Volltext Seite (XML)
„Wtißeritz-Zeitung" «rscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 25 Psg-, zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Psg. — Alle Postan- «alten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Mchmh-Mns Amtsblatt Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage d«S Blattes ein« sehr wirk- sams Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. di« Spaltenzeil« oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeile 20 Pfg. für die Königliche Umtshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen "Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Verantwortlicher Redacteur: Carl Irhne in Dippoldiswalde. Nr. 115. Rußland und Bulgarien. Man weiß allenthalben in den politischen Kreisen Europas, daß einer der wundesten Punkte des Friedens die unfertigen Zustände in Bulgarien und die Experi- rimente sind, welche die Russen in diesem Fürstenthum vornehmen. Der Wahn, Bulgarien von den Bulgaren regiert zu sehen, dauerte nur kurz — auf der Bühne erschienen der russischen General Soboleff und der russische Staatsrath Ionin, und der zuversichtlichen Stimmung wurde ein jähes Ende bereitet. Soboleff produzirte ein Aktenstück, aus dem hervorging, daß er — in Bulgaren zu regieren habe. Er hatte direkt vom Laren Alexander die Ordre erhalten, zu bleiben, wo «r ist — und dies unter jeder Bedingung. Soboleff hatte nur seine Ordre vorzuzeigen, die Mission Ionins ging aber weiter. Staatsrath Ionin gehört zu den talentvollsten Agenten der Moskauer Panslavisten. Während seiner Amtsthätigkeit in Cettinje, wo er nur die russische Negierung, thatsächlich aber das Zentral komitee des Panslavismus vertrat, hat er große Dienste geleistet. Den Krieg gegen die Pforte inszenerirte er. Bei dem Aufstande in der Herzegowina vom Jahre 1875 hatte er seine Hand im Spiele. Aber auch an der Insurrektion, die gegen die österreichisch-ungarische Fahne in Bosnien ins Leben gerufen worden war, wirkte er in der intensivsten Weise mit. Als eine Aktion in Bulgarien ins Auge gefaßt wurde, da er innerte man sich des panslavistischen Diplomaten Ionin und er erschien in Sofia, ausgerüstet mit allen Voll machten, die ihm gewöhnlich zu Gebote stehen, wenn es sich darum handelt, ein Stück panslavistischen Pro gramms der Realisierung entgegenzuführen. Ionin .gingen große Waffensendungen und Unteroffiziertrans- porte voraus, hinter ihm her folgten Offiziere, große Summen Geldes und weitreichende Instruktionen. Dieser Ionin erschien im Konack und übermittelte dem Fürsten Alexander ein mündliches Ultimatum, worin es hieß: die Konservativen seien vom „Westen" erkauft worden; sie strebe» dahin, Bulgarien den »dldwri* .(Deutschen) auszulicfern; er, Ionin, könne ein solches Treiben in dem durch russisch Blut erkauften Bulgarien nicht dulden. Der Fürst resignirte aus die sehnsüchtig herbeigewünschte Unabhängigkeit und — unterschrieb das ihm Tags darauf vorgelegte Manifest. Erscheint damit das neueste Kapitel der bulgarischen Geschichte abgeschlossen? Keineswegs. Die Panslavisten sind erst Lei der ersten Etappe angelangt. Ihr Ziel ist — die Absetzung des Battenbergers, der sich nicht fähig be wiesen hat, die großen Entwürfe Katkoffs zu würdigen, noch viel weniger einer Verwirklichung zuzuführen. Die neueste Phase im politischen Leben Bulgariens besteht darin, daß die russischen Machthaber in Sofia mit Erlaubniß des Kaiser Alexanders ihre Entlassung nahmen, da sie nicht Mitglieder eines Ministeriums sein wollen, welches unheilvolle Maßregeln für Bul garien in den Kammern durchsetzen werde. Die neue Politik des Fürsten von Bulgarien, der Verfassungs veränderung durchsetzen will, wird von der russischen Regierung gleichzeitig heftig getadelt, aber der Zar will die jetzigen Führer Bulgariens gewähren lassen, nm einen erneuten Beweis seiner Sympathien für Bulgarien zu geben. Rußland sei aber zu sehr an dem Schicksale Bulgariens interessirt, daß es