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beginnen. Die Budgetkommission wird dagegen ihre Arbeiten nunmehr sehr beschleunigen, damit sofort beim Beginn der Herbstsession die zweite Lesung des Etats vorgenommen werden kann. Der Reichstag tritt im Herbst zeitiger zusammen, als es bisher geschah. Ueber das Schicksal des Unsallversicherungsgesetzes ist noch nichts bestimmt. — Der Bundesrath hat die Eingaben wegen Ein führung von Silberprägungen im alten Verhält nisse zum Golde ablehnend beschieden. — An sämmtliche Bergbehörden des Reiches ist vom Reichskanzleramt eine Verordnung ergangen, Er örterungen über die Frage anzustellen, ob durch die Sprengungen mit Dynamit beim Bergwerks-Betriebe, namentlich durch die hierbei entwickelten Gase, Gefahren für die Gesundheit der Arbeiter zu befürchten sind. Infolge einer desfallsigen Petition, welche der Reichstag an den Reichskanzler zur Kenntnißnahme abgab, sind jetzt diese Erörterungen angeordnet morden, über deren Resultat man später erst Näheres erfahren wird. — Der Antrag der Protestler im Reichstage, das Diktaturgesetz aufzuheben, hat kaum einen höheren Werth, als daß durch ihn wieder einmal das Vor handensein eines solchen Gesetzes in das Gedächtniß der Mitlebenden zurückgerufen worden ist. Daß selbst der Politiker sich erst besinnen und fragen muß, was eigentlich den Inhalt jener vielverschrienen Vollmachten bildet, spricht wohl am besten für die außerordentliche Delikateste, welche sich der Statthalter der Reichslande in der Handhabung der ihm verliehenen Ausnahme befugnisse auferlegt hat. Das Diktaturgesetz, welches in seinem entscheidenden Paragraphen (2) bestimmt: „Bei Gefahren für die öffentliche Sicherheit ist der Statthalter ermächtigt, alle Maßregeln ungesäumt zu treffen, welche er zur Abwendung der Gefahr für er forderlich erachtet," dies Gesetz ist bisher nur ein ein ziges Mal, nämlich in der Ausweisung zweier sozial demokratischer Agitatoren im Jahre 1881 praktisch ge worden, es ist thatsächlich Nichts als ein Schwert in der Scheide und es beunruhigt und bedroht Nieman den, der nicht die öffentliche Sicherheit durch politische Wühlereien ernstlich stört. Daß die Zustände, in welchen solche Vollmachten für erforderlich erachtet werden, keine normalen sind, ist selbstverständlich; aber so lange die Verhältnisse im Elsaß der Regierung es als nicht statthaft erscheinen lassen, auf die Reserve waffe, die ihr in die Hand gegeben ist, zu verzichten, so lange wird es für jeden objektiv Denkenden, auch bei der größten Bereitwilligkeit, den Wünschen der reichsländischen Bevölkerung entgegenzukommen, außer ordentlich schwer sein, die Verantwortung für die mög lichen Folgen der Aufhebung des Gesetzes auf sich zu nehmen. Thatsächlich hat der protestlerische Antrag im Reichstage auf die Mehrheit nicht zu rechnen. Hannover. Bei der am 3. Juni stattgesundenen Aufführung der Oper „Margarethe" im Hoftheater fand an einem Beleuchtungsapparate eine Knallgas explosion statt, die Flamme wurde aber durch den Hydromotor sofort gelöscht. Die Vorstellung nahm ihren ununterbrochenen Fortgang, das Publikum be wahrte die größte Ruhe. Oesterreich. In der Versammlung der Vertrauens männer der deutschen Partei in Prag am 3. Juni konstituirte sich das deutsche Landeszentralwahlkomitee mit vr. jur. Schmeykal als Vorsitzendem. Der Wahl aufruf wurde angenommen und wird derselbe und die Kandidatenliste in den nächsten Tagen