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Wchnih-Ieitm- Verantwortlicher Redakteur: Carl Jehnk in Dippöldiswalde. Donnerstag, den 7. Februar 1884. Nr. 17. 49. Jahrgang. Amtsblatt für die Königliche Anüshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage deS Blattes eine sehr wirk same Verbreitung finden werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeile oder deren Naum berechnet. — Ta bellarische und complicirt« Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeile 20 Pfg. Die „Weißerih-Seitung" «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 26 Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. - Alle Postan stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Ihre königl. Hoheit die Prinzessin Maria Anna, Gemahlin des Prinzen Georg, ist am Dienstag, 6. Februar, Abends 10 Uhr 55 Minuten gestorben. — Geboren am 21. Juli 1843 in Lissabon, vermählte sie sich am 11. Mai 1859 daselbst mit ihrem hohen Gemahl, welcher höchst glücklichen Ehe 6 Kinder entsprossen sind. (Mathilde, 19. März 1863; Friedrich August, 25. Mai 1865; Maria, 31. Mai 1867; Johann Georg, 10. Juli 1869; Max, 17. November 1870; Albert, 25. Februar 1875.) Trat auch die Prinzessin, die eine treue Dienerin ihrer Kirche war, nicht so oft an die Öffentlichkeit, so milderte sie doch manche im Verborgenen geweinte Thräne mit milder Hand. Unser königliches Haus ist durch den Todesfall in tiefe Trauer versetzt, und auch das ganze Land wird innigen Antheil an dem schweren Verluste nehmen, der die königliche und prinzliche Familie betroffen. Lokakes und Sächsisches. Dippoldiswalde. Am Dienstag früh ist der bei Herrn Gutsbesitzer Lotze in Reinholdshain bedienstete Knecht Neuhäuser aus Hänichen durch eigene Un vorsichtigkeit mit der linken Hand in die Messer der Häckselschneidemaschine gerathen und sind ihm dabei zwei Finger so zerschnitten worden, daß einige Glieder derselben abgenommen werden mußten. Eine neue Mahnung zu größter Vorsicht beim Arbeiten an solchen Maschinen! Gcorgenfcld. Der vom hiesigen Gemeinderath als Gemeinde-Ältester gewählte Wirthschaftsbesitzer Herr Friedrich Wilhelm Ehrhardt ist am 4. Februar von der kgl. Amtshauptmannschast für sein Amt in Pflicht genommen worden. Frauenstein, 4. Febr. Wie zu erwarte» war, bot das gestrige Concert, welches von den Herren Günther und Müller (Violin- und Cellovirtuosen) in Gemeinschaft mit Herrn Riesen und dem Männer quartett der hiesigen „Liedertafel" im Franke'schen Saale abgehalten wurde, einen feinen Kunstgenuß. Eingeleitet wurde dasselbe durch den Hochzeitsmarsch aus dem Sommernachtstraum für Pianoforte zu 4 Händen, Violin und Cello von Mendelssohn. Die Herren Günther und Müller bekundeten bei dem hin reißenden Vortrag des Duetts von Chr. Dancla ihre Meisterschaft. Auch des Herrn Riesen,sun. ist rühmend zu gedenken, welcher die schwierige Pianofortebeglei- tung mit Gewandtheit und Sicherheit ausführte. Zwei Compositionen des Herrn Niesen jun. „Der liebe Herrgott hält die Wacht!" und ein melodramisch be arbeiteter Nachruf an Richard Wagner erwarben sich ben wärmsten Beifall beim Publikum. Auch sei er wähnt, daß die zwei vom Münnerquartett gesungenen Gesänge: „Mein Heimaththal" von Pfeil und „Der wandernde Musikant" mit Violinsolo a. d. Lieder- cyclus „Bergfahrt" von Abt recht gut vorgetragen wurden. Möchten die Herren Riesen, Günther und Müller bald wieder ein ähnliches Concert veranstalten. Hoffentlich ist dann der Besuch zahlreicher. Wir ver mißten diesnial zil unserm größten Verwundern viele Bürger unserer Stadt, die zu den regelmäßigen Con- certbesuchern zu zählen sind und ein gediegenes Con cert zu würdigen wissen. Dresden. Die Nachrichten über das Befinden der Prinzessin Georg lauteten in den zwei letzten Tagen sehr beunruhigend. Die hohe Kranke hatte die Nacht .zum 4. Februar wieder delirirt und gar nicht geschlafen. 