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Scheine enthüllt sich die Liebe in tausend zarten Beweisen der Aufmerksamkeit, werden die liebsten Wünsche erfüllt, die kühnsten Erwartungen übertroffen. Die Kleinen haben schon wochenlang berechnet, wie ost sie noch erwachen, bevor der Bescheertag da ist, bis endlich aus den jungen Kehlen tönt: „Einmal werden wir noch wach, heisa, dann ist WeihnachtS- tagl" Von den vielen Weihnachtsliedchen, welche die Haus poesie zu Pflegen hat, ist das: „Morgen, Kinder, wird'« was geben, Morgen werden wir uns fteu'n, Welche Wonne, welches Leben Wird in unserm Hause sein!" das einfachste, vielleicht aber auch das beliebteste, weil es mit der Stimmung der Erwartung, die dem Bescheertag voran geht, im innigsten Einklang ist. Die Sitte, den Weihnachtsabend durch Musik vom Thurme herab einzuleiten, ist nur noch in einigen Gegenden erhalten; doch die echt volksthümlichen Weihnachtslieder werden nimmer in den Familien ihre erhebende Kraft verlieren. Das musikalische Moment ist bei dieser Feier, die ein Kinder- und Familienfest ist, dem Gemüthe unentbehrlich, es flößt Milde und Versöhnung in so manches Herz, daß es hie Härte des Schicksals minder bitter empfindet, an eivery Ahrnd> welcher der allgemeinen Glückseligkeit geweiht scheint) allein und ver lassen zu sein. Die Weihnachtsgesängr, die blS'in daS Käm merlein der Kranken und Armen dringen, machen sie zu Theilnehmern der Freude und wecken Erinnerungen an ver gangene frohe Zeiten. Lieder, Lichter und Geschenke geben «P- dem Weihnachtsabend den harmonischen Dreiklang, welcher bu Penew einen Wiederhall findet, deren Sinn für das rechte Geben und Empfangen, für die einfache Melodie, wie sie im Kreise der Familie nientalS erlöschen dürfte, gebildet ist, deren Anbrüche nicht überreizt sind und bet denen die Blasirtheit noch) vM Platz gegriffen hat. Aber auch die Kunst nach einer andern Richtung hin hat ihren Antheil an dem Bescheertage. DaS Putzen und Behängen der Bäume, das Aufbauen und Auswählen der Gegenstände bis zur kleinsten Puppe, der Bilderbogen, der geschnitzten und bemalten Thiere, kurz aller, auch der gering sten Gaben, selbst die Inschriften der Pfefferkuchen und Bonbons, bedingt jenen ästhetischen Zartsinn, der überall wohl thut, der nirgend einen Mißlaut hervorruft, der gleich sam in daS Reich des Schönen wie in einen Guckkästen voll lauter Herrlichkeiten blicken läßt. Ja, es ist nicht leicht zu bescheeren, damit Diejenigen, welche in den Besitz neuer Reich tümer gekommen, auch wirklich dadurch bereichert sind: daß hier ihrem Beschäftigung«- und Bewegungstriebe, dort dem Bedürsniß nach sinniger Lectüre, dein Biidersehen rc. genügt werde, so daß, wenn der Morgen anbricht, erst die rechte Freude durch den Verkehr mit den Dingen beginnen kann, und so täglich auf's Neue erblüht und sich nie erschöpft, und daß dabei die jungen Kräfte wie Morgenstrahlen aufgehen. Spiele, d. h. Thäligkeit, nicht Genüsse, erhalten Kinder heiter. Ein Spielzeug giebt erst Genuß durch seine Erscheinung und Heiterkeit durch seinen Gebrauch. Erwachsene können ihren Genuß durch Zukunft und Vergangenheit einfassen und aus- dehnen; Kinder aber, die Beides nicht haben, leben ganz der Gegenwart; ihr Augenblick ist, wie ihr Auge, kleiner als unserer. Eine Düte mit Pfeffernüssen hat für sie nicht ge ringeren Werth, alS der kostbarste Marcipanaufsatz, wenn sie nur eben damit spielen können, oder ihre Phantasie damit angeregt wird. Kleine Genüsse wirken wie Riechfläschchen auf die jungen Seelen und stärken von Thätigkeit zu Tätig keit. . ' ' Somit ist der neue Morgen nach dem Bescheerabend der eigentlich kritische Moment, welcher