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und ward stark, da man ihm gute Nahrung gegeben hatte, denn der Verein zählt gegenwärtig ca. 50 Mitglieder. Aller 4 Wochen, daS ganze Jahr hindurch, werden die stet« sehr zahlreich besuchten Versammlungen abgehalten, wobei eine monatliche Steuer von 15 Pfg., theil« zur Vermehrung der bereits über 100 Bändchen zählenden Bibliothek, theilS zur Ermöglichung eines alljährlichen Vereinsvergnügens ent richtet wird. Der Verein ist selbstständig und hat seine Statuten. An der Spitze des Vereins befindet sich ein Bor- sitzenver, dessen Stellvertreter (welcher zugleich Protocollant ist), ein Kassirer. Jedes Mitglied ist berechtigt, die Bibliothek zu benutzen, ohne eine weitere Entschädigung zu leisten, und wird ein äußerst fleißiger Gebrauch von diesem Rechte gemacht! Wenn die Vorträge meistentheils dem Vorsitzenden oder dessen Stellvertreter zufallen, so steht es doch auch jedem Mitglied«, da« sich hierzu qualificirt fühlt, frei, einen Vortrag zu übernehmen, was bereits geschehen und auch fernerhin nur noch mehr geschehen mag! Der Stoff der Vorträge entfällt der Geschichte, Natur geschichte, Naturlehre mit, soweit möglich, kleineren Experi menten pikant gemacht, oder sonstigen Themata'«, soweit sie in da« Bereich eines Lesevereins passen. Kurz und gut, dem Verein ist nach seinen Grenzen für Geist und Gemüth Ge legenheit geboten, sich auf dem Gebiete de« WissenSwerthen und der Erfahrung recht hübsch umsehen zu können, und wenn bei jeder Versammlung nur Etwas haften bleibt, so erreicht der Verein gewiß sein vorgestecktes Ziel. Daß der Verein Lebenskraft besitzt, beweißt sein lange« Bestehen, die gut be suchten Versammlungen, da« stete WachSthum oe« Verein«! — Jedem Mitglieds ist e« gestattet- zur weiteren Aufklärung Fragen zu stellen, und um in dieser Hinsicht, oder im Interesse de« Vereins ungenirter sein zu können, ist ein Fragekasten vorhanden. Auch die Frauen werden dann und wann mit ein geladen. Leider waren am 11. d. Mt«. nur 2 derselben an- wesend. Eine meinte in ziemlich humoristischer Weise, daß die Schuld wohl an den Männern liegen müsse, und stellte Strafantrag für dieselben an die Cassel — Referent muß gestehen, daß diese Versammlung, welche ziemlich stark besucht war, einen sehr guten Eindruck auf ihn gemacht hat, und wünscht dem Verein auch ferneres Gedeihen! Hierbei nimmt Referent Gelegenheit, aus ein zeither ihm unbekanntes Werk hinzuweisen, welche« jedem derartigen Vereine, auch Gewerbevereinen, sehr zu empfehlen ist; e« ist „Bernsteins Naturlehre." In diesem Werke, das aus 12 Bändchen besteht, werden Fragen zur möglichsten Lösung gebracht, die jedem denkenden Menschen von höchstem Interesse sein müssen! Wenn ich nicht irre, so ist der Preis 12 Mk. 60 Pfg., doch kann das Werk in einzelnen Bändchen bezogen werden. Der Verein zu Hermsdorf ist im Besitze desselben, und eS wird fleißig benutzt. -s Dresden, 18. Oktober. Die Synode bat viele Tage ihre öffentlichen Verhandlungen aussetzen müssen; desto hingebender arbeiten die Ausschüsse, um ihre Berichte fertig zu stellen, während dieselben Materien zu gleicher Zeit in den freien Versammlungen auf'« Angelegentlichste durch- sprachen werden, um da« Urtheil zu klären und eine viel seitig erwogene Gesammtmeinung zu gewinnen. Gerade die vorzüglichsten Mitglieder haben noch wenig öffentlich ge sprochen, die Kraft wird gespart, die Spannung wächst. Das Eigenthümlichste kommt oft gar nicht in die öffentliche Rede, während in den Privatbesprechungen die Kräfte sich unge zwungen, frisch und individuell ergehen. — Bei der Ver handlung über die neue Abgrenzung der Ephoral- bezirke blieb die Majorität bei dem Beschlüsse, daß vier überaus weit gedehnte Ephorieen anders abgegrenzt würden oder sonst eine Hülfe erführen, in Anbetracht de« tiefgehenden Einflusses, den der EphoruS, als