richtigkeit derselben nicht zu zweifeln, und der französischen Regierung erwächst hieraus eine neue ernste Mahnung, dem Treiben der dunkeln Kräfte, für welche gerade Paris ein so günstiger Boden ist, fortgesetzt scharf auf die Finger zu sehen. England. Der parlamentarische Ansturm der englischen Konservativen gegen die egyptische Politik des Kabinets Gladstone ist mißglückt. Nach gerade achttägigen Verhandlungen hat das Unterhaus am Dienstag den von Northcote, dem Führer der Tories im Hause der Gemeinen, gegen die Negierung bean tragten Tadelsantrag mit 311 gegen 262 Stimmen abgelehnt, und ist somit das dem Ministerium drohende Verhängnis; einstweilen wieder abgewendet. Die Un geschicktheit der Konservativen, welche es nicht verstan den, die Blößen in der egyptischen Politik des Herrn Gladstone sich in geeigneter Weise zu Nutze zu machen, die taktische und oratorische Ueberlcgenheit des Minister präsidenten über seine konservativen Gegner und endlich die neuerdings etwas günstiger lautenden Nachrichten aus Egypten wirkten zusammen, nm der konservativen Opposition den Sieg, welchen sie schon halb in Händen hielt, wieder zu entreißen und die bedenkliche schwan kende Stellung des gegenwärtigen englischen Ministe riums neu zu befestigen. Für Mr. Gladstone dürfte aber der ganze Vorfall eine Mahnung sein, an die Stelle seiner bisherigen Zauderpolitik in Egypten ein energisches, zielbewußtes Handeln zu setzen, denn ein zweites Mal käme er nicht so glimpflich davon. Italien. Der mysteriöse Attentats-Versuch auf König Humbert bebars trotz der Miltheilungen, welche die Regierung in beiden Häusern des italienischen Par laments hierüber gegeben hat, noch der Aufklärung. Es ist fraglich, ob es sich um ein geplantes Verbrechen -gegen den die Statisn^tzorneto passirenden Hofzng oder nur um einen persönlichen Racheakt gegen den dort stalionirten Karabinier Varicchio handelt, gegen welchen eine mit Feuerwerkspulver gefüllte Flasche geschleudert wurde. Einstweilen sind König Humbert zahlreiche Glückwunschtelegramme aus dem In- und Auslande zugegangen, auch der Papst ließ durch den Kaplan des Königs seine Entrüstung über den Vorfall aus drücken. Serbien. In Belgrad hat sich nunmehr definitiv ein neues Ministerium unter dem Präsidium Gara- schanin's, des Führers der serbischen Fortschrittspartei, konstituirt. Es scheint demnach, als ob die Neuwahlen zur Skupschtina doch nicht so günstig für das bisherige Kabinet Cristics ausgefallen sind, wie anfänglich ge meldet wurde, letzteres würde sonst wohl nicht so un erwartet rasch zurückgetreten sein. Egypten. Während General Gordon jetzt glücklich in Chartum, der Hauptstadt des Sudan, angekommen ist, erheben sich im eigentlichen Egypten neue Schwie rigkeiten. Der Geist der Unzufriedenheit, des natio nalen und religiösen Haffes gegen die Engländer schreitet durch die Reihen der schon halb desorganisirten egyp tischen Armee, wie die jüngsten Vorfälle in Kairo be weisen. Zur Verstärkung der englischen Okkupations truppen sind daher ein Bataillon Infanterie und eine Batterie aus Malta und ein weiteres Bataillon aus Gibraltar nach Egypten beordert worden. 200 Mann der Besatzung von Tokkar machten am Montag einen Ausfall, wobei sie den Insurgenten schwere Verluste beibrachten. Durchgangs- oder Sackbahn. Es ist eine gewöhnliche Erscheinung, daß über dem Naheliegenden das Entferntere vergessen wird, und so ist cs wohl geschehen, daß über den, durch allerlei partikulare Interessen hervorgerufenen Bestrebungen nach Erlangung eines vierten Zuges auf unserer Sekundärbahn, die ungleich wichtigere Frage der Fortsetzung der Bahn bis nach Moldau, zum Anschluß an das böhmische Eisenbahn netz, in den Hintergrund getreten ist. Es wird nicht an Leuten fehlen, welche, zufrieden mit dem Erreichten, glauben, daß der Anschluß unserer Bahn an das böhmische Bahnnetz für Dippoldiswalde -eine gleich