nicht ruhig Zusehen könne, wenn die bulgarischen Führer ihrem Lande neue Prüfungen auferlegten. Das heißt mit .anderen Worten: die russischen Agenten werden die Bulgaren gegen die Regierung ihres Fürsten so lange aufhetzen, bis sich der Fürst von Bulgarien entweder den Wünschen Rußlands fügt oder — abdankt. Schließlich wird bei der bulgarischen Affaire aber auch noch in Frage kommen, wie die übrigen Groß mächte dieselbe beurtheilen und was für Unterstützung der Fürst von Bulgarien in seiner schwierigen Stellung bei Oesterreich und Deutschland finden wird. Rußland will offenbar Bulgarein nicht zur vollen Selbststündig- Dienstag, den 2. Oktober 1883. keit gelangen lassen, sondern als seinen Trabanten auf der Balkanhalbinsel erhalten und dieses Bestreben könnte veranlassen, daß sich Oesterreich und Deutsch land sehr energisch des Bulgarenfürsten annehmen. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Das „Dresdner Journal" ver öffentlicht eine statistische Uebersicht der jüngsten Ergänzungswahlen für die zweite Kammer der Stände versammlung, aus der zu ersehen ist, daß der fünfte städtische Wahlkreis, dem bekanntlich auch Dippoldis walde angehört, im Jahre 1871 2470 Wahlberechtigte zählte, von denen 716 oder 28,»»°/o ihre Stimmen abgaben, 1877 waren 3097 Wahlberechtigte vorhanden, von denen 1297 oder 41,»»°/« wählten und bei der letzten diesjährigen Wahl gaben von 3169 Berechtigten 1503 oder 47,«r«/o ihre Stimme ab. Im Laufe der Jahre ist das Stimmenverhältniß ein immer günstigeres geworden. — Das beste Wahlresultat, nämlich ca. 53«/o wurde im 5. Wahlkreise des platten Landes (Amts bezirke Bautzen und Weißenberg) erreicht, während im 2. Wahlkreise des platten Landes (Amtsbezirke Groß schönau und Ebersbach) nur 11°/o der Wähler von ihrem Wahlrechte Gebrauch machten. — Noch eine große Kartoffel von 633 Gramm Schwere senvet uns Herr Lohgerber Frosch hier von seinem Felde, auf dem auch ein überaus reich tragen der Stock der Champion-Kartoffel gewachsen ist, dessen Stengel sogar noch oberhalb des Bodens starken An satz zu Flüchten zeigen. Dresden. König Albert ist von dem Nieder walder Festlichkeiten wohlbehalten in Dresden ange kommen und hat sich am Sonntag mit dem Kourierzug nach Wien begeben, wo er am Montag früh eintreffen und vom Kaiser von Oesterreich begrüßt werden wird. Eine Ehrenkompagnie des Infanterie-Regiments Nr. 34 wird en paraäe mit Musikchor ausrücken und am Bahnhof aufgestellt sein. Nach einem in Schönbrunn eingenommenen Dejeuner begeben sich die Majestäten in Begleitung des Prinzen Wilhelm von Preußen, Kronprinz Rudolf, Erzherzog Ferdinand, Großherzog von Toscana und Prinz Ludwig von Bayern sammt Suiten zu den projektirten kaiserlichen Jagden nach Mürzsteg—Eisenerz—Neuberg. — In Herrnhut verstarb am Montag ein in den wissenschaftlichen Kreisen der ganzen Welt bekannter Mann, Heinrich August Jäschke, früher Missionar der Brüdergemeinde in Tibet, welcher die Bibel in das Tibetanische übersetzt und das erste tibetanische Lexikon in deutscher und englischer Sprache herausgegeben hat. Ein geborenes Sprachgenie, war er zugleich ein Muster von deutschem Fleiß, deutscher Gelehrsamkeit und deutscher Bescheidenheit. — Die Verbindungslinie der Buschtiehrader Eisen bahn mit den Sächsischen Staatsbahnen, die Strecke Graslitz-Klingenthal, deren Ausbau schon seit Jahren der lebhafte Wunsch der Anlieger ist, dürfte nach den vorliegenden Anzeichen nunmehr bald in Angriff ge nommen werden. Es handelte sich bisher lediglich um die Anlage des Zollbahnhofes, worüber eine Einigung zwischen den gegenseitigen Negierungen nicht erzielt werden konnte. Nunmehr ist aber ein Ausweg ge sunden der Art, daß zwei Zollabfertigungsstellen er richtet werden sollen, und zwar in Graslitz für aus Deutschland und in Klingenthal für aus Oesterreich kommende zollpflichtige Maaren. Der sächsische Finanz minister hat eine beschleunigte Förderung dieser Bahn angelegenheit in Aussicht