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22. Juli 1873. Nr. 56. Dienstag. Weißerih-Zeitung. Ämts-Alatt für die Herichls-Aemter «nd StadtrWe m Dippoldiswatde «nd Krauenstein. Verantwortlicher Rcdactcur: Carl Sehne in Dippotdiswalde. Diese« Mall "Mein, wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehe,, durch alle Post-Anstalten und die Agentnren. M.-i« nieelel älirlicb 12 Nar. 5 Pfg. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Ver- Pre,s vierkeyayrnn, , Ngr. für die Spalten-Zeile berechnet. Taaesgefchichte. Dippoldiswalde, den 21. Juli. Gestern Nachmittag fand in der hiesigen Stadtkirche die Aufführung der ersten beiden Theile des Oratoriums „die Schöpfung von Joseph Haydn statt, ausgeführt von den Sängern und dem Musikchor unserer Stadt, unterstützt durch eine Anzahl aus« wärtiger Kräfte, unter Leitung des Herrn Cantor Hellriegel. Die Soloparlhieen halten Frl. Anna Tronicke, Herr Schul director Engelmann und Herr Lehrer Hellriegel aus Radeberg gütigst übernommen. Zwar sind diese beiden ersten Theile die einfacheren und leichteren des ganzen Werkes-, immerhin ist aber die Einübung derselben mit so geringen Kräften eine sehr schwierige Aufgabe, soll der Kunst nur einigermaßen damit gedient werden und die Zuhörer eine Ahnung von der Großartigkeit des Haydn'schen Werkes bekommen. Angesichts dieser Umstände kann man die Aufführung als eine recht hübsche bezeichnen, welche die Zuhörer gewiß befriedigt ver lassen haben, da ohnedies diese Musik zu dem Ansprechendsten und Anmulhigsten gehört, was wir auf diesem Felde besitzen. Möchte aber in Zukunft das Publikum die Opfer, welche Dirigent und Mitwirkende bei solchen Gelegenheiten bringen, durch einen viel zahlreicheren Besuch anerkennen und belohnen! — Bezüglich des, am gestrigen Sonntag Nachmittag in der Kirche zu Schmiedeberg abgehaltenen Gottesdienstes für innere Mission wird uns mitgetheilt, daß die Art und Weise des nach der Predigt gegebenen Referates, be sonders aber der, in der Kirche getriebene Bilderhandel (Stück für Stück 2 Ngr.) sehr viel Entrüstung hervorgerufen habe. (Lei den, vom Gustav-Adolf-Verein veranstalteten Jah- reöfesten, deren nächstes am bevorstehenden Sonntag, 27. Juli, in Johnsbach stattfinden wird, ist Aehnliches noch nicht geschehen.) Dresden. Die Ministerien des Innern und der Finanzen erlassen eine Verordnung, wodurch bei den Staats- und anderen öffentlichen Cassen die Annahme der öster reichischen Ein- und Zweiguldenstücke re. verboten wird. Lauflgk. (Militär-Skandal.) Hier haben in einem Restaurationszelte („zur Arche Noah" des Hrn. Tauscher) am Abend des 11. Juli die bedauerlichsten, durch Offiziere hervorgerufenen Excesse stattgefunden. Die Herren Ritt meister v. Schwanewede, Rittmeister Schulz, Leutnant Rein hard, Prem.-Leutn. Borsdorf und Avantageur Schweinitz verlangten von einer 20jährigen Sängerin Anna Bachmann, die zu einer in dem Zelte concertirenden Gesellschaft des Director Groß gehörte, daß sie „gemeine Lieder" singen solle- sie schlug es mit den Worten ab: So etwas kommt bei uns nicht vor! Darauf forderte ein Offizier dasselbe von der 14'/,jährigen Tochter des Directors, und sagte ihr noch gemeinere Worte; letztere ging, vor Schreck und Scham ver wirrt davon, den Eltern das Empörende zu klagen. Während nun ernstere Lieder gesungen wurden, sprach, sang und miaute man am Offizierstische, so daß der Komiker K. um Ruhe bitten mußte. Da beordert Rittmeister v. Schw. den Reiter Sproß zu sich, flüstert ihn etwas zu, und bald geht derselbe zu dem Komiker und verabreicht ihm eine, durch das ganze Zelt hörbare Ohrfeige. Man verlangte die Entfernung des Reiters; auch ein hinzugetretener Unteroffizier that es, ward aber vom Rittmeister bedeutet, sich zu entfernen und das Weitere andern Tags zu erwarten. Sproß mußte auf des Rittmeisters Rechnung trinken, alle andern, mit Nachtzeichen nicht versehenen Reiter mußten bleiben. Die Stimmung wurde sehr drohend. Da entsteht vor dem Platze eine Schlägerei, die sich bald bis in das Zelt ausdehnte. Schützen-Commandant Stadtrath Winkler ersuchte den Rittmeister, seinen Leuten Ruhe zu gebieten, erhielt aber zur Antwort, er habe nichts zu ersuchen. Der Tumult ward nun heftig, die Reiter drangen mit lautem Hurrah ein, warfen Tische und Stühle um, zer brachen Gläser rc. Da läßt Rittmeister v. Schw. die Reiter mitten durch die Bude Front machen, indem er noch ruft: „Das Publikum hat sofort das Local zu verlassen; ich werde drei Mal auffordern, und wer sich nicht fügt, wehe dem!" Hierauf floh Alles, Hilfe rufend, jammernd und schreiend, durch das Büffet in's Freie. Als das Zelt leer war, brachte Rittmeister v. Schw. ein Hoch aus auf Se. Maj. den König! Hierauf kommandirte er zum Abmarsch. Wie weiter mitgetheilt wird, hat Rittmeister v. Schw. andern Tags den Stadtrath Winkler demüthig um Schonung und Verzeihung gebeten, den Sängern Geld geben wollen und besonders gebeten, die Sache nicht in die Presse zu bringen. Trotzdem hat der edle Herr der Schwadron seine Zufriedenheit ausgesprochen und den Reiter Sproß wegen seiner guten Haltung belobt. — Das „Laustgker Wochenblatt" bemerkt, daß alles Erzählte auf genauester Wahrheit beruhe, manche Pöbelhaftigkeit unberührt gelassen sei, und daß unter den „gemeinen Worten" des adeligen Offiziers, die aller gemeinsten, schamlosen Zoten zu verstehen seien, die wir unfern Lesern nicht wiedergeben können. Eine Sühne für den Skandal kann nur durch Ausstoßung des Mannes aus dem Militär verband gefunden werden. Berlin. Nach Veröffentlichung des Münzgesetzes, die nunmehr erfolgt ist, wird die Einziehung der Silber münzen nicht mehr lange auf sich warten lassen. An die Leistungsfähigkeit der Münzstätten werden jedoch große Forderungen gestellt werden müssen, da es sich, soweit man es übersehen kann, um die Ausprägung von etwa 4000 Millionen Stück neuer Gold-, Silber-, Kupfer- und Nickel-