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368 sicht gelangt, daß die letzten Jahresbudgets der Re publik keine Ueberschüsse, die künstlich herausgerechnet worden waren, sondern chronische Defizits brachten. So beträgt das Defizit des laufenden Budgetjahres bereits jetzt über 74 Mill. Frc., indem 54501405 Frc. als Nachtragskredite von den Kammern gefordert unv von diesen bewilligt werden mußten, während gleich zeitig schon feststeht, daß die ersten fünf Monate des Jahres 19494000 Frc. Mindereinnahmen ergaben; es blieben allein die indirekten Steuereinnahmen im Monat Mai um 8673 000 Frc. hinter dem Voranschlag zurück. In Anbetracht des Niederganges der industri ellen und gewerblichen Thätigkeit kann aber weiterhin angenommen werden, daß bis zum Ende des laufenden Jahres die Hauptsumme des Defizits sich wahrscheinlich auf das Doppelte der jetzigen 74 Mill, stellen wird, und da ist dann eine Bemäntelung des schlechten Standes der Finanzen, wie sie bisher beliebt ward, nicht gut niehr möglich. Rußland. Vor dem Militärgericht in Petersburg kommt demnächst wieder ein großer Intendantur prozeß zur Verhandlung, bei welchem sieben Personen angeklagt sind. Die Hauptangeklagten sind der Ge heimrath Rossitzki und der Generalmajor Jwaschenko, welche den Jntendanturbureaus im Rücken der Armee während des Krieges von 1877 vorstanden. Die Prozeßakten umfassen 20 Bände und sind 54000 Bogen stark, 150 Zeugen sind zu dem Prozeß vorgeladen. Italien. In Sizilien werden wegen der Cholera gefahr Unruhen befürchtet, weshalb die Negierung Kriegsschiffe in die sizilianischen Gewässer schickte. Spanien. Im Herbst wird König Alfonso eine Reise nach Frankreich und Deutschland antreten. Egypten. Die Regierung wird ihr Möglichstes thun, um die Choleragefahr auf ihren bisherigen Heerd zu beschränken, allein ihre Kräfte sind erschöpft. Baker Pascha besitzt keine ausreichenden Mannschaften, um einen zweiten Karton um den Seuchenheerd zu ziehen; die Zustände in Mansurah sind entsetzliche. — Die Cholera ergreift jetzt Europäer, da in Mansurah 15 Griechen der Seuche erlagen. Eine Lehrerwahl vor 130 Jahren. Nach einem Protokoll vom Jahre 1729. Mitgetheilt vom „Nieberschlesijchen Kourier". Nachdem auf geschehenes tödtliches Ableben des bisherigen Schulmeisters sich nur fünf Liebhaber ge meldet, so wurde zuvörderst vom kastor looi in einer Betstunde nach Matth. 18, 19—20 die Gemeinde zu herzlicher Erbittung göttlicher Gnade zu diesem wich tigen Geschäft erinnert, sodann in der Kirche vor Augen und Ohren der ganzen Gemeinde die Singprobe mit denen Bewerbern fürgenommen und nach deren En digung dieselben im Pfarrhaus noch weiter tentiret. 1. Martin Ott, Schuster aus A., dreißig Jahre des Lebens alt, hat in der Kirche gesungen: Christ lag in Todesbanden rc. Dreierlei Handschrift hat er gelesen — mittelmäßig; drei Fragen aus dem Verstand beantwortet — recht; aus dem Oateodismo äo so.ooono (heil. Abendmahl) und die 54. Frage rezitiret ohne Fehler; drei Reihen viotanäo geschrieben — vier Fehler; des Rechnens ist er durchaus unerfahren. 2. Jacob Mähl, Weber aus D., hat die Fünfzig hinter sich, hat gesungen: O Mensch, bewein' dein rc. Aus dem Oatoob. den volcalog (zehn Gebote) und 41. Frage rezitiret ohne Fehler; viotaucko drei Reihen geschrieben — fünf Fehler; des Rechnens auch nicht kundig. 