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Dimstag. Rr A>. 11. März 1873. Wcißerih-Leitung. Amts-ILkatt fiir die Kerichts-Aemter und SLadträthe zu Dippoldiswalde und Krauenstein. Verantwortlicher Re-arteur: Lari Jehne in Dippoldiswalde. Dieses Blalt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis Vierteljährlich 18 Ngr. 5 Pfg. Inserate, welche bei der bedeutenden Auslage des Blattes eine sehr wirksame Ver breitung finden, werden mit l Ngr. fiir die Spalten - Zeile berechnet. Lagesgeschichte. Dresden. Die 1. Kammer hat am Freitag über die Eisenbahnprojecte berathen. Mit ganz wenig Ausnahmen beantragte die Deputation den Beitritt zu den, von der 2. Kammer gefaßten Beschlüssen, und die Kammer trat den Anträgen bei. — Die 2. Kammer überwies die zahlreichen Eingaben gegen die Verkündung des Schulgesetzes an die Regierung zur Kenntnißnahme, mit 36 gegen 32 Stimmen. Minister v. Friesen verhieß die sorgfältigste Erwägung der Sache vor der Unterbreitung des Schulgesetzes an den König. Aus seiner Rede ging übrigens ziemlich deutlich hervor, daß das Gesetz publicirt werden wird. Die Schlußsitzungen hielten beide Kammern am Sonnabend. Die 1. Kammer ging nach einem Rückblick auf die umfassende Thätigkeit des abgeschlossenen Landtages, durch Präsident v. Zehmen, unter dreimaligem Hoch auf den König auseinander. In der 2. Kammer trug Präsident Schaffrath eine Uebersicht über die Thätigkeit der 2. Kammer vor, welche 142 öffentliche und 6 geheime Sitzungen abhielt. Die Registrande hatte 1863 Nummern und enthielt 102 königl. Decrete, 40 Anträge von Abgeordneten, 1023 Petitionen und Beschwerden, 14 Interpellationen, 240 ProtocollauSzüge der 1. Kammer, 282 Berichte der Deputationen rc. In der 2. Kammer wurde dann dieser, seit Gründung der Verfassung zu den wichtigsten und arbeitsvollsten gehörende Landtag durch Präsident Schaffrath mit einem dreimaligen Hoch auf König, Verfassung und Vaterland geschlossen. — Dresden, 7. März. Wenn man das heutige politische Bemühen der Regierungen im deutschen Reiche, von der Reichsregierung ab bis zu der des kleinsten Kleinstaates (die Ausnahmen Mecklenburg, Lippe rc. zugelassen) betrachtet, so muß man gestehen, daß sich selten in so einsichtsvoller Weise der stetige Fortschritt geltend gemacht hat. Freilich stürmischem Verlangen kann er nicht und wird er nicht genügen, und so kommt eS, daß auch bei uns in Sachsen mit der Beendigung des Landtages gar vielen Wünschen keine Erfüllung geworden ist. Es sind aber wahre, überzeugungstreue Worte, welche Hr. Staatsminister Freih. v. Friesen heute gesprochen, als er in Sachen des Volksschulgesetzes sich auf das redliche Bemühen des Staatsministeriums, für da« anerkannt Gute im Staatsleben zu wirken, berief. — Das bedeutendste und dabei doch wenig beachtete Beispiel ehrlichen Willens, selbst begangene Regierungsfehler wieder gut zu machen, bekundete in diesen Tagen ohne Zweifel Kaiser und König Wilhelm und seine preußische Regierung mit der Veröffentlichung des Erlasses über die künftige Concessionirung von Eisenbahnen Seiten des Gesammtministeriums. Eine solche war schon in einem Gesetze vom Jahre 1838 vorgesehen, dieselbe aber, wie der Erlaß hervorhebt, außer Uebung gekommen. Darin liegt ein merkwürdiges, offenes Geständniß eines begangenen Fehlers. In früheren Zeiten hätte jede Regierung es für gemeingefährlich gehalten, ihre Jrrthümer einzugestehen; sie verdeckte "sie, so gut sie konnte. Die Geradheit und die zeit gemäße Einsicht der preußischen Regierung läßt solches nicht mehr zu, und so wie ste denken heute die meisten deutschen Regierungen. Chemnitz. Die hiesigen Färbergesellen und Färbereiarbeiter verlangen eine Lohnserhöhung von 25 pro Cent und Verminderung der Arbeitszeit. Berlin. Im Reichstage wird wieder ein Antrag auf Gewährung von Diäten an die Mitglieder gestellt werden. — Im Abgeordnetenhause ist der von 40 Mitgliedern eingebrachle Antrag: die von Kalendern, Zeitungen, Zeit schriften und Anzeigeblättern bisher erhobene Stempelsteuer vom 1. Juli an aufzuheben, in erster und zweiter Lesung mit 202 gegen 123 Stimmen angenommen worden. Die dritte Lesung in nächster Woche. — Der Strike der Droschkenkutscher hat mit einem Siege der Polizeibehörde seinen Abschluß gefunden. Die Droschkenbesiher haben sich entschlossen, den Anordnungen der Behörde zu folgen, und wird nun auch das neue Reglement in allen Punkten zur Ausführung gelangen. — Eine Versammlung von Schneidergesellen hat beschlossen, bei Confectionsarbeiten eine Lohnserhöhung von 33'/s pro Cent, sowie 10 Stunden Arbeitszeit zu fordern. Fall« dies nicht bewilligt wird, soll die Arbeit sofort einge stellt werden. Würtemberg. Die verwittwete Königin von Würtem- berg ist längere Zett schon krank und scheint sich nicht wieder erholen zu wollen. Sie ist bereits ohne Bewußtsein und die Kräfte nehmen ab. Spanien. Die Berichte aus Madrid eröffnen schlechte Aussichten für das weitere Bestehen der jungen Republik. Die Einwohner organisiren sich stadtviertelweise für die gegen seitige Vertheidigung von Hab und Gut, was von wenig Vertrauen für die Handhabung der Ordnung durch die Regierung und zur Armee zeugt. Die Insubordination der letzteren hat die äußersten Grenzen erreicht; die Soldaten wollen sich ihre Vorgesetzten selbst wählen und nur nach ihrer eigenen Ansicht gehorchen; die Infanteristen verkaufen ihre Gewehre, die Reiter ihre Pferde. In Katalonien mußten die Generale und Offiziere vor ihren Untergebenen flüchten; in Barcelona wurde das Commando einem „Bürger" übergeben, und von der Stadt verlangten die Karlisten 8 Millionen Realen als Steuervorschuß, der „im Namen Karl'S des VII/ eingetrieben wurde. Die Folge derartiger Zustände wird die rothe kommunistische Republik sein.