veröffentlicht werden. — Die Beiträge für den Bau des zweiten deutschen Theaters in Prag nehmen ununterbrochen einen günstigen Fortgang, so daß binnen Kurzem das vierte Hunderttausend Gulden vollzählig sein wird. England. Der Kampf gegen das Kabinet Glad stone, wie überhaupt gegen das jetzt bestehende politische System, nimmt fortgesetzt an Schärfe zu. So wurde erst dieser Tage von Lord Salisbury in einer großen Versammlung der Konservativen im Süden Londons eine Rede gehalten, die unter Zugrundelegung einer Resolution der gedachten Versammlung, welche die innere und äußere Politik der Negierung als ver- dammenswerth erklärte, das liberale Ministerium in der heftigsten Weise angriff und dabei mit aller Schärfe auszuführen suchte, wie die gesammte gesetzgeberische Arbeit der letzten Zeit nur zum Schaden des Landes ausgefallen sei. Der Rücktritt Gladstone's kann unter solchen Verhältnissen nur noch als eine Frage der Zeit gelten. Italien. Am 2. Juni, dem Todestage Garibaldis, zogen in Rom etwa 2000 Personen vor das öster reichische Botschastshotel, sowie vor den Qnirinal und den Vatikan, und brachten Hochs auf Oberdank, Triest und Trient aus. Frankreich. General Verneville, Kommandant der zweiten Kavalleriedimssion, hat bei seinem Rücktritt einen aus Luneville, 23. Mai, datirten Tagesbefehl erlassen, welcher folgendermaßen schließt: „Ich bin fest überzeugt, daß, nachdem Ihr Euch während des Friedens durch Eure Manneszucht und Ausbildung auf den ersten Rang emporgeschwungen, ihr eine kräf tige Rache nehmen werdet, wenn Frankreich einen Auf ruf an seine Kinder ertasten wird. Wenn der Feind auch sehr geschickt ist, so erinnert Euch daran, daß französisches Blut in Euren Adern rollt und daß un sere Väter diese Feinde niedergeschmettert haben, welche 1870 ihren Erfolg nur einem Augenblick der Ueber- raschung verdankten." — Am Abend des 4. Juni brach in einem Pro dukten - Maaren - Laden in Paris in der Rue Ober kampf ein Feuer aus, besten Bewältigung zwar nach einiger Zeit gelang, bei welchem aber durch das wieder holte Explodiren von Chemikalien 1 Feuerwehrmann getödtet und 10 andere Feuerwehrmänner schwer ver letzt wurden. Auch der eigentliche Feuerschaden ist ein sehr erheblicher. China. Li Hung Tschang, erstes Mitglied des großen Sekretariats für auswärtige Angelegenheiten in Peking, erklärte, China sei zum Kriege ent schlossen, wenn Frankreich die Rechte Chinas auf Anom (Tonkin) nicht anerkenne. Vermischtes. Der Rhabarber (kdourn) giebt ein ausgezeichnetes Kompot, wenn man die dicken Blattstiele scharf am Stamm abschneidet, schält, in zolllange Stückchen schneidet und nicht allzuweich in wenig Wasser kocht, und daraus reichlich Zucker und feineres Gewürz, z. B. Zitronenschale, hinzusügt. Das Letztere dämpft den „medizinischen" Beigeschmack, der nicht Jedem angenehm ist. Der Geschmack des Kompots ist dem von Apfelmus ähnlich. Von Mai bis August sind die Blatt stiele verwendbar, im Mai und Juni aber am wohlschmeckendsten. Die längsten Tage in Europa. Den längsten Tag in Europa hat die Stadt Reykjavik aus Island auszuweisen: dort, wie überhaupt auf der ganzen Insel, dauert die Tages helle drei und einen halben Monat. Sodann folgt das in Norwegen am Waranger Fjord gelegene Städtchen Vardohus, wo es vom 21. Mai bis 22. Juli ununterbrochen Tag ist. Weiterhin kommt die schwedische Grenzstadt Tornea; hier zählt der längste Tag 21'/», der kürzeste dagegen 2'/» Stunde». In Petersburg