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im Dom der alten Kaiserstadt; dort bezeichnet eine steinerne, mit phantastischen Thier- und Menschengestalten geschmückte Einfriedigung zwischen einem Vierungspseiler und der nächsten Arkadrnsäule seinen einstigen Standpunkt. Nachdem der Stuhl in den Besitz des Prinzen Karl gekommen.war, be nutzte ihn bekanntlich der Kaiser Wilhelm bei der Eröffnung des ersten deutschen Reichstages. Er ruht aus vier Kugeln und besteht auS einem rechteckigen Körper von Sandstein mit Füllungen und mit Ecksäulchen, Rücken- und Seitenlehnen auS Bronze. Das Blatt-, Blüthen- und Ranken - Ornament der Lehnen, sowie die stämmigen, an der Basis und dem Kapital ebenfalls in Blattwerk ausgehenden Säulchen ent sprechen dem romanischen Stil, und die Arbeit wird dem gemäß in das 12. Jahrhundert oder um 1200 gesetzt. So bald die innere Dekoration des Saales im Kaiserhause zu Goslar vollendet sein wird, soll der Stuhl dorthin übergeführt werden. Dies dürste in 5 bis 6 Jahren geschehen, denn so viel Zeit wird die Ausführung des großartigen Bilderschqiuckes, ' welchen der Saal von der Hand des Prof. Wislicenus und der Maler Weinack und Strecker erhält, noch in Anspruch nehmen. Bis jetzt ist erst das großartige Mittelbild, welches die Kaiserproklamation in Versailles darstellt, beendet. Ebenso ist die herrliche Deckenmalerei bis zum Mittelbogen und an der Westseite über den Arkaden die Darstellung „Dornröschen" fertig gestellt. Dresdner Schlachtviehmarkt vom 26. Februar. Auf dem heutigen Schluchtvielunarkte waren 371 Rinder, 712 Land- und 308 Ungarschweine oder in Summa 1020 Schweine, 674 Hammel und 184 Kälber aufgctrieben. Der Besuch konnte als ein mittelstarker bezeichnet werden, doch ver mißte man mehrere namhafte Aufkäufer von auswärts. Rinder reichten trotz des schwächeren Austriebs nicht nur ans, sondern hinterließen in geringwcrthigeren Stücken auch noch Ucberstände, während die den Bedarf nicht völlig deckenden Hammel ungemein raschen Absatz sanden. In Schweinen war ein mittleres Ver- kaussgeschäst zu verzeichnen und fand Kcrnwaare glatte Abnahme, indeß von schwachen Stücken mehrere Posten übrig blieben. Auch in Kälbern wurde Primaqualiiät fast ausfällig bevorzugt und geringe Sorten vernachlässigt. Bezüglich der Preise Haden Wir Folgendes zu berichten: Primaqualität von Rindern, von welcher hiesige renommirte Fleischer noch von, vorwöchigen Haupt- markte her Borräthe besitzen, wurde pro Zentner Schlachtgewicht wieder mit 65 bis 68 Mk. bezahlt, während Mittelwaare 54 bis 57 Mk. und geringe Qualität 30 Mk. galt. Englische Lämmer, die allerdings in ausgesucht schönen Stücken am Platze sich san den, kosteten pro Paar zu 50 Kilo Fleischgewicht nicht weniger als 75 bis 80 Mk., Landhammel in demselben Gewichte 63 dis 66 Mk. und das Paar Ausschußschöpse 40 Mk. Für den Zentner Schlachtgewicht von Landschweincn englischer Kreuzungbewilligte man 57 bis 60 Mk. und von Schlesiern 54 bis 57 Mk., indeß der Zentner lebendes Gewicht von Bakoniern 60 bis 62 Mk. und von 220 Stück Oswizinern 55 bis 58 Mk. erzielte. Alt Tara gewädrten die Händler in den beiden letztbezeichneten Felt- viehsorten durchschnittlich 40 bis 45 Pfd. Serbische Bakonier, Walachen und Mecklenburger fehlten heute abermals vollständig. Kalbfleisch wurde je nach Güte der Waare mit 80 bis 105 Pfg. pro Kilo bezahlt. Dresdner Produktenbörse vom 26. Februar. Mark. Weizen, weih . . 175—192 do. gelb inl. neu 170— l 85 do. feucht. . 