darüber entscheidet, inwieweit das Nichtige gewählt und dem individuellen Begeh ren entsprochen wurde. In den Familien, in welchen die Eltern ihren Kindern leben, deren Neigungen und Bedürfnisse kennen und in ihren Spielen die Entwickelung ihres Geistes und GemütheS verfolgen, wird der Bescheertag Glück und Wonne bringen und den Himmel der Heiterkeit, unter welchem alle edlen Keime zur Reife gedeihen. Tage-gefchichte. Rabenau. Der Bericht der sächs. Holz-Jndustrie- Gesellschaft für 1876 bis 1877 ist erschienen. Der in 810,862 Mk. bestehende Umsatz vertheilt sich mit 631,658 Mk. auf die massiv gebogenen Möbel und mit 179,207 Mk. auf Handfabrikate. Die hohe Ziffer des Gewinn- und Ver lustkontos wird erklärt durchs die zu spät al« fehlerhaft er kannte Ansammlung eines zu großen Lagers und daraus folgender Zinfenbelaftung für beanspruchten größeren Credit, sowie durch daS Mißverhältniß zwischen Production und Regiekosten , dessen Beseitigung Aufgabe der Verwaltung ist, nicht minder auch durch bedeutende Abschreibungen auf Außen stände, Baulichkeiten, Maschinen rc. Günstige Wirkungen für die Zukunft erwartet man von der Reduktion des Lagers, sowie von dem durchgeführten Sparsystem für die Consoli- dirung der finanziellen Verhältnisse. Der im Gewinn- und Verlustkonto verzeichnete Verlust beträgt 371,231 Mark. Dresden. Im Landtage hat die 1. Kammer den Ankauf des Hoffmannegg'schen Grundstückes, behufs der Ab rundung des fiskalischen Areal» in Neustadt-DreSden, sowie den Gesetzentwurf, die Verfassung der Gerichtsämter betr., ohne erhebliche Debatte genehmigt. — Die 2. Kammer be schäftigte sich mit Petitionen. — Beide Kammern wurden bis 3. Januar 1878 vertagt. Leipzig. Für daS hier zu erbauende neue Con cer th aus, auf 900,000 Mark veranschlagt, sind bereits 615,000 Mark gezeichnet; den Rest hofft man ebenfalls bald ,zu erlangen. Berlin. Die Einnahmen des deutschen Reiches an Wechselstempel-Steuer sind für 1878 bis 1879 auf 7,002,000 Mk. veranschlagt. Nach Abzug des AntheilS der Landesregierungen, der Reichspost rc. verbleibt eine Rein- Einnahme von 6,653,100 Mk. — Wenn auch über den Termin der Einberufung dcS Reichstages ein Beschluß an maßgebender Stelle noch nicht gefaßt ist, so ist doch sehr wahrscheinlich, daß der Zu sammentritt in den letzten Tagen des Januar stattfinden wird. Köln. In der Nacht zum 14. December ist von hier ein Postpracticant, Gust. Schade, nach Unterschlagung mehrerer Geldbriefe mit 10,000 Mk. in Papier, flüchtig geworden. Auf die Ergreifung des Menschen und Herbeischaffung des Geldes find 500 Mk. Belohnung ausgesetzt. Rußland. Der Kaiser Alexander ist am Sonnabend Vormittag in Petersburg eingetroffen und feierlich em pfangen worden; eine zahllose Menschenmenge durcbwogte die Straßen und gab ihrer Begeisterung unaufhörlich Ausdruck. Vom Kriegsschauplätze. In Bulgarien wieder holen sich kleinere Gefechte zwischen den Russen nnd Türken fortwährend, und es macht sich dort auf allen Punkten eine rege Thätigkeit bemerkbar, jedenfalls Vorboten baldiger ernsterer Kämpfe. Von besonderer Bedeutung ist die Nach richt, nach welcher an Stelle des nach Rußland zurückkehren den russischen Thronfolgers der General Todleben zum Ober- commandant der NustschukerArmee-Ablheilung ernannt worden ist; aus diesem Commandowechsel ist unschwer zu erkennen, daß die russische Heeresleitung auch gegen das Festungs viereck energisch und regelrecht zu operiren beabsichtigt und daß man diesen bewährten Feldherrn abermals mit der Lösung einer keineswegs leichten Aufgabe betrauen will. Seit 19. , December ist allenthalben ungeheurer Schneefall eingetreten, weshalb die Operatjonen schwer weiter gehen.