und Tobolsk in Sibirien währt der längste Tag 19 Stunden, dagegen hat der kürzeste Tag in diesen beiden Städten nur 5 Stunden. In Stockholm und Upsala dauert der längste Tag 18'/», der kürzeste 5'/» Stunden. In Berlin und London endlich beträgt die längste Tageszeit 17'/» Stunden. Dresdner Schlachtviehmarkt vom 3. Juni. Aus dem heutigen Schlachtviehmarkte waren 426 Rinder, 642 Land- und 185 Ungaxsckweine oder in Summe 827 Schweine nnd 185 Kälber ausgetrieben. Dieses Schlachwichquantum mutzte dem vorliegenden Bedarf gegenüber als ein viel zu starkes be zeichnet werden, da infolge der andauernd hohen Temperatur gegenwärtig wenig Fleisch kousumirt wird. Aus letzterem Grunde gistaltetc sich das Verkaussgeschäst namentlich in Rindern, Ham meln nnd Schweinen sehr flau, obwohl äusser einer ganz mittel starke» Zahl hiesiger und auswärtiger Fleischer auch die meisten der regelmäßig hierherkomineuden Exporteure sich eingestellt hatten. Primaqualität von Rindern wich pro Etr. Schlachtgewicht auf 60 Mk. und nur einzelne Stücke erzielten bis zu 66 M., wäb- rend Mittelwaare mit 51 bis 54 und geringe Sorte mit 27 Mk. bezahlt wurde. Englische Lämmer zu 50 Kilo Fleisch pro Paar kosteten 66 bis 69 Mk., Landhanunel in demselben Gewichte 60 bis 63 Mk. und das Paar Ausschußschöpsc nur 30 Mk. Der CIr. Schlachtgewicht von Landschwcinen englischer Kreuzung stellte sich aus 51 bis 54 Mk nnd von Schlesiern auf 48 bis 5l Mk., während der Etr lebendes Gewicht von serbischen Bakonicrn bei 35 bis 40 Pfund Tara 58 bis 59 Mk. und von ungarischen bei derselben Tara 60 bis 62 Mk. galt. Noch waren 41 Stück kern- fette und schwere polnische Landschweine aufgestellt, welche pro CIr. lebendes Gewicht bei 40 bis 45 Pfd. Tara mit 50 bis 52 Mk. bezahlt wurden. Für das Kilo Kalbfleisch bewilligte man je nach Qualität der Stücke zwischen 85 und 100 Pfeunigcu. In Ham meln, Schweinen nnd Rindern, in letzteren selbst in feinster Waare, blieben gar nicht unbeträchtliche Posten unverkauft und die Mehrzahl der Händler hatte Verluste zu verzeichnen. Sparkasse in Schmiedeberg. Nächster Erpcditions - Tag: Sonnabend, den 9. Juni, Nachmittags 4-7 Uhr. Sparkasse in Reinhardtsgrimma. Nächster Expeditions-Tag: Sonntag, den 10. Juni, Vormittags 11—'/,! Uhr, 'Nachmittags 3—5 Uhr. Sparkasse zu Kreischa. Jeden Sonntag geössnet von Vormittags 11 —12 Uhr nnd Nachmittaas von 3—'/,5 Uhr. In der Keßdenz. Erzählung von Friedrich Friedrich. (Fortsetzung.) „Und woher haben Sie denselben?" fragte der Kommissar. „Ich habe ihn gekauft." erwiderte Hugo. „Wann?" „Vor einigen Tagen." „Und bei wem?" I »In einer großen Goldmaarenhandlung — ich ! habe mir den Namen des Besitzers nicht gemerkt." „In welcher Straße befindet sich die Handlung?" „Auch dies kann ich nicht sagen," entgegnete Hugo. „Ich bin noch ziemlich fremd hier in Berlin und habe nicht nach den» Namen der Straße gesehen." „Das ist eigenthümlich," fuhr der Kommissar fort. „Nun, es genügt vorläufig Ihr Geständniß, daß Sie diesen Schmuck besessen und verschenkt haben. Wie er in Ihren Besitz gelangt ist, darüber können Sie sich später ausweisen." „Das werde ich!" rief Hugo, durch die ganze Art des Verhörs verletzt. Der Kommissar setzte seine Nachforschung fort, ohne etwas Weiteres zu finden, was für ihn Interests zu haben schien. „Ich verhafte Sie Beide im Namen des Gesetzes!" sprach er dann. „Folgen Sie mir!" Hugo schreckte zusammen. Feodora brach in lautes Weinen aus. „Uns