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Dienstag. Rr. 83. 22. October 1872. Weißerih-Feitung. Amts-Matt für die Kerichts-Aernter und Stadträthe zu Dippoldiswalde und Krauenstein. Verantwortlicher Redakteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis vierteljährl. 18'/- Rgr. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Verbreitung finden, werden mit l Ngr. für die Spalten-Zeile berechnet. Tagesgeschichte. Frauenstein, 17. Octbr. Bei heutiger Diöcesan- versammlung hier, welche vom Vorsitzenden mit einer An sprache über 1. Petri 5, 1—4 und mit einem Ueberblick über die Ergebnisse 17 anderer Diöcesanversammlungen er öffnet wurde, gelangten nach einem Vortrag über den Ent wurf zu einem neuen Schulgesetz, verglichen mit dem bewährten von 1835, und unter den Gesichtspunkten der Nützlichkeit und Ausführbarkeit, folgende Anträge zur Annahme: 1) der Religionsunterricht in unfern Volksschulen möge nicht ge schmälert werden. 2) Es möge den Kirchgemeinden Collecten- freiheit nach Entschließung ihrer Kirchenvorstände, außer den bestehenden Collecten, mit der Verpflichtung, über die Samm lung und deren Verwendung Rechenschaft abzulegen, gewährt und diese Collectenfreiheit sowohl auf eigene als auswärtige, kirchliche und wohlthätige Zwecke, ebenso auf Hauscollecten, letztere jedoch nur unter Zustimmung der betreffenden OrtS- gemeinderäthe, ausgedehnt werden. 3) Die Synode wolle bei dem hohen Kirchenregiment dahin wirken, daß als Tag der Einweisung der regelmäßig neu in den Kirchenvorstand eintretenden Mitglieder der erste Adventssonntag des betreffen den Jahres für das ganze Vaud gesetzlich festgestellt werde. 4) Es möge eine Diöcesanversammlung künftig nur ein Jahr um das andere stattfinden. 5) Es möge der Kirchenvorstand in das allgemeine Kirchengebet ausgenommen werden. 6) Zum Local der Kirchenvorstandssitzungen möge an Pfarrkirchorten in der Regel die Pfarrwohnung dienen. — Vor Eintritt in die Tagesordnung theilte der Vorsitzende eine Cultus-Ministe- rial-Verordnung vom 30. Sept, mit, betreffend die Feier des goldnen Ehejubiläums Sr. Maj. des Königs, und wird die selbe auch unter den Lehrern der Diöces circuliren lassen. Zum Schluß hielt der Vorsitzende Umfrage nach der Wirk samkeit sämmtlicher Kirchenvorstände der DiöceS in Gemäs- heit tz 18 der Kirchenvorstandsordnung, und tauschte man die in Betreff der 88 2 und 7 des Publikationsgesetzes zur K.-V.-O. vom 30. März 1868 gemachten Erfahrungen aus. Hiermit war die ausgegebene Tagesordnung in fünfstündiger Berathung, mit eingelegter halbstündiger Erholungspause, vollständig absolvirt. * Frauenstei», 20. Octbr. Das neulich schon ange deutete Concert des hiesigen Damen-Gesangvereines wird nun nächsten Sonntag im Gasthofe „zum goldenen Stern" bestimmt abgehalten werden und ein sehr reichhaltiges, viel Abwechslung bietendes Programm haben. Außer verschiede nen Chorgesängen, Duetten rc. kommt auch das herrliche Trio, L-äur, von Reißiger, nebst verschiedenen Piecen aus der Mozart'schen Oper: „Die Entführung aus dem Serail" mit zur Aufführung, worauf wir Freunde von Musik und Gesang im Voraus aufmerksam machen. Dresden. Wie schon aus der Zusammensetzung der Deputation nicht anders erwartet werden konnte, wird der Bericht derselben in der 1. sächs. Kammer über das neue Volksschulgesetz sehr ungünstig für die Anforderungen der freisinnigen, die Loslösung der Schule von der Kirche erstrebenden Partei ausfallen. Die Deputation ist in manchen wesentlichen Punkten noch hinter den Regierungsentwurf zu rückgegangen. — Was die Jubiläumsfeierlichkeiten anlangt, so wird eine allgemeine Illumination — die auch im November ihr Bedenkliches hat — nicht stattfinden, wohl aber vom 8. —10. Nov. eine solenne Gasbeleuchtung der öffentlichen Plätze und Hauptstraßen, wobei besonders Markt, Schloßstraße und Schloßplatz, auf welchem 2 Obelisken er richtet werden, hervortreten dürften. Desgleichen ist für den Abend des 12. Nov. ein aus 4000 Lampions bestehender großer Festzug projectirt. Die Details und die übrigen Fest lichkeiten entziehen sich noch der öffentlichen Besprechung. Berlin. Am 18. Octbr. traf der Kaiser, von Baden- Baden kommend, hier ein und begab sich sofort nach dem Sterbehause seines Bruders, des Prinzen Albrecht. Zur Beiwohnung der Trauerfeierlichkeiten waren mehrere deutsche Fürsten eingetroffen. Abends 9 Uhr erfolgten diese Feier lichkeiten, nach deren Schluß die Ueberführung der Leiche nach dem königlichen Schloß erfolgte. Die Beisetzung im Dome geschah am 19. October Vormittags, und in der folgenden Nacht die Ueberführung der Leiche nach dem Char lottenburger Mausoleum. Erfurt. Man geht jetzt ernstlich damit um, die hiesigen Befestigungen zu schleifen; mehrere Werke werden be reits abgetragen. Das Material wird nach Magdeburg und Koblenz gebracht. Baiern. Der König hat die Neuformation der bai rischen Artillerie, entsprechend derjenigen der preußischen, genehmigt. Straßburg. Die Option zeigt bereits vielfach ihre Kehrseite; viele Ausgewanderte schildern in Briefen an ihre zurückgebliebenen Angehörigen die Zustänve in Frankreich eben nicht in erfreulichem Lichte; die meisten hatten denn doch dem ausgesogenen Frankreich viel zu viel zugemuthet, wenn sie hofften, daß ihnen in ihrer Eigenschaft als optirende Elsaß-Lothringer die gebratenen Tauben in den offenen Mund fliegen würden. Die Zahl dieser Emigranten hat in den meisten großen Städten derart zugenommen, daß die Unter- stützungs-Komitäs in Paris neuerdings einen dringenden Auf ruf an die öffentliche Mildthätigkeit erlassen mußten, da die Fonds ihrer Hilfskasse auf der Neige sind.