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Freitag. Nr. 13. 14. Februar 1873. WePerih-Aeitung. Amts-Matt für die Herichts-AernLer und Stadträthe zu Dippoldiswalde und Imuenüein. Verantwortlicher Redacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis vierteljährlich 12 Ngr. 5 Pfg. Inserate, welche bei der bedeutenden Auslage des Blattes eine sehr wirksame Ver breitung finden, werden mit 1 Ngr. für die Spalten - Zeile berechnet. Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, den 13. Februar. In unseren Re staurationen kann man jetzt häufig wahrnehmen, wie von einigen, sich besonders dafür interessirenden Rauchern die eigenen Cigarrenabschnitte (d. h. nur die Spitzen) eifrig gesammelt und von Anderen erbeten werden. Manchem mag diese Sammlung lächerlich oder nutzlos erscheinen, denn ge wiß nur Wenige ahnen, was durch einmüthiges Zusammen wirken in dieser neuen Art menschenfreundlicher Thätigkeit schon erreicht worden ist, wenn auch noch nicht bei uns. Denn zu allgemeinen Wohlthätigkeitszwecken, nicht zu eigenem Nutzen, geschieht diese mehrerwähnte Sammlung. Um unfern Lesern einen Begriff von den bereits, und zwar in Berlin, erreichten Resultaten zu geben, theilen wir ihnen mit, daß die im Jahre 1872 dort gesammelten Abschnitte sich auf das ganz enorme Gewicht von 8 Centnern beliefen. Bedenkt man, wie müh sam es ist, auch nur ein 1 Pfund davon zusammenzubringen, da zu einem solchen ungefähr 6000 Abschnitte gehören, so ist dies Resultat gewiß ein bewunderungswürdiges. Sehr ver dient um diesen Erfolg machten sich Berliner Frauen und junge Mädchen, die in ihren Familien- und Bekannten kreisen jeden Raucher zum Sammeln zu bestimmen wußten, ja, von lässigen Sammlern und Nichtsammlern Strafgelder einzogen, die sie, wie auch die gesammelten Abschnitte, dem Fonds zur Versorgung armer Waisenkinder Übergaben. Wie weit sich übrigens dieses Sammeln verbreitet hat, beweisen große Sendungen, die nicht nur aus vielen Städten Deutsch lands, einschließlich Elsaß und Lothringen, sondern auch von fern her, z. B. aus Rio de Janeiro, eingehen. Dadurch ist es möglich geworden, 30 armen Waisenkindern zu Weihnachten eine sehr reiche Bescheerung von warmen Kleidern, Tüchern, Strümpfen und Hemden zu Theil werden zu lassen! Sollte bei uns nicht Äehnliches möglich sein? Sollten wir durch einmüthiges Sammeln nicht wenigstens einem armen Kinde künftige Weihnachten eine Bescheerung bereiten können? Also: frisch Hand an's Werk! Möchten namentlich Frauen und Mädchen hierin emsigen Bienen gleichen, die auch das kleinste Abschnittchen eintragen; sie werden sich über das Anwachsen ihres kleinen Schatzes selbst freuen. — Be merkt mag noch werden, daß die Abschnitte nur von frischen, noch nicht angerauchten Cigarren herrühren dürfen. Sie werden von Tabakshandlungen zur Anfertigung von Schnupf tabak gern gekauft. Dresden. Die 2. Kammer hat die Gesetzentwürfe über Organisation der Behörden und Bezirksvertre tungen, die neue Landgemeinde-Ordnung und das Gesetz, betr. das Verfahren in Verwaltungssachen, in der von der gemeinsamen Deputation der 1. und 2. Kammer vereinbarten Fassung angenommen, so daß diese Gesetze nunmehr perfect sind. — Wegen dek Ablebens der Kaiserin-Wittwe Karolina von Oesterreich hat unser Hof auf 6 Wochen (bis 24. März) Trauer angelegt. — Die Pferdeeisenbahn hatte wegen starken Schnee falls ihrs Fahrten einstellen müssen; die Thiere vermochten die Wagen in den mit festem Schnee angefüllten Gleisen nicht mehr fortzubewegen. Alle Anerkennung verdienen die Bemühungen der Direction, die Hindernisse zu beseitigen, so daß nach nur zweitägiger Pause die Fahrten am Mittwoch wieder beginnen konnten. Berlin. Im preußischen Abgeordnetenhause waren bei Gelegenheit der Eisenbahndebatten von dem Abgeordneten Lasker gegen den, früher beim Fürsten Bismarck, jetzt im Bureau des Ministerpräsidenten Grafen v. Roon arbeitenden Regierungsrath Wagner, sowie gegen den Fürsten Putbus und den Prinzen Biron, schwere Anschuldigungen gemacht worden, daß sie einen förmlichen Handel mit Eisenbahn- Concessionen getrieben hatten! In einem Schreiben des Kriegsministers an das Abgeordnetenhaus ward namentlich Wagner amtlich in Schutz genommen und Lasker aufgefordert zum Widerruf seiner Verläumdungen. Dieser aber führte in dritthalbstündiger, von Zeichen der Bewegung und des Beifalls oft unterbrochener Rede den Beweis der Wahrheit seiner Behauptungen, die er durch öffentliche Urkunden und Zeugenaussagen belegte. Es war diese Rede ein epochemachen des Ereignitz, eine preiswürdige und von allen wahren Freunden einer gesunden Staaten- und Gesellschaftsmoral nicht hoch genug zu schätzende That. Mit kühner und sicherer Hand hat Lasker den Schwindel aufgedeckt, der das Verkehrswesen, das «Staats- und Gesellschaftsleben zu vernichten drohte; er packte ihn dort an, wo er am gefährlichsten ist, wo aber auch der Angriff um so schwieriger war; er zeigte, wie der Schwindel bis hoch hinauf in Beamtenkreisen seine Mitschuldigen habe, auf welche seine erbrachten Beweise mit vernichtender Wucht nieder fielen. Es ist unmöglich, daß Hr. Wagner in seiner Stellung bleibt; der Handelsminister Jtzenplitz, dem nachgewiesen ward, daß er diesen Schwindel habe geschehen lassen, statt ihn zu ver hindern, hat bereits seine Entlassung eingereicht. Das Abge ordnetenhaus nahm den LaSker'schen Antrag auf Einleitung einer Untersuchung in Betreff der Eisenbahnconcessionen einstimmig an. Oesterreich. In Wien starb am 9. Febr. die Kaiserin- Wittwe Karolina Augusta. Sie war eine Tochter des Königs Maximilian I. von Baiern aus dessen erster Ehe, Stiefschwester der Königinnen Amalie und Marie von Sachsen, vermählte sich (in 2. Ehe) 1816 mit dein Kaiser Franz 1 von Oesterreich und war Wittwe seit 1835. Sie war am