3. Philipp Hopp, Schneider aus G., schon ein alter, gebrechlicher Mann von 60 Lebensjahren, sollte lieber zu Haus geblieben sein, als sich dies vermessen. Hat gesungen: Ein Lämmlein geht rc. viotanäo nur drei Wörter geschrieben — mit Mühe zu lesen. Rech nen ganz unbekannt, zählt an den Fingern wie ein kleines Kind. Wurde ihm gemeldet, daß er thörigt gehandelt habe, sich zu melden, was er auch mit Thrä- nen und Seufzen bekannt. 4. Johann Schütt, ein Kesselflicker von allhier, hat fünfzig Jahre des Lebens auf Erden gewandelt und hat gesungen: O Ewigkeit, du Donnerwort rc. Beim Oatoob. bemerkte man, daß er sothanen Stücken noch nicht im oxoroitio stehet, vietaucko drei Reihen geschrieben — ging an, was Buchstaben betrifft, doch zehn Fehler. Rechnens nur im ^ääirou erfahren. 5. Friedrich Loth, ein Unteroffizier aus Sch., so im Hochedlen von Grumbkow'schen Regiment den Feld zug gegen die Schweden gemacht und alldort ein Bein verloren, 45 Jahre des Lebens alt, hat gesungen: Christ lag in Todesbanden rc. Oateok. — wohl inne. Vier Fragen aus dem Verstand — ziemlich, viotancko drei Reihen, doch mit acht Fehler. — Rechnen ^ckckiron und bischen 8uktradirsn inne. Es wurde nun einmüthig davon gehalten, daß Jacob Mähl wohl der kapabelste, wogegen den An deren, namentlich dem Kesselflicker, nicht zu trauen, sintemalen er viel durch die Lande streiche, dagegen der Kriegsknecht wohl die Fuchtel gegen die armen Kindlein zu stark zu gebrauchen in Verdacht zu nehmen sei, was denen mitleidigen Müttern derselben doch sehr ins Herz stechen und wehe thun könnte, auch sei zwischen rohen Soldaten und solchen Würmlein doch ein Unter schied zu setzen. Der Pastor ließ nun votiren und wurde Mähl einstimmig erwählet. Da nun selber Jacob Mähl allezeit bonao tamao gewesen und die ganze Gemeinde Uastorum darum bitten, so giebt auch dieser im Vertrauen auf Gottes Segen gemeldeten Mähl sein votum ab. Nach abgelegten votis wurde solchem der Entschluß nebst erforderlicher Erinnerung und Verhalten eröffnet, auch angezeigt, daß er flugs zuziehen solle. — Hierauf wurde bei herzlichen! Segens wunsche des Un8tori8 mit dessen und der ganzen Ge meinde Befriedigung auch beiderseitiger Einigkeit solches Protokoll verfasset und unterschrieben. Aus vergangener Aeit. 3. Zwei kirchliche Gedenktage. Die sich nähernden Tage der Luther-Feier lenken unfern Blick heute in die vergangene Zeit. — Am 3. Sonntag pv8t 'Irinitatw, als 25. Juni 1730, begann das 3tägige Fest der 200jährigen Jubel feier der Uebergabe der Augsburgischen Kon fession, früh 5 Uhr, mit vollem Glockengeläute. 7 Uhr versammelte sich die wohllöbliche Bürgerschaft in ehr barer Kleidung und schwarzen Mänteln auf dem Rath hause, ging von hier aus zu Paaren über gestreutes Laub und Blumen um den Marktplatz und durch die Kirchgaffe in die Kirche, begleitet von fortdauerndem Glockenklange. Die Schulkinder, Knaben und Mädchen, welche sich in der Mädchenschule versammelt hatten, zogen nun, von den Herren kraoooptoritum geführt, ebenfalls herbei, indem sie sangen: „Nun lob mein Seel den Herren." — Die Kirche mar ebenfalls mit Gras und Blumen bestreut und der Altar mit blühenden und fruchttragenden Orangenbäumen geschmückt. Die Knaben begaben sich aus's Chor, während die Mädchen, 60 an der Zahl, mit Kränzen und Blumen gar fein ausgeputzt, sich um den Taufstein gruppirten, „welches dann bey angenehmen Wetter und Sonnenschein, gar schön lieblich anzusehen war." Dann begann Kirchen musik unter Leitung des Herrn Kantor Wilh. Strahle und die Festpredigt von Herrn Pfarrer Daniel Moritz (Schmelzens Substitut). Am Montag und Dienstag war ebenfalls Gottesdienst. (Quellen: Neujahrszeddul im Nathsarchiv.) — Das dritte evangelische Säkularfest am 31. Oktober 1817 ward früh 4 Uhr mit dem Ge läute aller Glocken, Böller- und Freudenschüffen er öffnet. 