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17. Juli 1874. Werßerch-Ier1«ng. Freitag. " Nr. 53 W Amts-Atatt für die Herichts-Aernter und StadLräthe zu Dippoldiswalde und Ilmuenstein. Verantwortlicher Redartcur: Cart Irhne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zn beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis vierteljährlich 12 Ngr. 5 Pfg. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Ver breitung finden, werden mit I Ngr. für die Spalten-Zeile berechnet. Ein Attentat auf -en Fliesten Bismarck! So lautete die aufregende Nachricht, die zum Theil am Montag Abend durch Extrablätter, zum Theil am Dienstag durch die Zeitungen bekannt wurde. Zum Glück hat der Angreifer feine schurkische Absicht nicht erreicht: — Der Reichskanzler ist nur unerheblich an der rechten Hand verletzt worden! Der Mordversuch geschah in Kissingen am Montag Nachmittag r/»2 Uhr, in dem Momente, als Fürst Bis marck seine Wohnung in einer Equipage des Königs von Baiern verlassen wollte, um nach den Soolbädern zu fahren. Der Mörder wurde sofort erfaßt und nur mit Mühe der Wuth des Publikums entrissen. Er ist ein Böttchergeselle aus Neustadt bei Magdeburg, Namens Fr. Ed. Ludw. Kuhl mann (geb. 13. Juli 1853, also gerade 21 Jahr alt), und wurde er schon vorher mehrfach in verdächtigem Berkehre mit einem katholischen Priester gesehen, war auch mit diesem am Tage des Attentates schon von 11 Uhr BormiltagS an vor des Reichskanzlers Wohnung auf- und abgegangen. Der Pfaffe heißt Hauthaler, ist aus Walchsee bei Kufstein in Tyrol und ist bei dem Attentate derart vor die Pferde gelaufen, daß dadurch eine Verzögerung der Fahrt eintreten mußte, während welcher der Mörder seine Schandthat auSfvhren sollte. Der Pfaffe war mit dem gegen 2 Uhr abgegangenen Zuge nach Schweinfurt abgefahren, wurde aber, durch den Telegraphen verfolgt, dort festgenommen und in die Frohn- veste nach Kissingen zurückgebracht. Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß er der Urheber des Verbrechens ist. Bald nach dem Attentat fuhr Fürst Bismarck mit dem Grafen Pappenheim durch die Stadt, um sich der Bevölkerung zu zeigen, die ihn mit freudigen Jubelrufen begrüßte. Abends fand in der protestantischen Kirche ein Dankgottesdienst für die Rettung des Fürsten Bismarck statt. Gegen 9 Uhr begab sich derselbe mit seinem Sohne in den Curgarten, wo er ebenfalls von dem Badepublikum, den Einwohnern und der herbeigeströmten Landbevölkerung mit unaufhörlichen Hochs begrüßt wurde. Die Curkapelle spielte vaterländische Lieder; später wurde dem Reichskanzler von der Bürgerschaft und de» Curgästen unter Vorantritt der Liedertafel und der Bade kapelle ein Fackelzug von über 1000 Fackelträgern und eine Serenade dargebracht. Der Fürst Bismarck dankte vom Balkon seiner Wohnung für die ihm kund gegebene Sympathie mit folgenden Worten: „Meine Herren! Ich danke Ihnen für Ihre Theilnahme. Danken Sie mit mir Gott, dast seine Hand mich so sichtbar geschützt hat. Weiler ein Wort über die Sache zn reden, geziemt sich nicht mir, sic ist dem Ilrtheilc des Richters übergeben; das aber darf ich wohl sagen, daß der Schlag, der gegen mich gerichtet war, nicht meiner Person galt, sondern der Sache, der ich mein Leben geweiht habe — der Einheit, Unabhän gigkeit und Freiheit Deutschlands. Und wenn ich auch sür die große Sache hätte sterben müssen, was wäre es weiter gewesen, als was Tausenden unserer Landsleute geschehen ist, die vor 3 Jahren ihr Blut und Leben auf dem Schlachtfelde ließen. Das große Werk aber, Käs ich mit meinen schwachen Kräften habe mit beginnen Helsen, wird nicht durch solche Mittel zu Grunde gerichtet werden, wie das ist, wovor mich Golt gnädiglich bewahrt hat; es wird vollendet werden durch die Kraft des geeinten deutschen Volkes. In dieser Hoffnung bitte ich mit mir ein Hoch zu bringen aus das geeinte deutsche Volk und seine verbün deten Fürsten." Das enthusiastisch erregte Publikum erwiderte mit nicht enden wollenden Hochs auf den Fürsten Bismarck. Am Dienstag hat in der katholischen Pfarrkirche feier liches Hochamt, in der jüdischen Synagoge ein Dankgottes dienst stattgefunden. Das Allgemeinbefinden des Fürsten Bismarck ist, den neuesten Nachrichten zufolge, ein sehr befriedigendes; — die Wunde wird mit Eis behandelt, die Brunnenkur fortgesetzt. Ueber das Verhalten des Mörders bei dem Verhöre verlautet, daß derselbe unumwunden die Absicht des Mordes eingestanden und Aeußerungen gethan hat, welche noch mehr Personen der Mitwissenschaft verdächtigen. Durch weitere Erhebungen ist festgestellt, daß der Mörder Kuhlmann schon gegen Pfingsten 14 Tage lang in Berlin verweilt hat, um einen Mordanschlag gegen den Fürsten Bismarck auszuführen. So hat die Vorsehung abermals gewacht über Deusch« land und ihm den Mann erhalten, dessen Helle: Geist und starker Wille an der glorreichen Erhebung des deutschen Volkes zu dem hoben Range, den eS jetzt einnimmt, einen so hervor ragenden Antheil hat und dessen dasselbe so dringend bedarf. Fürst Bismarck ist, wie schon einmal vor 8 Jahren (am 7. Mai 1866 durch Carl Blind) einem verabscheuungswerthen Attentate entgangen, und der Himmel hat ihn seinem Vater lande und seiner Familie glücklich erhalten. Die That geschah gerade am vierten Jahrestage jenes denkwürdigen Ereignisses im EmS, das den Anfang zu dem welterschütternden Umschwung in der Stellung der europäischen Nationen zu einander bildete, der sich seitdem vollzogen hat. Seitdem hat Europa Ruhe und Frieden gehabt, und dies Bewußtsein fand jetzt besonderen Ausdruck in der Begegnung des deutschen Kaisers mit dem König von Baiern, dem ersten Bundesfürsten des Reiches, demselben, der in ächt nationalem Geiste den siegreichen König Wilhelm zur Annahme der Kaiserwürde aufforderte. —Da erhebt der Haß sein finsteres Haupt und brütet dem größten Sohne unseres Volkes Tod und Verderben! Wer sind die Feinde des Fürsten Bismarck? Nur eine Partei giebt es in Deutschland, die ihn von Grund der Seele haßt; sie ist eS — darüber kann kein Zweifel walten — aus deren Schooße der ruchlose Fanatiker hervorgegangen; sie ist es, deren gesetzverächterische Aufsässigkeit gegen Staat und Regierung die Köpfe verwirrt und dazu mitgewirkt hat, den nichtswürdigen Mordplan in einem wutherfüllten Herzen reif