erster Geistlicher seines Sprengel«, in vielen innerlichen Beziehungen, sonderlich auch auf die Diöcesan-Geistlichen, auszuüben hat, eine äußer ¬ lich nicht meßbare Arbeit, mit der er den Einzelnen nahe zu kommen hat. — Bei dem Erlaß des Kirchenregiments, die Regelung der finanziellen Lage der Geistlichen betreffend, ward von den meisten Sprechern die Unthunlich- keit hervorgehoben, der Einzelgemeinde neue 'Lasten aufzu bürden, während die Einen auf einen zu bildenden allge meinen Kirchenfonds, Andere auf die Hülfe au« Staats mitteln hinwiesen. Auch schwankt die Entscheidung noch darüber, ob da« Dienstalter oder das Lebensalter de« Geist lichen die AlterSzulage bedingen, auch in welcher Stufenfolge dieselbe erfolgen solle; auch ob bi« zu einem gewissen Lebens und Dienstalter des Geistlichen die Erreichung einer gewissen Höhe de« Einkommen« versagt bleiben, oder ob nicht — ohne alle Schranke — die Möglichkeit gelassen werden dürfe, für die jedesmalige Stelle den tüchtigsten Mann zu wählen — unangesehen Dienstalter, Lebensalter und Gehaltshöhe. — Bereit« haben gewisse Schärfen in der Stimmung sich kund gegeben, auch in Kreisen de« Kirchenregimentes. Schon sind Andeutungen gefallen, die auf eine eventuelle Auflösung der Synode Hinweisen, weil Conflicte der Meinungen und Auf regung gefürchtet wird. Aber die Synode macht diese Conflicte nicht; sie findet sie vor, sie muß Stellung zu den selben nehmen. Es wird ein männliches, ernste«, christliche« Vorgehen — und mit Recht — von ihr erwartet. Man muß ihr auch ihr selbständige« Urtheil lassen. Trauen sich die wohl hundert Petitionen, die sich auf Kirchen- und Lehrord nung beziehen, Urtheil und Verständniß zu, so ist die Synode berufen, ein gewichtiges und maßgebendes Wort zu sprechen, ein wohl erwogenes, aber ohne nach der Liebe und dem Haß zu fragen, den sie dabei erntet und ohne Scheu vor der nachfolgenden Meinung öffentlicher Blätter. — Wa« aber dann für eine Synode käme, wenn diese besonnene unver richteter Sache auseinander ging, wie scharf und unverträg lich sich dann die Gegensätze zuspitzen würden, läßt sich noch gar nicht absehen. Todt schweigen läßt sich aber nicht, wa« einmal im Gewissen, in der Erwartung, im Munde der Kirchenglieder lebt. 65. Dresden. Der Bau der dritten Elbbrücke schreitet rasch vorwärts. Sämmtliche Landpfeiler sind bereits überwölbt; zu dem letzten Strompfciler wurde kürzlich dev letzte Caisson bis auf den Wasserspiegel niedergelassen, so daß auch dieser letzte Pfeiler in diesem Jahre noch aufgemauert und im nächsten Jahre die Ueberwölbung der Strompfeiler auSgeführt werden kann. Die Fertigstellung bi« 1877 ist also sicher. Deutsches Reich. Der deutsche Reichstag ist durch kaiserliche Verordnung auf den 30. Oktober einberufen worden. — Die süddeutschen Justizminister sind bereit« zu der nächsten Berathung des Justizausschusses des Bunde«- rathe« in Berlin eingetroffen. Die Abänderungsanträge zu den Beschlüssen der Reichöjustizkommission sind ziemlich belangreich. — Da« Gesetz über die Untersuchung von Seeun fällen, welche« dem Reichstage zugehen wird, umfaßt 30 Paragraphen und bezweckt die Einrichtung von Seeämtern an den deutschen Küsten. — Im Reichstage wird die Fixirung der Depeschen gebühren für die kleinere Zone auf 50 Pfg. für 15 Worte beantragt werden. Oesterreich-Ungarn. Kaiser Franz Joseph hat durch den Adjutanten de« Kaiser« Alexander ein zweites Hand schreiben des RuffenkaiserS erhalten, welche« ein völliges Ein vernehmen zwischen Rußland und Oesterreich her gestellt haben soll. Die Pforte soll angehalten werden, einen nur sechswöchentlichen Waffenstillstand abzuschließen; bei ihrer Weigerung soll den russischen Truppen die Besetzung der türkischen Grenzprovinzen übertragen werden. Frankreich. Während man hier bisher unverbrüchlich an dem Glauben festhielt, der Friede werde erhalten bleiben,