'Das Fieber war wenig verändert und war auch für die nächsten Tage eine merkliche Abnahme nicht zu erwarten. Der Puls ging rasch und die Kurzathmig- keit war ziemlich groß. Heute Mittwoch tritt die Krise ein, da bekanntlich bei schweren Fiebern der neunte Tag wichtig zu sein pflegt. — In dem Krankheitszustande der Prinzessin trat itt der Nacht zum 5. Februar leider eine wesentliche Verschlimmung ein. Der Puls war kaum noch fühl bar und die Temperatur beträchtlich erhöht. Im Laufe des Tages trat sodann ein weiterer Nachlaß der Kräfte ein, doch hatte der Puls unter Anwendung stärkerer Reizmittel sich etwas gebessert. — Der Zustand der hohen Kranken war Tags über ein hoffnungsloser. (Die obige Todes-Nachricht bestätigt dies leider.) — Die zweite Kammer genehmigte am 4. Februar, theils einstimmig, theils mit geringen Minoritäten, die Eisenbahnbauten Geithain-Lausigk-Leipzig (5970000 Mark), Niederhermsdorf - Wilsdruff (891000 Mark), Wilischthal-Ehrenfriedersdorf und Annaberg-Schwarzen- berg (1826905 Mark) sowie die Mülsengrunübahu von Mosel bis Ortsmannsdorf (1420000 Mark). — In Folge der im November v. I. in Dresden stattgehabten Arbeiten des „Deutschen Fischereivcreins" ist der Gedanke angeregt worden, ähnlichen Bestrebungen zu Hebung der Fischzucht im Königreiche Sachsen Eingang und Boven zu verschaffen. Es ist ein Komitee zusammengetreten, um einen Verein zu gründen, dessen Hauptaufgabe sein wird, auf diesem volkswirthschaftlich so wichtigen Gebiete fördernd zu wirken; auch sind bereits Statuten entworfen, und soll am 27. Februar in Renner's Restauration (3 Raben) in Dresden eine konstituirende Versammlung stattfinden. Die dazu ein ladenden Herren sind: Graf von Könneritz auf Lossa, Hauptmann v. d. A. Aster in Dresden, Graf von Hohenthal auf Knauthein, von Oehlschlägel auf Oberlangenau, Prof. Dr. Nitzsche in Tharand, Fischermeister Krüger in Dresden, Oekonomierath von Langsdorfs in Dresden. — Dnrch einen Kopisten in Dresden ist der Mörder des Polizisten Blöch in Wien als der Schuhmacher Stellmacher aus Grottkau in Schlesien erkannt worden. Freiberg. Das königliche Schwurgericht be gann seine erste diesjährige Sitzungsperiode am 4. Fe bruar. Die Anklage richtete sich gegen den 1854 in Börlas geborenen, später nach Höckendorf gezogenen, zuletzt wegen Trunksucht in der Bezirksanstalt zu Dip poldiswalde untergebrachten, verheiratheten Gustav Adolf Schneider, der früher Soldat, dann bei seinem Vater, einem angesehenen Manne in Höckendorf, als Wirthschaftsgehilfe und seit 1882 Materialwaaren- händler gewesen mar. Er ist beschuldigt, von Mitte Oktober bis Ende November v. I. in drei Fällen, einmal einer Wittwe und zweimal einem Dienstmädchen gegenüber, den Versuch gemacht zu haben, das in Z 177 des Neichsstrafgesetzes bezeichnete Verbrechen zu begehen, ohne daß es zur Vollendung desselben ge kommen ist. Das Ergebnis; der, unter Ausschluß der Oeffentlichkeit durchgeführten Verhandlung war die Verurtheilung Schneiders zu einem Jahr Gefängniß und zwei Jahren Ehrenrechtsverlust. — Ueber die Ergebnisse der Erziehung bei den Anstalten Bräunsdorf und Großhennersdorf giebt die neueste Nummer