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UWeißenh-Zeitung.M iostanstalten. ' 8 Pfg- Amts- und Anzeige-Matt der Königlichen Gerichts-Ämter und Itadträthe zu Dippoldiswalde und Frauensteiu. Verantwortlicher Le-aüeur: Lsrt Fehne in Vippoldirwalde. Wir leben in einer großen Zeit! Ueber ganz Deutschland eine Sündfluth von französischen Gefangenen, Zuaven, Spahis, Turkos und anderen Scheusalen, die „an der Spitze der Civi- lisation marschiren;" — in Lothringen Schlachten, wie bei Waterloo; — in Paris Chaos und Verzweiflung; der kleine Cäsar, wenn er glücklich durchkommt, in wenigen Tagen zu Arenenberg oder auf dem Wege nach Cayenne, — lauter Thatsachen, die uns auf frischen und die Morgenlust glänzender Tage ahnen lassen. Aber in diesem guten Gange nur keinen über stürzten Schluß! — keinen Frieden, ehe die Franzosen in Berlin oder die Deutschen in Paris emgezogen sind! Ersteres scheint jetzt sehr ferne gerückt; letzteres würde die Gestaltung der neuen Aera ungemein be fördern. Die deutsche Nation, die sich auf dem Wiener Kongresse so lammfromm verschneiden, auch stückweise an Holländer und Dänen ausliefern ließ, selbst von den alten verlorenen Reichslanden — des Friedens halber — nur schwache, nutzlose Erwähnung that, diese deutsche Nation wird nach allen Anzeichen dies mal auch einige Worte mitsprechen, einige Ansprüche erheben und ohne Zweifel durchsetzen. Von den Franzosen lerne sie die wichtige Kunst, zuerst für sich selbst zu sorgen, und wenn sie für eine Idee gefochten, stets auch die Kriegs ko st en zu liqui- diren. In letzterer Beziehung wird man diesmal die Rechnungen rechtzeitig bereit halten und wachen, daß kein Posten, kein Saarbrücker und Kehler Dachziegel vergessen werde. So könnte auch das finanzielle Gleich gewicht zu Gunsten Deutschlands etwas günstiger ge stellt werden. Hauptsache sind aber die alten Reichslande, Elsaß und Lothringen, von letzterm wenigstens der deutsche Theil. Das von den Franzosen aufgestellte Princip der Nationalität muß gerade hier energisch durchgeführt werden. Empfindsame Germanen behaupten allerdings: es möchten die Elsäßer vielleicht nicht gern deutsch werden; allein sie sind 1648 auch nicht gefragt worden, ob sie gern wälsch werden wollten! Wie sehr ihnen deutsche Bildung nothwendig, zeigt schon ihr Schießen auf ihre eignen Landsleute. Gute deutsche Schulen werden da Wunder wirken, viel größer, als die Chassepots zu Mentana. Diese jetzt so entarteten Patrioten werden bald mit Erstaunen und Vergnügen hören, daß sie eine ganz deutsche Vergangenheit haben; daß sie alte Alemannen und mit deutschen Erinnerungen der besten Art, auch mit zahlreichen deutschen Reichs städten, Stiften, Abteien und Burgen ausgestattet seien; daß das schöne Straßburg einst so gründlich deutsch gewesen wie Augsburg oder Nürnberg; daß der Münsterthurm, der sy ahnungsvoll über den blauen Rhein hinüber und in den Schwarzwald hinein dämmert, von einem edlen deutschen Meister erbatst worden sei, und er sich schon lange wieder nach den alten Landsleuten sehne. Des reichen Fabrikanten Töchterlein zu Mühlhausen (Mulhouse), jetzt noch der „grunäo Nation" ergeben bis in den Tod, sie wird in wenigen Jahren am Pariser Flügel „Das deutsche Vaterland, und „Die Wacht am Mein" so klingend singen, daß die Fenster zittern; sie wird nach Colmar gehen, um an Pfeffels Grab zu weinen, nach Sesen- heim, um dort Göthe zu studiren. Mit Manier läßt sich Alles richten. Sind Metz und Straßburg in treuen deutschen Händen, so mag Europa ruhig schlafen und sich bei Tag den Künsten des Friedens widmen. Man muß den Galliern jenen vielbegehrten Rheinstrom etwas aus den Augen rücken, — sie schreien sonst immer danach, was nur auf Handel und Gewerbe drückt. Auch fordert die Gerechtigkeit, daß unsere „ritter lichen" Nachbarn dieselben Opfer willig tragen, die sie uns Deutschen zugedacht. Und wie Gott dem Guten das Seinige im Schlafe giebt, so werden wohl auch Savoyen und Nizza wieder den guten Jtalienem zufallen. Frankreich, auf bescheidene Grenzen zurückgeführt, wird nichts mehr bereuen, als seine Eroberungsgelüste, die es schon mehrfach unglücklich gemacht; es wird sich in engerm Kreis auf Verbesserung seiner Schulen und Sitten verlegen, auf Verbreitung geographischer und historischer Kenntnisse, die jetzt so empfindlich mangeln; auf Verminderung der Eitelkeit und der Prahlerei, und so wird es endlich jene Civilisation erreichen, die es wunderlicher Weise jetzt schon zu besitzen glaubt. Nur auf diesem Wege wird es das Glück finden, das es seit Jahrhunderten durch Eroberungen, Raubzüge, Plünderung und Verheerung der Nachbarn vergeblich fangen zu können glaubte. Besonders glücklich und erhebend für uns ist noch der Umstand: wir haben keine Allirten! Deswegen dürfen wir auch die guten Dienste nicht fürchten, die uns etwa verbündete Mächte, wie auf dem Wiener Kongreß, gern erweisen möchten. Wir vertrauen zu der rühmlichst bekannten Geradheit des Bundeskanzlers, daß er die Diplomaten höchstens in der ernsten Stunde zuläßt, wo sie feierlich mitbesiegeln, was sie nicht mehr verderben können. Er wird ihnen begreiflich machen, daß, wo sie nicht mitthaten, sie auch nicht mit zu be- rathen haben! (A. A. Z.)