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Freitag. Nr. 94. 29. November 1872. Weißerih-Ieitmrg. Amts-Matt für die cherichts-Aemter und Stadträthe zu Dippoldiswalde und Kmuenstein. Verantwortlicher Nedarteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis vierteljährlich 12 Ngr. 3 Pfg. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Ver breitung finden, werden mit 1 Ngr. für die Spalten - Zeile berechnet. Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, den 28. Novbr. Wie unsere Leser aus dem zu Gunsten unserer Nachbarstadt Glashütte erlassenen Aufrufe ersehen, hofft man auf reichliche Gaben zur Unterstützung der durch den Brand hart geschädigten, den ärmeren Ständen angehörigen Familien. Wir sind zwar der Meinung, daß dieser Zweck durch eine Haussammlung besser erreicht werden würde, als durch die Aufforderung zur Abgabe von Unterstützungsbeiträgen; da nun aber einmal dieser Modus beliebt worden ist, so wollen wir nicht unter lassen, auch hierdurch unsere Mitbürger zu recht reichlichen Spenden aufzufordern. Der Winter ist vor der Thür, und ohne schleunige Hilfe muß der Zustand der Brandcala- mitosen ein viel traurigerer werden in einer Jahreszeit, die warme Kleider, Stuben und eine reichlichere Ernährung ver langt, als der mildere Sommer. Gewiß ist es Christenpflicht, uns, soweit wir es irgend vermögen, unserer bedrängten Nachbargemeinde anzunehmen! (Auch ist unsere Expedition zur Annahme und Weiterbeförderung milder Gaben gern bereit.) — Nachdem nun endlich das Bassin auf dem Ober- thorplatze fertig geworden ist, wäre es wohl, und zwar vor dem Einwintern, Zeit, auch auf dem Platze selbst einige Ord nung herzustellen, zunächst durch Wegräumen der alten Wasser bütte, der Plumoe und des steinernen, längst antiquirten Meilenzeigers. Daß etwas Weiteres gethan werde, wagen wir, der vorgeschrittenen Jahreszeit wegen, freilich nicht mehr zu hoffen. Eins aber möchten wir an dieser Stelle doch noch fragen. Wie lange bleibt wohl der aus Lehm und Bretern zusammengeklebte „interimistische" Pferdestall am Gasthof zum „Hirsch" stehen? Wenn die Presse nichts sagt, erklärt sich dieser Prachtbau, der der Nachbarschaft doch die Feuergefähr lichkeit früherer Tage recht lebhaft im Gedächtniß erhält, in Permanenz. „Denn es geht ja so auch!" — Am gestrigen Abend (Mittwoch) ist bei uns ein Sternschnuppenfall beobachtet worden, wie ihn so reich noch Niemand gesehen. Namentlich der östliche Sternhimmel war fast ununterbrochen wie mit Raketen besäet. — Auf derartige Naturerscheinungen (Sternschnuppenfälle sind im Monat November stets zu beobachten) macht der sogenannte „Barometriuch" der „Dresdner Nachrichten" das Publikum nicht aufmerksam, — und das sollte er doch, wenn er zur Aufklärung des Volkes beitragen will I Auch hat er (natür lich!) den neulichen, so verheerenden Ostseesturm der Welt vorher nicht verkündigt! Freilich seine fast nie, oder nur zufällig dann und wann einmal eintreffenden „Wetterprophe- zeihungen," auf die leider Viele Etwas geben, sind leichter hinzustellen, — und sie bringen ja dasselbe Geld ein, wie andere, zur Belehrung des Volkes dienende Mittheilungen! Von der sächs.-b-hmischen Grenze. Die von der Regierung so energisch ergriffenen Maßregeln gegen die Rinderpest begegnen, als durchaus nothwenvig und zweck entsprechend, im Publikum anerkennender Zustimmung. Der militärische Grenz-Cordon, der sich von Oberwiesenthal bis Gottleuba erstreckt und somit die Amtshauptmannschaften Annaberg und Freiberg ganz, die von Pirna zum Theil um faßt, ist nunmehr gebildet. Der kleine Grenzverkehr hat so gut wie ganz aufgehört; die dabei unvermeidlichen Störungen nimmt man als unvermeidlich und durch den wichtigen Zweck gerechtfertigt hin. Wer zu Fuß oder Wagen die Grenze passiren will, wird an bestimmte DeSinfectionSorte gebracht, wo er sich einer gründlichen Räucherung unterwerfen muß, wozu besondere Stuben eingerichtet sind, in welchen die Reisen den in Sackleinwand-Mäntel gesteckt werden, damit die Räucher dämpfe, die man unter diesen entwickelt, alle Kleider durch dringen. Man vermißt nur noch, daß die Posten und Eisen bahnen von diesen Maßregeln befreit sind, und doch ist das Gift ein so furchtbares, daß es durch jede, aus der inficirten Gegend kommende Person möglicherweise eingeschleppt werden kann. Die reichsvorschriftsmäßigen Revisionen des ViehstaU- des an der Grenze, um jede etwaige Einführung fremden Viehes genau zu controliren, sind regelmäßig im Gange. Waldheim. Hier haben kürzlich — hervorgerufen durch Streitigkeiten auf Tanzsälen — mehrere Excesse zwischen Militär und Civilisten stattgefunden, bei welchen erstere von ihrem Seitengewehr Gebrauch machten. Vor der Fritzsche'schen Cigarrenfabrik verübten sie argen Unfug, und der Besitzer, der in aller Gme zu ihnen sprach, ward gemißhandelt, sowie die zu Hülfe gekommene Polizeiwache. Die ganze Stadt war in Aufruhr, und eö gelang endlich einer Militärpatrouille, die Ordnung herzustellen und die Rädelsführer zu arretiren. Die Untersuchung über die Vorgänge ist im Gange. Zwickau. Der „Verein zur Verbreitung guter und wohlfeiler Volksschriften," der über 30 Jahre bestand, muß wegen geringer Betheiligung — 1870—71 gingen 1000, 1872 gegen 600 Mitglieder ab seine Thätigkeit einstellen und sich auflösen. Das noch circa 10,000 Thlr. betragende Vermögen des Vereins wird zu einer Stiftung benutzt werden. Berlin. Die Erkrankung des Kronprinzen in Karls ruhe scheint bedenklicher gewesen zu sein, als anfangs zuge geben wurde ; doch schreitet die Genesung allmählig und gleichmäßig fort. — Der Minister des Innern hat dem Kaiser ausführlichen Bericht erstattet über das Unglück an den Küstenlanden durch die Sturmfluth am 13. Novbr. Es ist ein Strecke von 80 Meilen Länge, die heimgesucht wurde; an 100 Menschenleben sind der Fluth zum Opfer gefallen. Wie groß der Gesammtverlust an beweglicher und unbeweglicher Habe, ist noch nicht festgestellt, wird aber nach vielen Millionen zählen.