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— Die in neuerer Zeit sich so oft wiederholenden Excesse zwischen Militär und Civil, bei dem ersteres von der Waffe unerlaubten Gebrauch macht, werden hoffentlich aufhören, wenn einmal ein strenges Exempel statuirt wird, wozu jetzt Gelegenheit geboten, da man einem Soldaten seine Hiebwaffe entriß und sie der königl. Commandantur bei der Anzeige mit übergab. Es geschah dies im Dorfe Gorbitz, wo bei einer Tanzmusik im Gasthofe Streit entstand, der zu Thätlichkeiten auSartete, bei denen die Soldaten sich zurückziehen mußten. Bald kehrten sie aber in ver stärkter Anzahl zurück, schlugen die Thore ein, zer trümmerten die Fenster, zogen dann blank und hieben auf die Civilisten ein, wobei einer einen Hieb über das Gesicht erhielt, während andere mehr oder weniger schlimmere Contusionen davon trugen. Leipzig. Das Bundesoberhandelsgericht soll zwar am I. Juli, wie festgesetzt worden, eröffnet werden; allein da die Arbeitender Bundes-Civil-Proceß- Commission noch einige Wochen dauern werden, ist vor dem Monat August an eine regelmäßige Aufnahme der Sitzungen nicht zu denken. — Der Rath hat dem bisherigen Opernregiffeur Seidel den Pacht der beiden Theater übertragen; der Contract dauert bis 1876, die jährliche Pachtsumme 10,000 Thlr. Freiberg. Im hiesigen Reichstags-Wahlbezirk wird, wie man hört, der königl. sächs. Legationörath v. Lindenau, gegenwärtig beim Bunde angestellt, candidiren. Er wird allgemein als eine sehr tüchtige Persönlichkeit geschildert. — In Hohenstein-Ernstthal, Stollberg, Limbach, Chemnitz rc. hat am Abend des 17. Juni (Freitag) ein schreckliches Unwetter gewüthct, wie es die ältesten Leute sich nicht zu erinnern wissen. Der einem kleinen Wolkenbruch ähnliche Wassersturz ver- schwemmte Alles, der Schutt lag 2 Ellen hoch, das Wasser drang 3-4 Fuß hoch in Häuser, daß die Möbel schwammen und das Lieh schleunigst gerettet werden mußte. In Oberlungwitz hat ein Mann in den Fluchen seinen Tod gefunden; vielen anderen Bewohnern ist ihre bewegliche Habe vom Wasser mit genommen worden, so u. A. einem Buchbinder das ganze Arbeitsgeräth, Kleider und Wäsche. Es hat sich ein Comitee gebildet, um den Leuten schnelle Hilfe zu leisten. So oft auch Blitz und Schlag des Gewitters sich folgten, ist doch kein größeres Brandunglück zu be klagen ; der Blitz zündete meistens nicht. In Wüsten brand ist das Unwetter eben so heftig aufgetreten. Berlin. Der König ist am 20. Juni nach Kassel gereist, hat dort die Ausstellung besichtigt und ist dann in das Bad EmS weiter gereist. Wien. Der Landesvertheidigungsminister Baron Widmann, gegen dessen Berufung man s. Z. sich fast allgemein und auch öffentlich ausgesprochen, da an seinem srühern Leben mancher Makel war, hat seine Entlassung eingereicht, die vom Kaiser angenommen wurde, — ein Beweis, daß man in maßgebenden Kreisen nicht taub für die öffentliche Meinung ist. '— Bei der künftigen Centralleitung des Heeres sollen die im Auslande gewonnenen Erfahrungen, besonders auch im Interesse der Erleichterung des Staatsschatzes, in Anwendung gebracht werden. Man beabsichtigt daher, die Organisation und den Geschäftsbetrieb der Kriegs ministerien von Frankreich und Preußen durch eigens zu diesem Zwecke entsendete Offiziere an Ort und Stelle studiren zu lassen. Vermischtes. (Parlamentarische Studien!) Im „Leipziger Tageblatt" veröffentlicht ein bei allen