5 Uhr ertönte vom Kirchthurme unter Be gleitung von Blasmusik feierlich der Choral: „Nun danket alle Gott." Um 8 Uhr nahm der festliche Gottesdienst in der Stadtkirche, welche von unten bis ans Gewölbe hinauf gereinigt und mit grünen Reisern geschmückt worden war, seinen Anfang. Der Altar prangte im Schmucke einer neuen Bekleidung (von Frauen und Jungfrauen geschenkt). Das darauf be findliche Kruzifix war aus den Alterthümern der Kirche hervorgesucht und erneuert worden. Die Bilder Luthers und Melanchthons, mit Immergrün umwunden (Ge schenk einer Familie aus der Stadt), hatte man dem Altar gegenüber aufgehängt (jetzt durch neue ersetzt). Die Schützenkompagnie bildete Spalier in der Kirche, und gab auf dem Kirchplatze, unter Absingung des Liedes: „Herr Gott, dich loben wir," drei Salven ab. — Am 2^ Feiertage versammelten sich früh 8 Uhr sämmtliche Behörden und ein Theil der Bürgerschaft mit den Viertelsmeistern auf dem Rathhause. Um 9 Uhr zogen 400 Kinder aus Dippoldiswalde und den eingepfarrten Ortschaften von der Schule (beim Schlosse) durch die Kirchgasse um den Markt, am Rath haus vorüber, wo sich die dort Versammelten anschlossen, und von da nach der Kirche, wo der Hauptgottesdienst abgehalten wurde. In derselben Ordnung, begleitet von der Geistlichkeit, bewegte sich dann der Zug nach dem Markte, wo die Schuljugend um die Erwachsenen, mit dem Oberpfarrer Oehler in der Mitte, einen Kreis bildete, der wieder durch ein Viereck von königl. und Stadtmilitär umgeben war. Jetzt schwiegen die Glocken und der würdige Herr N. Oehler sprach wenige, aber tief ergreifende Worte des Dankes. Alles stimmte dann, durchdrungen von der Feierlichkeit des Augen blickes, mit lauter Stimme ein in die zwei letzten Strophen des Liedes: „Ihr, die ihr Christi Namen nennt." Hierauf ging der Zug vor der Schule aus einander. Nachmittags 3 Uhr zogen sämmtliche Kinder mit ihren Lehrern über den Markt aus's Rathhaus, wo der Bürgersaal und der große Saal im 2. Stock zu ihrem Vergnügen geöffnet waren. Für Musik und Getränke war genügend gesorgt. Abends 7 Uhr wurden den Kindern sowie den Erwachsenen Jubelbretzeln aus- getheilt, worauf sich die Kleinen um 8 Uhr nach Spiel und Tanz entfernten. — Am 3. Tage bildete die Hauptfeierlichkeit der gemeinsame Genuß des heiligen Abendmahls- durch Gemeinde und Garnison. Nach mittags vereinigten sich die Bürger zu Zusammen künften, worin der geselligen Freude das ihr gebührende Recht zu Theil wurde. (Denkschrift im Rathsarchiv.) Konrad Knebel. Dresdner Schlachtviehmarkt vom 9. Juli. Auf dein heutigen Schlachtviehmarkle waren 367 Rinder, 688 Land- Und 175 Nngarschweine oder in Summa 863 Schweine, 550 Hammel, 191 Kinder und 1 Ziege aufgclricben. Bei kaum inittelmiißigem Besuche scitcu diesiger wie auswärtiger Fleischer und in Gegenwart weniger Exporteure gestaltete sich der Ge schäftsgang mit Ausnahme von dem in Hammeln wenig be- sriedigend, woran in der Hauptsache die große Hitze während der ganzen verflossenen Woche, die den Fleischkonsum wesentlich beeinflußte, die Schuld trägt. Rinder, zwar nur mäßig auf getrieben, aber auch wenig begehrt, erzielten wider Erwarten dennoch eine Preissteigerung, so daß sich der Zentner Fleisch gewicht von Stücken bester Qualität auf 68—70 Ml., der von Mittelwaare auf 60—63 Mk., geringe Sorte auf 