verhaften!" rief Hugo. „Weshalb? Ich verlange zu erfahren, was Sie dazu berechtigt!" „Sie werden das Nähere erfahren," entgegnete der Kommissar ruhig. „Jetzt folgen Sie mir!" „Nein!" rief Hugo hastig. Er faßte das Ganze nicht. Feodora mar von dem Beamten Feodora Berger genannt, sie hatte zustimmend genickt — es schwindelte ihn, wirre Gedanken flogen durch seinen Kopf hin, er wußte selbst nicht, was er in diesem Augenblicke that. „Sei ruhig, Feodora," sprach er, zu dem heftig weinenden Mädchen tretend. „Ich werde Dich be schützen. Es ist eine unerhörte Willkür, daß man uns verhaften darf, ohne uns zu sagen, weshalb. Ich werde dem Befehle nicht folgen!" Dann werde ich Sie mit Gemalt fortbringen lasten!" lautete die ruhige Antwort des Kommissars, der den beiden Schutzleuten einen Wink gab. Diese traten auf Hugo zu. Einen Augenblick lang schien er entschlossen zu sei», sich zu widersetzen, dann gab er. den Gedanken auf. „Gut," sprach er mit vor Erbitterung bebender Stimme, „ich werde Ihnen folgen, allein ich werde auch Genugthuung von Ihnen verlangen für das, was Sie meiner Braut und mir gethan haben. Ich bin der Neffe des Oberst von Olfern — ich werde —" Er beendete seine Worte nicht, die Stimme ver sagte ihm vor innerer Aufregung, als er sah, daß einer der Schutzleute Feodora ohne Umstände am Arme erfaßte und emporzog. Er wollte ihr zu Hilfe eilen, allein schon wurde er zum Zimmer hinausgeschoben. Vor dem Hause hielten bereits zwei Droschken. In die eine wurde er gebracht, und der Kommissar, sowie ein Schutzmann setzten sich zu ihm — die an dere nahm Feodora auf. In scharfem Trabe ging es fort zum Molken markte. Hugo sprach kein Wort. Mit den Zähnen biß er in die Lippen. Er stieg aus und wurde die Treppe zu dem Polizeigebäude emporgesührt, und ehe er sich klar bewußt wurde, befand er sich bereits allein in einem engen Zimmer, besten Thür hinter ihm ver schlossen wurde. Er hatte Feodora nicht wieder ge- ' sehen. Beide Hände preßte er gewaltsam vor die Stirn, als wolle er sich selbst wach rufen aus dem düsteren, schweren Traume. Eine namenlose Angst erfaßte ihn in dem engen, dumpfen Zimmer — er wollte um Hilfe rufen, nur um zu erfahren, weshalb er verhaftet sei — gänzlich erschöpft sank er auf einen hölzernen Schemel. Am Morgen des folgenden Tages ließ sich der Kommissar Frey bei dem Obersten anmelden. Ohne Zögern wurde er vorgelasten. „Haben Sie bereits die Diebe entdeckt?" rief der Oberst, ihm rasch entgegentretend. „Noch ist es mir nicht gelungen, eine sichere Spur derselben zu entdecken," entgegnete Frey. „Mich führt eine andere Angelegenheit zu Ihnen." „Was bringen Sie mir?" warf der Oberst ein. „Ihr Neffe, Hugo von Olfern, ist gestern Abend verhaftet worden." Einen Augenblick stand der Oberst sprachlos da und blickte den Kommissar sprachlos an. Hätte dieser ihm mitgetheilt, der ganze Thiergarten sei am Abend zuvor gestohlen, so würde ihn das nicht mehr in Er staunen gesetzt haben. „Mein Neffe verhaftet!" wiederholte er. „Wes halb? Ist er vielleicht in lustiger Weinlaune mit einem Wächter zusammengerathen?" „Nein, das nicht, es ist eine andere, unangenehme Veranlassung," entgegnete Frey. „Ihr Neffe hat sich mit einem sehr übelberufenen Frauenzimmer, auf wel ches die Polizei schon längst em wachsames Auge hat, in eine, wie es scheint, ernstliche Liaison eingelassen. Die Dame wurde gestern Abend verhaftet, weil sie dringend verdächtig ist, an dem großen Diebstahle in