150-160 do. fremd, weiß 196—209 do. do. gelb 186—206 do. engl. Abk. 150-165 Roggen, inl. neuer 130—140 do. feuchter . 120-130 ds. glz. u.rufs. 128—136 do. preuß. neu 140—150 Gerste, inländ. . 130—140 do. böhm. u.mähr. 180—200 do. Futter . . 115—125 Hafer, inländ.. . 135—146 do. russiicher . do. neuer inl. 110—125 Mais, Cinquantine 150—155 do. rumän.. . 138—143 Erbsen, Kochwaare 170—200 do. Futterwaare 135—145 Bohnen.... 180-220 Wicken .... Buchweizen, inländ. 135—140 Oelsaaten, Raps . 320-340 do. Rübsen Mark Leinsaat, seine. . 220—235 do. mittel. . 180-210 Rüböl, rasfiuirl . . 81,00 Rapskuchen, inländische 13,50 do. nmde . 13,50 Malz 25-29 Kleesaat, roth . . 150—180 do. weiß. . do. schwedisch Thvmolhce. . . 70— 80 Weuennl., Kaiseraus;. 36,50 Griesler-Auszug . 34,00 Semmelmehl . . 31,00 Bäcker-Mundmehl 28,50 Griesler-Mundm. 23,50 Pohl-Mehl. . . 18,00 Roggenmchle, Nr. 0. 25,00 Nr. O/I ... 24,00 Nr. 1 . . . . 23,00 Nr. 2 ... . 20,00 Str. 3 . . . . 17,00 Futtermehl .... 12,50 Weizenklcie.... 8,50 Noguenkleic . . . 9,50 Spiritus per 100 Liter 52,50 Sparkasse zu Höckendorf. Nächster Erpeditions-Tag: Sonntag, den 4. März, Nachmittags von 3—6 Uhr. Sparkasse zu Kreischa, Jeden Sonntag geöffnet von Vormittags II—12 Uhr und Nachmittags von 3—'/,5 Uhr. I« i>kk KOkits. Erzählung von Friedrich Friedrich. (Fortsetzung.) Erbittert über seinen Leichtsinn und seine Thorheit, schlug er sich mit der Hand vor die Stirn. Der Ver lust des Geldes war ihm doch außerordentlich em pfindlich, denn die Summe war eine bedeutende, sie hatte für einen längeren Aufenthalt in der Residenz ausreichen sollen und schon am zweiten Tage stand er ohne Geld da, außer den wenigen Thalern, welche er im Portemonnaie trug. Mit aufgeregten Schritten durchmaß er das Zimmer. Er sann nach, auf welche Weise er sich am besten aus dieser unangenehmen Lage befreien könne. Seinem Vater mochte er nicht schreiben, war derselbe auch reich, so schämte er sich doch, seine Thorheit ihm einzuge stehen; er würde den bittersten Vorwürfen nicht ent gangen sein, ja er befürchtete sogar, daß sein Vater ihn sofort zurückrufen werde, und er hatte nicht die geringste Lust, Berlin, von dem er sich so viele Freu den versprochen hatte, so bald wieder zu verlassen. Freunde hatte er nicht in der Residenz, zu denen er seine Zuflucht hätte nehmen können. Er dachte an den Herrn von Haken, der sich seiner so freundlich an genommen hatte, allein sein Stolz sträubte sich dagegen, daß er sich an diesen Herrn wende, den er erst einmal gesehen hatte, er kannte ohnehin nicht einmal die Adresse desselben. Es blieb ihm nur ein Weg übrig, sich an seinen Onkel, den Bruder seines Vaters, den Oberst von Olfern, zu wenden. Zu ihm mußte er ohnehin geben, schon am Tage zuvor würde er ihn besucht haben, wenn nicht das unglückselige Spiel dazwischen gekommen wäre. Langsam kleidete er sich an, der Kopf schmerzte ihn, die Hand zitterte — er verwünschte im Stillen jedes Spiel und jeden Wein. Als er das Hotel ver ließ und auf die Straße trat, wurde ihm etwas leichter, denn die frische Luft that ihm wohl; er durchschritt deßhalb mehrere Straßen, ehe er sich der Wohnung seines Onkels zuwandte. Endlich begab er sich zu ihm. Der Diener meldete ihn an und er hörte, wie die kräftige und ihm wohlbekannte Stimme des Obersten rief: „Er soll eintreten!" Diese Worte seines lustigen und gutmüthigen Onkels erfüllten ihn mit frischem Muthe. Er trat rasch in das Empfangszimmer, der Oberst kam ihm bereits entgegen. „Guten Morgen, Hugo, da bist Du ja!" rief er, ihm die Hand entgegenstreckend. „Nun komm mit