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Freitag. Erscheint Lienstagsund Freitags. Zu beziehe» durch alle Post-instalten. dir. 88. 11. November 1870. Wrißnüh-Zeitung-M Amts- und AaMk-Alatt der Königlichen Vtrichts-Itmttr vnd Stq-träthe zu Kippoldiswaldt vnd /ravtnsttiu. VkrMworfficher Nr-aürur: Lari Zrhnr in Vippolliswal-r. r.i > iE - ' " ' ----- Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, 10. Novbr. Es hat Befremden erregen müssen, daß die dem Vernehmen nach am Dienstag hier abgehaltene Diöcesanversammlung, welche nach 8 23 des Gesetzes öffentlich sein soll, nicht auch öffentlich bekannt gemacht worden ist. Zwar ist am Sonntage unter den gewöhnlichen kirchlichen Abkün digungen auch die genannte Versammlung mit erwähnt worden; aber daß kirchliche Abkündigungen für weitere Kreise nicht genügen, bedarf wohl keines Nachweises, wie uns überhaupt — die nebenbei bemerkt — das ganze Abkündigungswesen, an der Spitze die Aufgebote der Verlobten, einer wesentlichen Beschränkung zu be dürfen scheint. Wenn, um speciell auf die Diöcesan versammlung zurückzukommen, als der Zweck derselben „Anregung des kirchlichen Lebens" bezeichnet werden muß, so möge man doch auch zur Erreichung dieses Zweckes die sich ungezwungen darbietenden Mittel ge brauchen, und zu denen rechnen wir vor Allem: Vor arbeiten durch die Presse. Wir würden dieser Ange legenheit unser Blatt sehr gern geöffnet und selbst in derselben das Wort ergriffen haben, wenn uns das Geringste von der Abhaltung derselben und — was wir ganz besonders hervorheben — von der festgesetzten Tagesordnung bekannt geworden wäre. Aus diesem Grunde waren wir auch nicht in der Lage, uns eines Berichterstatters zu versichern. — Einen uns nachträglich in Aussicht gestellten Bericht über die Verhandlungs gegenstände werden wir in nächster Nummer bringen. — Es ist dankenswerth anzuerkennen, daß unser Justizministerium neuerdings allen Unterbehörden zur strengsten Pflicht gemacht hat, bei allen Erkenntnissen und Entscheidungen die Anwendung von Fremd wörtern zu unterlassen. Denn sehr richtig wird letzteres ein Mißbrauch genannt, welcher das Recht der Parteien verletzt und das Ansehen der Gerichte schädigt. Wir wollen hierbei auf einen andern Uebelstand, respektive Mißbrauch, der namentlich bei Entscheidungen am grellsten hervortritt, aufmerksam machen. Wir meinen die lang- athmigen Satzreihen, den geschraubt aufgebauten Periodenstyl mit einer Reihe schwülstiger Nebensätze. Wir sind wiederholt Zeuge bei Vorlesung gerichtlicher Erkenntnisse gewesen, und der Vorsitzende mußte hinterher noch mündlich den Betreffenden auSeinandersetzen, was des langen StyleS einfacher Sinn wär. Besteht doch oft das Urtheil nebst Begründung und Motivirung in einem einzigen Satze, der sich über zwei volle Seiten hinzieht. Ein solcher Styl ist ebenso schlimm als die Anwendung von Fremdwörtern, wie die Erfahrung aus täglich sich wiederholenden Beispielen zur Genüge lehrt. Berlin. Aus Anlaß der Wahlen zum Abge ordnetenhause enthält der „StaatS-Anz." eine An sprache an das preußische Volk, welche mit den Worten schließt: Möge denn der Geist der Eintracht, der unsere Heere mit Siegeszuversicht in die Schlachten führte, auch bei den Wahlen seinen patriotischen Ausdruck finde». Dann werden die Männer, welche die Stimme der Nation in den Landtag beruft, vor Allem zur Erfüllung jener königlichen Verheißung Mitwirken, daß aus oer blutigen Saat des Krieges eine von Gott gesegnete Ernte sprießen werde. ijx, Die Verhandlungen, welche in Versailles über den Eintritt der süddeutschen Staaten in den Norddeutschen Bund geführt werden, nahen sich ihrem Ende. Mit Hessen, Baden und Würtem- berg ist eine Einigung bereits erzielt, nur Baiern soll noch in Bezug auf militärische und diplomatische Angelegenheiten eine Sonderstellung verlangen, die ihm aber wohl nicht zugestanden werden wird. Im Uebrigen ist die Stimmung in Baiern sehr für den Eintritt in den Norddeutschen, d. h. Deutschen Bund. Es heißt jetzt, der deutsche Reichstag solle nach Versailles einberufen werden, um dort das Einigungswerk Deutschlands zu vollziehen. Es liegt etwas Großartiges in dem Gedanken: den Bau deutscher Einheit gerade im Lande desjenigen Feindes zu vollenden, der DemschlandS Macht für immer vernichten wollte! Doch wenn eine Capitulation von Paris zu Stande kommt, so werden der König und Bismarck wohl bald nach Berlin zurückkehren, und der Reichstag wird dort gehalten werden. Kassel. Die in den letzten Tagen hier anwesenden französischen Offiziere, die dann nach Aachen tranSportirt wurden, machten hier bedeutende Einkäufe. General Boyer ist nunmehr auch hier eingetroffen; Mac Mahon, der von seinen Wunden geheilt ist, wird erwartet. Canrobert vermeidet jedes Zusam mentreffen mit Bazaine; auch Leboeuf lebt sehr zurückgezogen. Dem Prinzen Joachim Murat wurde die Erlaubniß, auf Wilhelmshöhe zu wohnen, nicht er- theilt, und bleibt derselbe mit Gefolge bis auf Weiteres im Hotel du Nord wohnen. Bazaine bewahrt den Anschuldigungen aller Art gegenüber eine große Ruhe und bereitet eine VertheidigungSschrift vor. Bom Kriegsschauplätze. Aus Versailles wird die Ablehnung des Waffenstillstandes von französischer Seite gemeldet. Nachdem ThierS erklärt hatte, das deutsche Angebot eines solchen von beliebiger Dauer auf die Dauer des militärischen statu» quo nicht annehmen zu können,