Volltext Seite (XML)
enstag. Rr. 91. 19. November 1872. Weißerih-Ieitung. Amts-Matt für die Herichts-Aemter und Stadträtye zu Dippoldiswalde und Krauenftein. Verantwortlicher Redacteur: Carl Zehne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erschein« wöchentlich zwei Mal: Dienstags nnd Freitags. Zn beziehen dnrch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis vierteljährlich 12 Ngr. 5 Pfg. Inserate, welche bei der bedeutenden Auslage des Blattes eine sehr wirksame Ver breitung finden, werden mit l Ngr. für die Spalten-Zeile berechnet. Betrachtungen eines weltlichen Kirchenvorstandes über die Diöcesan-Versammlungen in hiesiger Ephorie. „Zur Kräftigung der Wirksamkeit der Kirchen-Vorstände und zur Belebung des' Interesses derselben an den kirchlichen Angelegen heiten, versammeln sich in jeder Ephorie alljährlich einmal die Mit glieder der Kirchen-Vorstände (geistliche und weltliche, sowie Patrone) zu einer gemeinsamen Besprechung." .... „Der Ephorus berust und leitet die Versammlung und hat in derselben darauf hinzuwirken, daß über die ganze Thätigkeit der Kirchen-Vorstände, deren Aufgaben und die rechte Art ihrer Aus führung, über die kirchlichen Verhältnisse der Ephorie und über be sonders wichtige kirchliche Angelegenheiten ein freier Austausch der Meinungen stattfinde." .... Dieser Wortlaut des § 31 der Kirchenvorstands- und Synodal-Ordnung spricht mit anerkennenswerther Deutlichkeit die Absichten des Gesetzgebers aus. Noch deutlicher treten dieselben aber in den Motiven zu Tage, mit welchen vr. Feller diese Paragraphen begleitet. Wirft man nun von diesem, durch das Gesetz gegebenen Standpunkt einen prüfenden Blick auf die 3 Diöcesan-Ver sammlungen, die bisher stattfanden, so wird man eben nicht Ursache haben, mit dem Verlaufe derselben besonders zufrieden zu sein. Bon freiem Austausch der Meinungen zwischen geistlichen und weltlichen Mitgliedern war schon in den beiden früheren Versammlungen nur eine schwache Spur; in der letzten ist auch diese vollständig erloschen. Diese Erscheinung ist gewiß dazu angethan, Jeden, der cs mit der gedeihlichen Fortentwickelung unserer kirchlichen Einrichtungen wohl meint, zu ernstem Nachdenken aufzufordern: welche Ursachen diesen unerfreulichen Zustand herbeigeführt haben. Einsender Dieses, der zu seinem Bedauern an dem Be such der diesjährigen Versammlung behindert war, hält sich für verpflichtet, seine Ansichten über diese so wichtige Ange legenheit in den Spalten dieses Blattes niederzulegen und hofft, daß man mindestens seine Beweggründe dazu achten wird. Kann man seinem Urtheile nicht beistimmen, so wird durch den zu erhoffenden Austausch verschiedener Meinungen dann sicher das Rechte klar gelegt werden und an maßgebender Stelle unzweifelhaft Berücksichtigung finden. Die bisherigen Diöcesan-Versammlungen trugen, schon durch ihre Tagesordnung, einen vorwiegend belehrenden Charakter. Durch den Verlauf der Verhandlungen wurde dieser Umstand noch bedeutend verstärkt. Jede Tagesordnung war von vorn herein so reichlich bemessen, daß man nur bei strengster Kürze der Behandlung jedes einzelnen Punkte« der selben eine vollständige Erledigung hoffen durfte. Diesem reichlichen Maße von Arbeit wurde regelmäßig vor Beginn der Verhandlungen durch einige nachträgliche Punkte noch ein kleines Uebermaß hinzugefügt. Gewiß hat jeder in solchen Dingen Erfahrene sich von vorn herein gesagt, daß nur die Hälfte der Tagesordnung in genügender Weise behandelt werden konnte. ES war also jedesmal die Nothwendigkeit vorhanden, aus dem Material, welches die Tagesordnung bot, eine Aus wahl zu treffen. Wäre bei dieser Auswahl mit Rücksicht auf die, in oben angezogenem 8 31 festgestellten Zwecke und Ziele der Diöcesan-Versammlung verfahren worden, so hätten die, auf Belehrung abzielenden Vorträge in Wegfall kommen müssen. Wie unangenehm würde dies aber diejenigen Herren berührt haben, die sich der Mühe der Vorbereitung solcher Vor-träge unterzogen hatten! Welche undankbare Aufgabe müßte es für ein Mitglied der Versammlung sein, einen Antrag auf Kürzung der Tages ordnung in diesem Sinne zu stellen! Wie höchst ungern würden Biele auf den Genuß so gediegener Vorträge verzichtet haben, selbst wenn sie sich sagen mußten, daß durch dieselben der Hauptzweck der Versammlung wesentlich beeinträchtigt wurde! Auch die letzte Diöcesan-Versammlung bot dasselbe Schau spiel dar. Wenn es auch in der Absicht des Herrn Bor- sitzenden gelegen hat, einen Meinungsaustausch über die von ihm aufgestellten 17 Thesen über die Neugestaltung deS Ver hältnisses von Kirche und Staat hervorzurufen, so hätte doch ein solcher, wenn er in nur einigermaßen erschöpfender Weise geführt werden sollte, nebst dem Vortrage und der Begrün dung der Thesen sicher die ganze, für die Verhandlungen be stimmte Zeit in Anspruch genommen, und ist er jedenfalls auch deshalb unterblieben. War nun durch diese Umstände die Versammlung gewissermaßen genöthigt, die Thesen, gegen die sich in der Hauptsache doch nicht viel einwenden ließ, ohne Debatte anzunehmen, so ist es schwer, irgend einen Nutzen aufzufinden, der für die Thesen oder für die Versammlung und ihre Zwecke daraus hervorgehen konnte. Zudem dürften wohl die Thesen selbst für das Ver- ständniß der Mehrheit der Versammlung jedenfalls zu hoch gegriffen sein, und man kann beim Durchlesen derselben den Wunsch nicht unterdrücken, daß sie, statt in der Diöcesan- Versammlung der Ephorie Dippoldiswalde, in einer Versamm lung hätten verhandelt werden können, deren Zustimmung ihnen eine größere Tragweite verliehen hätte. Daß die diesmalige Tagesordnung ebenfalls nur zur Hälfte erledigt werden konnte, durfte eben nicht befremden. Dagegen war es in der That befremdend, daß in den Tagesordnungen der zwei letzten Diöcesan-Versammlungen „die in den bisherigen Diöcesan-Versammlungen unerledigt gebliebenen BerathungS-Gegenstände und Anträge auf Be schluß der Versammlung" den letzten Punkt bildeten, welcher also erfahrungsgemäß jedesmal wegzufallen hatte.