in mein Zimmer, dort ist es gemüthlicher, haha! Hier bin ich selbst halb ein Fremder." Sie traten in des Obersten Zimmer. „Nun sag' mir. Du Blitzjunge," fuhr der Onkel fort, „weßhalb Du nicht früher zu mir gekommen bist? Du bist bereits seit vorgestern Abend hier — ich weiß Alles, Dein Alter hat mir geschrieben und mich ge beten, Dich unter meine Obhut zu nehmen, denn er befürchtet, daß Du hier tolle Streiche ausführen könntest. Haha! Das steckt mit in unserm Blute! Aber zum Kukuk, wie siehst Du aus? Sieh mich an. Junge! Mit diesen bleichen Wangen und umschleierten Augen hast Du das Gut Deines Vaters nicht verlassen. Was fehlt Dir?" „Mir ist unwohl," entgegnete Hugo zögernd, denn noch hatte er nicht Ruhe genug gefunden, seinem Onkel Alles zu gestehen. Er fuhr mit der Hand über die Stirn hin und fügte hinzu: „Mein Kopf schmerzt!" Der Oberst sah ihn prüfend und mit einem un gläubigen Lächeln an. „Ein Schnupfen, nichts weiter!" rief er. „Setz' Dich, zünde Dir eine Zigarre an und trink ein Glas Portwein, das macht den Kopf wieder klar — ich kenne das!" Schon der Gedanke an Wein hatte für Hugo in diesem Augenblicke etwas Peinliches — hastig lehnte er Beides ab. „Haha! Da haben wir den Vogel gefangen!" rief oer Oberst lachend. „Nun leugne noch, daß Du gestern bereits einen lustigen Tag gefeiert hast! Deshalb bist Du nicht gekommen! Nun beichte, ich werde Deinem Alten nicht sofort telegraphiren lassen, daß Du Dir einen schweren Kopf getrunken hast. Das passirt Einem hier schon — nun erzähle, wo Du gewesen bist!" Er ließ sich auf dem Sopha neben Hugo nieder und dieser konnte den Fragen nicht mehr ausweichen. Offen erzählte er sein zufälliges Zusammentreffen mit von Haken und von Secken, die gemeinschaftliche Wanderung durch das Museum, das Diner in dem Weinkeller, das Hinzukommen der drei andern Herren, das Spiel und sein hartnäckiges, unerhörtes Unglück bei demselben. Aufmerksam hatte der Oberst ihm zugehört. „Und wie viel hast Du verloren?" fragte er. „Alles, was ich bei mir hatte — was mir mein Vater für meinen ganzen Aufenthalt hier mitgegeben hatte." „Wie viel?" „Fünfzehnhundert Tbaler," erwiderte Hugo lang sam, gedrückt, vor sich hinstarrend. Der Oberst sprang erschreckt empor. „Fünfzehnhundert Thaler?" wiederholte er — er glaubte sich verhört zu haben. Hugo nickte bejahend mit dem Kopfe. „Donnerwetter, Junge, von einer solchen Summe müssen ja drei Lieutenants ein ganzes Jahr hindurch leben — außer ihren Schulden!" rief der Oberst. „Und Du verspielst sie an einem Tage, itt wenigen Stunden! Hugo, das ist mehr als leichtsinnig! Wenn mein Junge — zum Glück Hobe ich keinen — mir solche Streiche machte, wahrhaftig, ich glaube — ich glaube —" Er stockte und schien selbst nicht zu wissen, was er glaubte. „Weiß Dein Vater schon darum?" fügte er hinzu. „Nein," erwiderte Hugo aufblickend. „Er darf es auch nicht erfahren — zum Wenigsten jetzt noch nicht." „So — so!" fuhr der Oberst, indem er aufgeregt im Zimmer auf- und abschritt und dichte Rauchwolken von sich stieß, fort. „So — er darf es nicht wissen! Und wie willst Du denn aus der Klemme kommen? Wovon willst Du hier leben?" Hugo schwieg. Er hielt diesen Augenblick nicht für recht geeignet, seinem Onkel zn sagen, daß er auf seine Hilfe vor Allem rechne. „Es ist eine fatale Geschichte," sprach der Oberst weiter. „Ich sage Dir voraus. Dein Vater wird einen tüchtigen Spektakel machen, wenn er dahinter kommt. Er kann die Fünfzehnhundert Thaler wohl sehr leicht missen, aber ich glaube, er ist in den letzten Jahren