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— 766 — zwischen 9 und 26 Meter Teufe bei dem dort vorhandenen Kieß muthmaßlich in Folge eindringender Wässer stattgefunden. Unser den Verunglückten befinden sich 2 italienische Arbeiter, sowie 3 Familienväter, die zusammen 8 Kinder hinterlassen. Berlin. Der Reichstag hat über den ReichShauS- Halt-Etat berathen. Der Präsident des Reichskanzleramts, Delbrück leitete die Debatte mit einer übersichtlichen Dar stellung der ReichSfinanzlage ein und berichtet über die Ab zahlung der französischen Kriegsschuld, welche sich ohne die geringste Differenz abwickelte, ferner über die Verwendung der Contribution. Die ausgesetzten Summen wurden nirgends überschritten und die Antheile ausbezahlt. Präsident Delbrück vergleicht den diesjährigen mit dem Etat des nächsten Jahres und weist auf die Mehrausgaben im letzteren für alle ReichS- verwaltungSzweige, besonders für die Errichtung einer tech nischen und juristischen Abtheilung im Reichskanzleramte, für die Commission zur Berathung des CivilgesetzbucheS, für die Vermehrung der Consulate, für den durch die Erhöhung der Preise der Naturalverpflegung hervorgerufenen Mehrbedarf der Militärverwaltung und für die Neubildung der See artillerie. Die Deckung dieser Mehrausgaben werde durch verwehrte Einnahmen oder erhöhte Matricularumlagen erfolgen. Die Erfordernisse für die Marine und die Telegraphenver waltung seien durch Anleihen zu beschaffen. Nach längerer Debatte beschloß der Reichstag, den Militäretat, das Etats gesetz und das Capitel über Matricularbeiträge an die Budget commission zu verweisen. — Der Bundesrath hat in seiner Sitzung am Sonnabend unter Anderem die Einführung des Buchstaben als einheitliches Zeichen für die „Mark" im Verkehr der Reichs behörden beschlossen. Italien. Am 7. Novbr. sollte der Papst , eine Depu tation empfangen, aber beim Eintritt in die Halle wurde er von einer Ohnmacht befallen und mußte sichzurückziehen. Die Arzte erklären seine Unpäßlichkeit für unerheblich. Spanien. Eine wichtige Nachricht bringt der Telegraph aus diesem Lande: Don Carlos ist nach Frankreich übergetreten; er hat eS gewagt, die Grenze zu überschreiten und sich — wahrscheinlich nicht ohne militärischen Schutz — auf französischen Boden begeben, gerade als wäre er kein Rebell, sondern der rechtmäßige Befehlshaber einer anerkannten kriegführenden Macht. Frankreich mag nun beweisen, ob seine Vertragstreue ehrlich ist; denn die spanische Regierung ver langt energisch die Einschließung und Festnahme des Thron prätendenten. Man ist begierig, wie es sich au« der Klemme ziehen wird ; nehmen sie ihn in Frankreich fest, so hetzt man sich die ganze Klerisei und die Frommen auf den HalS; thut man es nicht, so macht sich Frankreich einer entschiedenen Ver letzung seiner völkerrechtlichen Pflicht schuldig und beschwört verhängnißvolle, vielleicht blutige Conflikte herauf. — Die französische Regierung läßt durch die „Agence HavaS" erklären, die von der spanischen Regierung verbreitete und zu Reklamationen verwendete Nachricht, daß Don Carlos am 7. November auf französische« Gebiet übergetreten sei und sich dorr längere Zeit aufgehalten habe, auf Grund von in Hendahe eingezogenen Erkundigungen, sei unwahr, trotz dem melden aber selbst carlistische Berichte, daß der Thron prätendent auf französischem