des Verordnungsblattes der königlichen Kreishauptmannschaft Leipzig eine Ueber- sicht, welche einen Zeitraum von 27 Jahren (1856— 1882) umfaßt. Darnach kamen bei der Anstalt Bräuns dorf — Todesfälle ausgeschlossen — definitiv zum Abgänge 2110 Zöglinge; davon wurden theils unmittel bar aus der Anstalt, theils vom Urlaub weg 109 in die KorrektionS-Selekte bezw. in die Korrektions-Anstalt für Jugendliche in Sachsenburg versetzt, 43 wegen strafbarer Handlungen an Strafanstalten abgegeben, 210 später wieder in die Landes-Straf- oder Korrek tions-Anstalten eingeliefert. Dagegen sind 1748 nicht rückfällig geworden; mithin sind von den 1958 in die Freiheit Entlassenen nur 10,7 Prozent später wieder in Landes-Straf- öder Korrektions-Anstalten eingeliefert worden, wogegen 89,3 Prozent sich davon freigehalten haben. Bei der Anstalt Großhennersdorf sind die Re sultate fast die gleichen, da von den 462 in die Frei heit Entlassenen nur 9,5 Prozent wieder in die oben genannten Anstalten eingeliefert worden, wogegen 90,5 Prozent sich in der Freiheit erhalten. Tagesgeschichte. Berlin. In politischen Kreisen macht eine Nach richt gerechtfertigtes Aufsehen, welche seit mehreren Tagen in verschiedenen Versionen umläuft, und nach welcher die Neichsregierung beabsichtigt, eine Novelle zum Krankenkassengesetz einzubringen. So un schuldig dis Meldung erscheint, so wichtig ist sie doch. Denn die Novelle würde darauf hinauslaufen, die freien Kassen, bei denen jetzt die Krankenversicherung stattfinden kann, zu untersagen und die Arbeiter zu zwingen, nur bei den staatlich errichteten Kassen ihre Versicherung zu nehmen. Für die von den Sozial demokraten geschaffenen Organisationen, die ja noch immer in großer Anzahl bestehen, und für die Ge werkvereine wäre die Aenderung eine geradezu tödtliche Maßregel. Namentlich in Gemerksvereinskreisen herrscht über die Nachricht, die für sie einen so bedrohlichen Charakter hat, die größte Bestürzung und es ist natür lich, wenn zunächst der Wunsch nach voller Aufklärung über die Absichten des Reichskanzlers laut wird. Eine merkwürdigere Wendung wäre gar nicht denkbar, als wenn dasselbe Gesetz, welches als Fundament der neuen Sozialreform, als erster Baustein zu derselben gedacht war, jetzt plötzlich dazu benutzt werden sollte, um einen schweren Schlag gegen die außerhalb der staatlichen Grenzen sich bewegende Thätigkeit der Selbsthülfe zu führen. Es ist deshalb noch immer zu erwarten, daß die Meldungen, welche verbreitet werden, übertrieben sind. — Die Grundsteinlegung für das neue Ne ichs- tagsgebäude wird mit Bestimmtheit am 22. März, dein Geburtstage des Kaisers, stattsinden. Es sind deshalb auch in letzter Zeit die Arbeiten an dem Ab bruch des ehemals Naczinki'schen Palais mit großer Energie und derartig gefördert worden, daß sie bereits Mitte Februar vollständig beendet sein können. — Nachstehendes Zahlenmaterial, welches wir dem „Jahrbuch der deutschen Gerichtsverfassung entnehmen, giebt einen Beweis für die Uebecfüllung, die augen blicklich in der Juristenkarriere herrscht. Am I. Juli 1883 waren vorhanden an Rechtskundigen, welche die erste Prüfung bestanden haben (Referendaren, Rechts praktikanten, Justizreferendaren II. Kl. und Accessisten), in ganz Deutschland 5332, an solchen, welche das zweite Examen bestanden haben (Assessoren, geprüften Rechts praktikanten, Justizreferendaren I. Kl. und Accessisten) 1265. Diesen 6597 vorhandenen Kandidaten stehen außer den Stellen bei der obersten Justiz-Verwaltungs-