etwas sehr genau geworden. He? Ist es nicht so?" Hugo bestätigte es. „Und wie hießen die Herren, welche so freundlich waren. Dir das Geld abzunehmen?" Hugo nannte ihm die Namen. „Von Haken, von Secken, Baron von Heller — von Prater!" wiederholte der Oberst langsam und nach sinnend. „Zum Kukuk, ich lebe seit Jahren hier in Berlin, ich bin mit sehr vielen Menschen hier bekannt und diese Herren kenne ich nicht einmal dem Namen nach!" — Plötzlich schien ein Gedanke durch seinen Kopf hinzuschießen, er blieb vor Hugo stehen und blickte ihn mit großen Augen an. „He! Weißt Du, wer Deine Herren von Haken, von Secken und wie die Spitzbuben sich weiter getauft haben mögen — weißt Du, wer sie gewesen sind? Bauernfänger, falsche Spieler, Gauner der ganz gewöhnlichsten Art, welche Dich in ihr Netz gelockt und dann so lange gerupft haben, als eine Feder an Dir gewesen ist!" „Unmöglich!" rief Hugo. „Und meßhalb unmöglich?" warf der Oberst ein. „Sie hatten so feine Manieren — sie waren so gebildet — es ist nicht möglich!" „Haha! Verstellung — nichts wie niederträchtige Verstellung! Natürlich mußten sie die Feinen spielen, um Dich zu täuschen. Dich sicher zu machen und an sich zu locken! Hast Du nie von den Bauernfängern gehört, welche hier ihr Wesen treiben?" „Doch — doch! Allein dies waren keine Bauern fänger !" erwiderte Hugo. „Der Herr von Haken war so fein gebildet, er war mit den Kunstwerken so genau bekannt.... Der Baron sprach davon, daß seine Stute gestürzt sei, daß sie hundert und fünfzig Fried- richsd'or gekostet habe — ein Bauernfänger kann doch unmöglich ein Pferd von solchem Werthe besitzen!" „Hugo — Junge!" unterbrach ihn der Oberst. „Bist Du denn noch mit Blindheit geschlagen? Hast Du die Stute denn gesehen? Begreifst Du nicht, daß die ganze Pferdegeschichte niederträchtig erlogen ist, um Dir ächten Berliner Sand in die Augen zu streuen! Haha! Die Gauner werden sich gefreut haben und dem Himmel danken, daß er in der Provinz die Un erfahrenen nicht aussterben läßt! Mich wundert nur, daß sie Dir nicht auch die Uhr und die Ringe abge nommen haben, diese Herren verschmähen sonst nichts!" Ziemlich kleinlaut gestand Hugo, daß er auch die Uhr verspielt habe. „Also doch!" rief der Oberst. „Und auch dann ist es Dir noch nicht klar geworden, daß Du mit Spitz buben zu thun hattest! Ein wirklicher Edelmann würde doch nimmermehr einen solchen Einsatz angenommen haben!" Hugo schwieg. Er schien endlich überzeugt zu sein, daß er Gaunern in die Hände gefallen war und ein Gefühl der Beschämung überkam ihn. Der Oberst bemerkte dies und seine Gutmüthigkeit gewann schnell wieder die Oberhand. „Nun, Du bist nicht der Erste, dem es so ergangen ist," sprach er, „obschon Du hättest vorsichtiger sein müssen. Lehrgeld muß fast jeder Fremde hier bezahlen, nur nicht so niederträchtig viel. Fünfzehnhundert Thaler ist ein Heidengeld! Aber warte, ich werde ver suchen, ob wir den Gaunern nicht einen Theil we nigstens wieder abnehmen können. Hier im Hause wohnt ein Kommissar der Kriminalpolizei — ich kenne ihn, ich werde ihn bitten, zu mir zu kommen, er wird die Galgenvögel, welche Dich gerupft haben, schon kennen, vielleicht gelingt es ihm, einen Theil des Geldes zu retten." Er setzte sich an den Schreibtisch, schrieb schnell einige Zeilen, klingelte seinem Diener und trug ihm auf, die Zeilen zu dem Kriminalkommissar zu tragen. Ungeduldig schritt er dann im Zimmer auf und ab und überlegte, welche Wege in dieser unangenehmen Geschichte noch einzuschlagen seien. (Fortsetzung folgt.)