Boden war, in Hendahe über nachtete und unbehelligt am andern Tage über Vera nach Spanien zurückkehrte. Der Deichbauer- Criminal - Novelle aus dem Volksleben von Friedrich Friedrich. (14. Fortsetzung.) Bald darauf kam der Wassermüller, der war sein ver trautester Freund geworden. Am Tage zuvor war er verreist gewesen und hatte erst am späten Abend, bei seiner Rückkehr, des DeichbauerS Geschick erfahren. Dieser erzählte ihm jetzt Alle«. „Und Du hast noch keine Anzeige beim Gerichte davon gemacht?" fragte der Müller. „Nein." „Und Du hast auch keinen Verdacht?" „Doch — doch," erwiderte der Deichbauer mit bitterem Lächeln, „ich Er wurde durch einen Knecht vom Waldhofe unterbrochen, der in das Zimmer trat. „WaS willst Du?" rief er, unwillig über die Störung, dem Eintreienden zu. „Herr! Der Franz ist schon seit zwei Nächten und gestern nicht heimgekcmmen," erwiderte der Knecht, „und Nie mand weiß, wo er ist." Der Deichbauer sprang auf. Eine Ahnung durchzuckte ihn. ,,Er ist fort?" rief er. „Niemand weiß, wo er ist/ wiederholte der Knecht. „Seit wann ist er fort?" „Seit vorgestern Abend/' gab der Knecht zur Antwort. „Da ist er in der Waldschenke gewesen, bis gegen Morgen, und daun ist er mit dem Waldhüter heimgegangen. Nach HauS ist er indeß nicht gekommen. — Man erzählt," fügte er hinzu — dann stockte derselbe. „WaS erzählt man?" fragte der Dcichbauer. „In der Waldschenke soll er mit dem Dörfel, des Spieles wegen, Streit gehabt haben — und man erzählt, er wisse vielleicht um den Unfall des Waldhüters und sei des- halb nicht heim gekommen!" Der Deichbauer schwieg. Zu viel drängte mit einem Male auf ihn ein. „Was macht der Waldhüter? Weißt Du es?" fragte er. Der Knecht erzählte, daß er noch immer ohne Bewußt sein daliege und stark fiebere. „Geh — geh!" befahl der Bauer und ging, als der Knecht das Zimmer verlassen hatte, auf und ab. Wenige Minuten darauf trat seine Frau ein, und der Müller schrak unwillkürlich vor ihr zurück, so sehr hatte ihr Gesicht in den wenigen Tagen sich verändert, in denen er sie nicht gesehen. Sie sah ihn ruhig und fest an. Diese Ruhe war indeß mehr eine starre, feste Gleichgültigkeit, ein Gefaßtsein selbst auf das Aeußerste. Der Deichbauer war nicht im Stande, seine Aufregung zurückzuhalten und zu verbergen. „Wo ist Franz?" fragte er kurz und barsch. „Ich weiß cS nicht," entgegnete sie ruhig. „Weißt Du auch nicht, daß er gestern und seit zwei Nächten nicht nach HauS gekommen ist, daß Niemand etwa» von ihm erfahren hat?" „Nein." „Das solltest Du nicht wissen? Bis gegen Morgen ist er vor zwei Nächten in der Waldschenke gewesen, mit dem Waldhüter ist er heimgekehrt. Der ist mit zerschlagenem Kopfe unter dem Stege gefunden, und von Franz hat Nie mand etwas wieder vernommen. Von dem Allen solltest Du nichts wissen?" „Nein." „Dein Aussehen straft Dich Lügen," fuhr der Deich bauer aufgebracht fort. „Und jetzt, wo Du dies Alles er fährst, wo Du hörst, daß Dein Sohn verschwunden ist, daß der schlimmste Verdacht auf ihm ruht, jetzt solltest Du so gelassen bleiben, nicht einmal erschrecken? Dein Herz hat ja immer so sehr an ihm gehangen! Mit einem Male sollte er Dir gleichgültig geworden sein?" Diese Worte schienen sie an der Stelle zu berühren, wo sie schon tief verletzt war. Mit Gewalt schienen sie eine Wunde aufzureißen, die sie verbergen wollte.