Verhandlungen des sächsischen Landtages zugegen gewesener Zuhörer eine „Blumen lese denkwürdiger Aussprüche," die den Herren Abgeordneten in der Hitze des Gesichtes entschlüpft sind. Zu Nutz und Frommen aller Redner theilen wir aus dieser interessanten Sammlung im Folgenden einige Beispiele mit, indem wir dabei, der Redactionspflicht gewissenhafter Quellenangabe ein gedenk, bei jedem Kinde auch den Vater nennen. Es ergiebt sich nämlich aus dem Hintertheile des Gutachtens. (Or. Heine.) Dieser Amrag entspringt aus dem dringendsten Gefühle eines Bedürfnisses. (Walther.) Meine Herren, die Consequenz mag ich eben nicht; ich kann sie einmal nicht leiden. Denn dort, meine Herren, liegen wenigstens 24000 Personen auf Einem Punkte zusammen. (Heine.) In manchen Orten ist gar kein Bedürfniß nach Grund und Boden. Um nachzu weisen, ob die Grundstücke durch Dismembration größer oder kleiner werden. Wenn es auf mich ankäme, so müßte jeder Bürger wenigstens zwei Scheffel Land kriegen. (Mehnert.) Und eben weil wir die Sittlichkeit wollen, so wollen wir ja nicht gar zu viel Reizmittel anwenden, wir brauchen kein Reizmittel, es geht schon so — (Haberkorn.) Wollen Sie einen Landestheil nicht vollständig an die Luft setzen, so er suche ich Sie, Ihre Beschlüße aufrecht zu erhalten. (Jung nickel.) Von unserem Standpunkte der Brandversicherung aus finden wir in unserm Lande (Schönburg) eine große Con centration kleiner Städte. (Penzig.) Ich gehöre nicht zu den Glücklichen, die neulich eine Eisenbahn erlangt haben, auch wohl niemals eine erlangen werde». (Klopfer.) Meine Herren, manchmal muß eine Fabrik durch zwei bis drei Dörfer laufen, ehe sie an eine Straße kommt. (Mehnert.) Schlechtes Wetter, schlechte Luft und andere derartige öffentliche Einrichtungen, (vr. Heine.) Es ist immer gut, den Lebensbaum einmal anznspritzen. (läsm.) Der Vertreter des Herrn Gewerbe standes. (Günther.) Wir sind noch nicht einmal in der De batte, und nun geht's schon los. (Walther.) Und es ist nicht recht vom Herrn Referenten, daß er sein eignes Kind verläßt, das er erst im Auftrage der Deputation geschaffen hat. (Starke.) Ich muß mich für Gehaltserhöhung erklären; eher mehr wie möglich. (Mehnert.) Daß endlich ein Uebel- stand beseitigt wird, der hoffentlich seine guten Folgen haben wird. (Heinrich). Daß es aber Anschauungen giebt, die über haupt verschieden sind, das ist gewiß wahr. (Walther.) Wenn es jetzt aus einmal heißt, in zehn Jahren hört die Brand kaffe aus, so wird natürlich Jeder, der ein altes Gebäude hat, dasselbe wegbrennen. (Möschler.) In voriger Woche trat in Berlin ein älterer Herr mit zwei blühenden Knaben in eins der sashionablesten Locale des Thiergartens, ließ sich mit dem, den höheren Klaffen eigenthümlichen imponirenden Selbstgefühl die Speisekarte reichen und vertilgte niit seinen tapferen Hilfstruppen das Beste und Feinste, was dieselbe bot, natürlich ohne dabei eine Flasche vortrefflichen Nothweincs zu vergeßen. Der Wirth war natürlich entzückt über den riesigen Appetit des Kleeblattes. Als alle Drei endlich die Waffen strecken mußten, ries der alte Herr mit herablassendem Wohlwollen: „Kellner! Haben Sie Kuchen?" „Bedaure, nein!" — „Na Kinder," fuhr der Herr fort, „dann wartet 'mal; ich werde Euch selbst welchen von drüben holen!" Das Gesicht der Knaben erglänzte vor Freude, soweit es ihnen eben das übermäßige Sattsein erlaubte. Der Herr ging und blieb sehr lange.