gültige und ziemlich werthlose Sache sei. Diese möchten wir an daS alte wahre Wort erinnern: daß man höchstens weiß, wo die Wirkungen einer Eisenbahn beginnen, aber jedenfalls nicht weiß, wo sie aufhören. Schon nach einem Jahre hat der Per sonen- und Güterverkehr auf unserer in Kipsdorf endenden Sackbahn Dimensionen angenommen, welche Niemand vorausgesehen hat. Wie ganz anders würden sich die Verhältnisse gestalten, wenn ein Durchgangs verkehr zu dem Lokalverkehr hinzuträte? Möglich, daß dann ein Umbau unserer Schmalspurbahn in eine Normalspurige sich nöthig machte; aber wäre dies ein Unglück für uns? Der billigere Bezug böhmi scher Braunkohlen, Kalk, Getreide, Obst rc. würde unseren Gewerbtreibenden ganz erwünscht sein, und ob nicht Mancher der Letzteren für seine Gewerbser zeugnisse ein Absatzgebiet in Böhmen finden würde, wer wollte es bestreiten? Die Fortsetzung unserer Bahn bis Moldau, also die Verwandlung derselben aus einer lokalen Sackbahn in eine Durchgangsbahn, ist durchaus keine gleichgültige Sache für uns, und wir halten es deshalb für eine ernste Pflicht der Presse, auf diese auch unsere lokalen Interessen berührende wichtige Angelegenheit wiederholt hinzuweisen. Wie wir hören, ist Seiten der Stadtgemeinde Altenberg und derZwitterstocksgewerkschaft eine diese Angelegenheit betreffende Petition an die Ständeversammlung abge sendet worden und zwar in dem Sinne, daß man nicht blos eine Verlängerung der Sackbahn von Kipsdorf bis Altenberg, sondern Anschluß an das böhmische Bahnnetz beantragt und hierauf das Hauptgewicht gelegt hat. Möchte die Tragweite dieser Angelegenheit auch bei uns erkannt werden, ehe es zu spät ist; denn nicht blos das Weißeritzthal bietet die Möglichkeit einer neuen Schienenverbindung zwischen Sachsen und Böhmen, und es würde eine Verleugnung der von unserm ehe maligen Eisenbahn-Komitee fast 25 Jahre lang ver folgten Strebeziele sein, wenn man die Frage des An schlusses unserer Bahn an das böhmische Bahnnetz von der Tagesordnung absetzen wollte. Wir betrachten es dabei als einen günstigen Umstand, daß das fis kalische Interesse mit dem lokalen Hand in Hand geht, denn sowohl für die Rentabilität unserer Sekundärbahn selbst, als für die Verwerthung der Hölzer im Alten berger und Zaunhäuser Revier würde der Ausbau der Strecke von Kipsdorf bis Moldau von schwerwiegender Bedeutung sein. Wir schließen mit dem Wunsche, daß die Petition unserer Nachbarstadt Altenberg in unserem Landtage eine günstige Beurtheilung finden möge, denn auch dasJnteresse von Dippoldiswalde und Umgegend kommt dabei sehr stark in Frage. . —r. Der Wettkampf zweier Nationen. Wir müßten über das innere Leben der französi schen Nation und über die ehrgeizigen Endziele der politischen Parteien Frankreichs sehr schlecht unter richtet sein, wenn wir nicht wüßten, daß es der Herzenswunsch der Franzosen märe, Frankreich wieder über Deutschland triumphiren und in Europa domi- niren zu lassen. In wie weit die gegenwärtige fran zösische Generation ernste Lust hat, den blutigen großen Ringkampf nochmals auszukämpfen, lassen wir freilich dahingestellt, aber eine unbestreitbare Thatsache ist es, daß Frankreich in den letzten zehn Jahren unablässig bemüht gewesen ist, in den HeereSrüstungen Deutsch land den Rang abzulaufen und das weniger wohl habende deutsche Reich durch den Wettkampf der Rü stungen zunächst finanziell und wirthschaftlich „schach matt" zu setzen, um dann, wenn finanzieller Ruin und wirthschaftliche Kalamitäten ihre Breschen in die Festigkeit des deutschen Reiches geschlagen, den großen Zweikampf mit dem Schwerte erfolgreich zu beginnen. Wie sehr sich die Franzosen bei dieser Rechnung ver rechnet haben, zeigt aber nicht nur ein Blick auf das deutsche Reich, sondern noch vielmehr ein solcher auf Frankreich. Deutschland hat bis jetzt den Wettkampf recht leidlich bestanden, seine Finanzen sind geordnet