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Freitag. Nr. 78. 7. October 1870. U WePerih-Zeitung. G Ms- »«d Meigk-Dtatt der Königlichen Gerichts-Aemter und Stndträthe z« Dippoldiswalde vnd /rauenstein. Vkrackworllichrr Ledarteur: Larl Fehnr in Sippotdinvnlde. Tagesgefchichte. Dippoldiswalde, 6. Octbr. Es wäre sehr zu bedauern, wenn unsere patriotischen Unterhal tungsabende nicht mehr den Anklang fänden, wie im Anfänge. Der Besuch scheint leider etwas nach zulassen, und doch ist auch das Scherflein, was durch dieselben der Caffe des Internationalen Hilfsvereins zufließt, immerhin beachtenswerth und nicht zu ent behren in einer Zeit, wo der Ansprüche immer mehr an den Verein gestellt werden. Möchte also die Teil nahme auch in Zukunft nicht ermüden! Am gestrigen 9. Unterhaltungsabend entwarf Herr Lehrer Stein ein Lebens- und Charakterbild des kernhaften Patrioten Ernst Moritz Arndt und gab eine recht passende Auswahl von Stellen aus dessen Schriften, nament lich dem „Geist der Zeit," dem Würdigsten, was je aus einer deutschen Patriotenfeder geflossen. Vier recht interessante Feldpostbriefe gelangten zur Vor lesung, und die übliche Zeitungsschau machte den Schluß. Die patriotischen Gesänge beschränkten sich auf das „treue deutsche Herz," das aber von ge mischtem Chore sehr gut vorgetragen wurde. — Der Händler Richter aus Naundorf bei Freiberg, der im April dS. IS. in der Schankwirth- schaft und Schmiede zu PaulSdorf einen Sack mit 10 Pfund Sprengpulver so hingestellt, daß einfliegende Funken letzteres entzünden mußten, wobei der Sohn des Schmiedes erhebliche Brandwunden erlitt, ist zu zwei Monaten Gefängniß verurtheilt worden. Possendorf. Nächsten Sonntag, 9. Octbr., wird die feierliche Einweihung unserer restaurirten Kirche und zugleich das Erntedankfest gehalten werden. Zur ersteren Feierlichkeit versammelt sich Vor mittags r/s9 Uhr die Gemeinde im Garten des Ritter gutes (der bisherigen Gottesdienststätte), und wird der Festzug sich von hier in die Kirche begeben. Der Weihegottesdienst wird durch einen Gesang der Gemeinde eingeleitet, die Weih rede von unserm Herrn Pastor Nadler gehalten werden und hierauf eine Musikaufführung stattfinden. Nach Intonation, Collecte rc. folgt wieder ein Gemeinde-Gesang und darauf die Predigt des Herrn Diac. Kretzschmar, an die sich die Schlußgesänge fügen. — Beim ErntedankgotteS- di enst (Nachmittag >/»2 Uhr) wird nach dem Gesang, der Intonation rc. eine Musikaufführung und hier auf die Predigt folgen. Die sämmtlichen Texte der Gesänge und Musikaufführungen sind in den, an die Kirchenbesucher vertheilt werdenden „Ordnungen bei der Kirchenfeier" enthalten. Aus einem Feldpostbriefe, datirt Lizy, 5 Meilen vor Paris, 19. Septbr., der uns gleich früheren zum Abdruck gütigst überlassen worden ist, theilen wir folgendes Interessante mit: „Da die Kriegstüchtigkeit einer Armee zum großen Theil in den Beinen der Soldaten liegt, was in diesem Kriege ganz besonders der Fall ist, so sieht der Soldat auch vor Allem auf die Straßen, die er zu marschiren hat. Und da muß ich gestehen, daß die französischen Straßen weit besser sind, als die meisten in Deutschland. Sie sind gerader angelegt, fast doppelt so breit als die unsrigen, in Fahrweg, Reitweg, Fußweg sorgfältig ein- getheilt und sehr gut gepflegt. Man unterscheidet zwischen Kalserstraßen, Departementalstraßen und Vici nal- oder Communalstraßen, je nachdem sie vom Staat, vom Departement oder von der Gemeinde erbaut und erhalten werden. Die ersteren scheinen unter dem ersten Kaiserreich erbaut worden zu sein und erstrecken sich bis in das links-rheinische Deutschland, z. B. die vor zugsweise sogenannte Kaiserstraße von Saargemünden über Kaiserslautern nach Mainz. Deutlich erkennt man ihren ursprünglich militärischen Zweck an den vom Walde befreiten uud geebneten Rasenwegen für Colonnen, die aber zu Feld und Wiese verwendet werden, links und rechts von der Straße. Hätten wir auf unserem Operationsfeld nicht so vortreffliche Straßen vorgefunden, wir hätten die unerhörten Vorwärts-Bewegungen und Schwenkungen, wenigstens mit Artillerie und Colonnen, gewiß nicht so ausführen können. In Frankreich hat man übrigens auch nicht, wie bei uns, über dem Eisen bahnbauen das Canalbauen vergessen. Es giebt hier zahlreichere und bessere Canäle, als in Deutschland. Ihr Alter läßt auf die Initiative des zweiten Kaiser reichs schließen. — Bei der besonderen Unfruchtbarkeit dieses Jahres läßt sich schwer auf die allgemeine Frucht barkeit Frankreichs ein Schluß ziehen. Doch halte ich das Gerede von dem unerschöpflichen Reichthum Frank reichs für übertrieben, während man meiner Ansicht nach den fundamentalen Reichthum Oesterreichs immer noch nicht gehörig würdigt. Wenigstens was die mir bekannten Departement- Frankreichs anbelangt — und wir haben schon ein gut Stück Frankreichs durch schritten — so habe ich wirklich fruchtbaren und zugleich leicht bestellbaren Boden selten gefunden. In gutem Boden braucht man oft sechs Pferde vor den Pflug. WaS die Stufe der Landwirthschaft betrifft, so wechselt intensive Cultur sehr schroff mit der primitivsten Land bestellung. Man merkt dies unter ander« recht deutlich an der Art der Ackerwerkzeuge. Dieser schroffe Gegen satz erklärt sich aus der notorischen Vernachlässigung der Landwirthschaft durch die Regierung. Während bei