gestellt. Freiberg. Vom königl. Schwurgericht zu Freiberg ist am 27. September der Geschästsagent Karl Heinrich Göhler aus Dorfhain, welcher der Fälschung einer inländischen öffentlichen Urkunde in gewinnsüchtiger Absicht in Verbindung mit Betrug beschuldigt ist, zu 10 Monaten Gefängniß (wovon 1 Monat auf die Untersuchungshaft angerechnet wird) 48. Jahrgang. und zwei Jahren Ehrenrechtsverlust, sowie auch zu Tragung der Kosten, verurtheilt worden. Pirna. Mit dem 1. Oktober ist hier eine Her berge zur Heimat h eröffnet worden. Die Räume der Anstalt, die ein freundliches, geräumiges Gast zimmer, eine Kammer zur Aufbewahrung des Reise gepäcks, eine Waschstube, eine andere zur Reinigung der Kleider, wie auch die nötlngen Schlafstuben ent halten, sind zweckentsprechend eingerichtet. Möge eine rege Frequenz die Mühe und Geldopfer lohnen, welche die Einrichtung der Anstalt gekostet Hal. Hainichen. Die vom Gewerbeverein zu Hainichen angeregte Abhaltung einer Gewerbeausstellung für Hainichen und Umgegend hat in den betheiligten gewerblichen Kreisen so viel Anklang gefunden, daß ihr Zustandekommen nunmehr gesichert ist. Bereits hab«! sich gegen 100 Aussteller der verschiedensten Gewerbs zweige angemeldet. Tagesgeschlchte. Berlin. Fürst Bismarck ist am 28. September mit seiner Gemahlin und seinem Sohne nach Fried richsruhe abgereist. — Die gesammte kronprinzliche Familie wird den Geburtstag des Kronprinzen am 18. Oktober in Wiesbaden feiern, wohin sich dieselbe nach beendeter Reise durch die Schweiz begeben wird. — Die Adels-Verleihungen und Standes- erhöhungen, die in den letzten Jahren wieder recht häufig geworden sind, gewähren in Preußen den Be gnadeten den großen Vorzug, daß sie keine Kosten dafür zu bezahlen haben. Es dürfte nicht allgemein bekannt sein, daß in den meisten übrigen deutschen Staaten die Verhältnisse anders liegen. In Bayern z. B. würde General Blumenthal, der vor einigen Wochen in den Grafenstand erhoben wurde, für sein Grafendiplom das hübsche Sümmchen von 8260 M. zu bezahlen gehabt haben. Dieser Betrag setzt sich zu sammen aus großer Taxe, kleiner Taxe, Neichsherolden- amtsgebühr, Ausschreibegebühr und Stempeltaxe. Für die Verleihung eines Fürstentitels sind dagegen in München nur 540 M., für einen Freiherrntitel dagegen 4415, für einen Rittertitel 1319 M., für einen ge wöhnlichen Adelstitel 1139 M., selbst für eine Kam merherrn- resp. Kammerjunkerwürde 450 resp. 150 M. zu zahlen. Immerhin finden die Erträgnisse dieser Taxen eine paffende Verwendung, indem sie die Do tation für den allgemeinen Stipendienfonds bilden. In Sachsen kostet die Erhebung in den Adelsstand 500 M., in den Freiherrnstand 1000 M., in den Grafenstand 2000 M., in den Fürstenstand 5000 M. Das sind hübsch progressiv ansteigende Sätze. Bei der Standeserhöhung einer aus mehreren Brüdern oder Vettern bestehenden Familie wird klüglich der Stempel betrag für jede Linie besonders erhoben. In Würtem- berg sind die Taxen durchgehends höher gestellt, sie betragen in der vorbemerkten Reiheilfolge der Standes- erhöhungen 1200, 3200, 5400 und 12000 M. Selbst in Elsaß - Lothringen kostet nach den noch heute dort in Giltigkeit befindlichen Gesetzen aus den Zeiten der ersten Republik ein einfacher Adelsbrief 480 M. Stempel taxe und 96 M. Enregistrementsgebühr, ein Rittertitel dagegen nur 48 und 9,««, ein Freiherrntitel wieder 2400 und 480, ein Vicomte 3200 und 640, ein Mar quis und Graf 4800 und 960 M. Für die Verleihung des Herzogstitels hat man keinen Stempel, wohl aber 21600 M. Enregistrement zu bezahlen. Alle diese seltsamen Verhältnisse kamen einmal zur Sprache, als vor Jahren der Reichstag den Kanzler ersucht hatte, über dre Stempeltaxen der Einzelstaaten eine Uebersicht anfertigen zu lassen. Rüdesheim. Die Feier der Enthüllung des Na tional - Denkmales auf dem Niederwald ist pro grammgemäß in feierlichster Weise am 28. September vollzogen worden. Das Fest wurde um 11 Uhr mit