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Freitag. Wr. 27. 4. April 1873. Amts-Matt M die Gerichts Aemter imd StMrüthr ZU DlppoNswakde und Araumstein. Verantwortlicher Redattcur: Carl Ichne in Dippot-iswAt-e. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis vierteljährlich 12 Skgr. 5 Psg. Inserate, welche bei der bedeutenden Auslage des Blattes eine sehr wirksame Ver breitung finden, werden mit l Ngr. für die Spalten - Zeile berechnet. Monats - Bericht. DaS wichtigste pylitische Ereigniß des Monats war die am 15. März erfolgte Unterzeichnung des mit Frankreich abgeschlossenen Räumungsvertrages. Darnach wollen die Franzosen bis 5. Sepjbr. die letzte Milliarde abzahlen und die deutschen Besatzungtruppen werden dann das. fran zösische Gebiet räumen. Man kann nicht umhin,'die außer ordentliche finanzielle Leistungsfähigkeit Frankreichs zu be wundern, welches in dem kurzen Zeiträume von 2*/r Jahren die kolossale Summe von 1333'/s Millionen Thalern zu be schaffen im Stande gewesen ist. Was nun die Folgen dieses, in Frankreich zunächst mit großer Freude ausgenommenen Vertrags sein werden, entzieht sich jeder Berechnung. Zu nächst wird die gegenwärtig tagende Nationalversammlung sich auflösen, und der Ausfall der Wahlen wird von nm sö größerer Bedeutung für die Geschicke des Landes sein, als die neugewählte Versammlung über die definitiv? Regierungs form Beschluß zu fassen haben wird. Begreiflicherweise werden daher die Republikaner und Monarchisten die größte Anstrengung machen, bei den Neuwahlen die Majorität zu erlangen. Mögen nun die Würfel fallen, wie sie wollen, immerhin ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß der neue Präsident oder der neue König von Frankreich zur Be festigung seiner Stellung die Kriegsfahne in die Hand nimmt. Freilich wird dies nicht so bald möglich sein; denn zunächst muß die Armee wieder organisirt werden, und dazu gehören verschiedene Jahre; sodann wird man sich, wenn man nicht wieder in den Fehler Napoleon's fallen will, Verbündete suchen müssen. Solche werden unter den europäischen Mächten nicht zu finden sein, und man wird schließlich zu den, bem deutschen Reiche feindlichen Elementen, den Ultramontanen und Socialdemqkraten, seine Zuflucht nchfnen. Die junge spanische Republik hat noch zu keiner Befestigung ihrer Verfaffungsverhältnisse und eben deßhalb auch noch, nicht zum Anerkenntnisse Seiten der Großmächte kommen können. Inzwischen greift die Anarchie um sich, und Meutereien unter dem Militär werden häufiger; der carlistische Aufstand gewinnt an Umfang und Ausdehnung. Offenbar fehlt es an einem energischen bedeutenden Kopfe, welcher im Stande wäre, die Mässe mit sich foxtzureißen und Ordnung in das ChaoS zu bringen. Pie Aussichten für die nächste Zukunft des Landes sind daher entschieden trübe. In der Schweiz hat der BundeSrath sehr entschiedene Schritte gegen die staatsfeindliche ultramontane Geist lichkeit gethan ; bereits sind mehrere renitente Geistliche ver haftet und bez. in Geldstrafen genommen oder ihres Amtes verlustig erklärt worden. Obwohl zur Durchführung der Regierungsmaßregel» für alle Fälle Truppen aufgestellt worden sind, so ist es doch bis jetzt nirgends zu einem ge- waltthätigen Widerstande gekommen. Die Masse des Volks scheint an dem kirchenpolitischen Streite deS Staates mit der katholischen Geistlichkeit keinen Antheil nehmen zu wollen. Seit dem 12. März tagt unser Reichstag in Berlin. Die wichtigste Vorlage von allgemeinerem Interesse ist daS neue Münzgesetz, dessen Berathung in den letzten Tagen be gonnen hat. Der Zeitpunkt, wo das Gesetz in Kraft treten wird, soll erst später, wenn die Ausprägung der Scheide münzen erfolgt ist, bekannt gemacht werden. ES dürfte daher wohl noch Jahresfrist und mehr vergehen, ehe die neue Münze in Umlauf kommen wird. —r. Tagsssjgefchichte. Frauenstein, den 2. April. Die gestrige Sitzung de« hiesigen Gewerbevereins war wiederum sehr zahlreich besucht. Zunächst hielt Hr. vr. Röber einen sehr treffliches mit allgemeinem Beifall aufgenommenen Vortrag üher da« Versicherungswesen, namentlich über Lebensversicherungen, worauf uns Hr. Tischlermstr. Dittrich mit einem, durch ver schiedene Proben und Experimente erläuterten Vortrag über Gold und Vergoldung erfreute, dem alle Anwesenden mit größtem Interesse folgten und wofür auch ihm der wärmste Dank gezollt wurde. — Beschlossen wurde, die nepeste Serie der „allgemein faßlichen, wissenschaftlichen Vortrage" von Virchow und von Heltzendorf für den Verein anzukaufen. Auch machte der Vorsitzende, Hr. 0. Haupt, auf eine treffliche Schrift de« Director Engelmann in Dippoldiswalde, „Her die Wahl des Berufes," aufmerksam. Dresden. Der katholische Hofprediger Pothoff fährt mit seinen öffentlichen Vorträgen fort; er hielt älst j. Aprjs wieder einen solchen, dessen Thema die Lehre von dem „un fehlbaren Lehramte des Papstes" war. „Der Papst ist yp- fehlbar," sagt Pothoff; „er kann nicht irren beziehendlich der Lehren der katholischen Kirche, wohl aber sündigen, Änn er ist auch ein Mensche Der heil. Geist ist sein Beistand und bewahrt ihn vor Jrrthum. Die Lehre von der Unfehlbarkeit ist so alt wie die katholische Kirchs." — Eine Folge dieser Vorträge ist, daß in der freireligiösen Gemeinde Hr. M Petty einen Vortrag über die Pothoff'schen Verträge hielt- vom Standpunkt der Vernunft und Sittlichkeit aus — Aus mehreren Anzeichen geht übrigens hervor, daß die Pochoff'sche Clique (und die Jesuiten?) bei uns in Dresden doch noch einen gehörigen „Stein im Brete" hat. Leipzig. In Sachen des Buchdruckerstrike ist zu berichten, daß die Verhandlungen zwischen dem Vereine dK Prinzipale lind dem Verbände der Gehülfen vor der Hand als gescheitert zu betrachten sind. Darauf bezügliche An-