30 Mk. stellte. Sehr schwach war der Auftrieb in Hammeln, weshalb dieselben zu vorwöchigen Preisen abgenommen wurden. Englische Lämmer galten pro Paar im Gewicht zu 50 Kilo Fleisch 69—72 Mk., Landhammel in der gleichen Schwere 63—66 Mk., Bracken 36 Mk. Schweine sanden nur schwer ihre Abnehmer, sodaß bei viel zu starkem Auftriebe große Poste» unverkauft blieben. Landschweine englischer Kreuzung kosteten pro Zentner Schlacht gewicht 51—54 Mk., Schlesier 48—51 Mk., während ungarische Bakonier bei 35-40 Pfd. Tara mit 58—60 Mk. pro Zentner lebendes Geivicht gehandelt wurden. Alle übrigen Sorten fehlten. In Kälbern war der Geschäftsgang sehr schleppend und waren die Händler froh, vorwöchige Preise, d. h. 80—100 Pf. pro Kilo Fleisch, je nach Qualität der Waare, zu erhalten. Sparkasse zu Höckendorf. Nächster Erpeditions - Tag: Sonntag, den 15. Juli, Nachmittags von 3—6 Uhr. Sparkasse in Schmiedeberg. Nächster Erpeditions-Tag: Sonnabend, den 14. Juli, Nachmittags 4—7 Uhr. Sparkasse zu Kreischa. Jeden Sonntag geöffnet von Vormittags 11 — 12 Uhr und 'Nachmittags von 3—'/,5 Uhr. I» der RkMf. Erzählung von Friedrich Friedrich. (Fortsetzung.) „Ich habe ihn auch nicht zur Reise gekauft," be merkte Piper unwillig. „Ich bin ein großer Freund von allen Waffen," fuhr der Agent fort, den Revolver in der Hand be haltend und den Hahn wie prüfend ein wenig empor hebend. „Diese kleinen Dinger taugen im Ganzen nicht viel; ein sicherer Schuß ist mit ihnen kaum zu erzielen." „Es reicht für meine Bedürfnisse aus!" entgegnete Piper kurz und erhob sich. Der Fremde hatte für ihn etwas Unheimliches und Ausdringliches. „Es ist mir, als ob ich Sie bereits früher gesehen hätte," fuhr der Agent fort. „Wohl möglich." „Irre ich nicht, so war es in Berlin." Piper vermochte ein Gefühl der Verlegenheit nicht zu verbergen. Das Auge des Agenten haftete auf ibm. „Ich bin seit Jahren nicht in Berlin gewesen. Doch wie bereits bemerkt, ich bedarf Ihrer Dienste nicht!" Der Agent schien diese letzten Worte nicht zu hören. „Nein, ich habe Sie erst vor kurzer Zeit in Berlin gesehen," fuhr er fort. „Ich war. selbst dort für einige Wochen, bin aber froh, daß ich fort bin, denn es geht dort schlimm her. Die Verbrechen nehmen dort überhand. Erst vor kurzer Zeit wurde fast der ganze Laden eines großen Goldwaarenhändlers durch Spitzbuben ausgeräumt." Piper erblaßte sichtbar. Er wollte etwas erwidern, allein die Zunge war ihm schwer geworden. „Die Diebe sind freilich. Dank der guten Polizei, bereits entdeckt und verhaftet," fuhr der Agent fort. „Sie haben Alles eingestanden, auch das Versteck der gestohlenen Sachen. Es war in dem Hause eines kleinen Wirthes und der ist während der Zeit mit den Sachen auf und davon gegangen. Die Polizei soll indeß bereits auf seiner Spur sein!" Pipers Bestürzung war deutlich auf seinem Gesichte zu lesen. „Was kümmert mich das Alles!" rief er. „Ich dachte, diese Nachricht würde Sie doch in- teressiren, Herr Piper!" entgegnete der Fremde lächelnd. Erschreckt trat der Wirth einen Schritt zurück. Seine kleinen Augen schienen aus ihren Höhlen zu treten, seine Lippen zuckten. Er war nicht im Stande, ein Wort zu erwidern. „Aus Ihrer Reise nach Amerika wird nun wohl vorläufig nichts werden," fuhr der Agent fort, „denn ich muß Sie bitten, mich nach Berlin zu begleiten. Ich bin der Kriminal-Kommissar Frey aus Berlin, und nur zu dem Zwecke hierher gekommen, um Sie nach Ihrer Vaterstadt zurückzuführen!" Piper schwankte, er hielt sich am Divan. Dann