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Freitag. Nr. 88. 16. December 1870. Erscheint Dienstagsund Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstalterr. Preis pro Quartal HLÄ. Amts- und Anzeige-Matt der Königlichen Gerichts-Jemter and Itadträthe zn Kippotdismatde and /ranenstein. Vkrantwortlicher Lrdarlrnr: Lari Fehne in Vippol-iswaldr. -n——— — Gin Rundblick lehrt uns, daß Deutschland jetzt schon zum Mittel punkt der europäischen Bewegung geworden. Der Kampf mit den Franzosen ist noch nicht ausgekämpft; aber es scheint, als wenn ganz Europa, außer Frank reich selbst, sich keiner Täuschung mehr über dessen Ausgang hingiebt. England sendet seinen Boten nach Versailles, um mit dem Grafen Bismarck die russische Kündigung des Vertrages von 1856 besprechen zu lassen, Rußland selbst sucht fort und fort sich im Einverständniß mit Preußen oder Deutschland zu halten. Oesterreich-Ungarn thut, als verfolge es eine selbstständige Politik in der orientalischen Ange legenheit, aber sichtlich fühlt es sich durch die deutsche Siegesbewegung gehemmt. Italien versichert, daß es für die eine, wie für die andere kriegführende Macht freundschaftliche Theilnahme hege, da es beiden Dank schulde, und daß mit ihm nun näher verbundene Spanien fühlt sich sogar mit seiner neugegründeten Monarchie mehr zu Deutschland, als zur französischen Republik hingezogen. Ja, selbst die Türkei steht ein, daß sie in Frankreich nicht mehr ihren Beschützer erkennen kann, und wenn sie sich auch hüten wird, sich Rußland in die Arme zu werfen, so blickt sie doch auf das Preußen und das von ihm vertretene Deutsch land mit Vertrauen, dessen Geschick mit von einem Moltke gelenkt wird, der ihr nicht die größten Ver dienste erwiesen. Was nun die kleineren Mächte anbe langt, so wird Hollands Pregßenabneigung bei dem Streit um Luxemburg auf eine harte Probe gesetzt, denn es muß sich sagen, daß es ohne diesen Fleck deutscher Erde sich viel freier bewegen könnte. Bel gien fühlt sich unter seinem französischen Regiment vielfach für schuldig, seine neutrale Stellung Frank reich gegenüber nicht genug gewahrt zu haben, und es beeilt sich- Deutschland seiner Freundschaft zu ver sichern. Die Schweiz zeigt sich unparteiisch und manchmal im deutschen Theile? selbst! seiner Stammes^ gemeinschaft mit uns eingedenk. Dänemark, ob gleich voller Abneigung gegen uns, fühlt sich zu ohn mächtig , während hinwiederum das germanische Schweden und Norwegen sich vielleicht seines halb französischen Königshauses erinnert, aber doch uns gleichfalls nicht feindlich zu sein wagt. Jenseit des Oceans, wie in allen fernen Erdtheilen endlich, all überall, wo deutsche Stimmen erschallen, tönt uns über die Ermannung unseres Volkswesens wahrer Jubel ruf entgegen, der sich ohne Zweifel verdoppeln wird, wenn erst die Fahne des ganzen deutschen Reiches an die wiedergekehrte Zett deutscher Kaisermacht und Kaiserherrlichkeit erinnern wird. Und das Alles haben wir in fünfmonatlichen, ewig denkwürdigen Kämpfen erreicht! T TageSgefchichte. Dippoldiswalde. Die Verlust-Liste Nr. 3 deS 12. (königl. sächs.) ArmeecorpS (24 zweispal tige Quartseiten enthaltend) ist erschienen; sie enthält die Verluste bei den letzten Gefechten vor Paris am 30. Novbr. und 2. December. In derselben wird eine große Zahl als „vermißt" bezeichnet: 758. Beim 107. Regiment allein beträgt die Zahl der Vermißten nahe zu 65 pro Cent des ganzen Verlustes, nämlich 377 von 582. Es mag nun ein Theil aller Vermißten bald nach den Gefechten von seiner Truppe abgelommen sein und daher beim Appell gefehlt haben (die Liste ist bald nach dem 2. December zusammengestellt), eine Anzahl ist auch unter die Wilrtemberger Truppen und ein anderer Theil freilich in französische Gefangenschaft gerathen, verwundet oder unverwundet. Bei den andern Regi mentern ist die Zahl geringer: 100. Reg. 86; 104. Reg. 47; 106. Reg. 78; 108. Reg. 123; Jägerbataill. 8; Reiterei 10; Artillerie 2. * Altenberg. Auch hier bemühte man sich, den Geburtstag Sr. Maj. des Königs Johann nach Kräften auszuzeichnen. Insbesondere geschah dieses durch ein von Hrn. Cantor Benke, dessen Herren Co liegen und Hrn. Stadtkassirer Gäbler hier ge gebenes Concert, welches Tags zuvor, Sonntag, den 11. Decbr., zur Vorfeier erwähnten Geburtstags, im Saale des Gasthofs zur Stadt Teplitz abgehalteu wurde. Dasselbe hatte sich einer ziemlich zahlreichen Zuhörer schat zu erfreuen und kann im Ganzen als gelungen beze chnet werden, was sich auch in reichgespendeten Beifallsbezeigungen kund gab. Besondere Auszeichnung und angenehme Abwechslung erfuhr das Concert durch die gütige Mitwirkung zweier hiesiger Damen (Frau k. Friedrich und Frau Apotheker Reiche), deren Vorträge von Liedern für Sopran und Alt reichen Beifall ernteten. Außer diesen sind die nicht leicht ausführbare Motette von HomiliuS, die vierstimmigen Gesänge von Mendelssohn-Bartholdy für gemischten Chor, die dreistimmigen Kinderchöre, sowie die Stücke für Violine, als die hervorragendsten Nummern des passend gewählten Programms zu bezeichnen. Ein von Hrn. Redacteur Gießler hier gedichteter Prolog wurde vom Hrn. GerichtSamtS-Controleur Schüler (wegen Krankheit de» erwähnten Dichter-) gesprochen und vom Publikum mit vielem Beifall ausgenommen. Mit dem allgemeinen Gesänge des LiedeS: „Den König segne