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Dienstag. Sir. 38. ' 17. Mai 1870. Weißeritz-Zeitung- H. Amts - und Anzeige-Matt der Königlichen Gerichts-Aemter nnd Itadträthe zu Dippoldiswalde und Frauensteiu. Uerantworüichrr Nedacteur: Carl Fehne in Dippoldiswalde. Erscheint Dienstagsund Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstallen. Tagesgeschichte. Dippoldiswalde. Unser benachbartes Alten berg wird nächsten Sonntag, den 22. Mai, das vier hundertjährige Jubiläum seiner Stadtgerech tigkeit festlich begehen. Es wurden nämlich im Jahre 1470 der „Zinner-Gemeinde auf dem GeisingSberge" von den fürstlichen Gebrüdern Churfürst Ernst und Herzog Albrecht die Stadt- und Marktrechte verliehen, und soll nun an diesem ErinnerungStage die Festfeier in folgender Weise vor sich gehen. Früh 5 Uhr Reveille der Schützen und Böllerschüsse; um 6 Uhr wird das Musikchor von der Höhe des „Raupennestes" einen Choral ertönen lassen; ^9 Uhr großer Festzug durch die Stadt in die Kirche. Nachmittags auf dem Platze vor'm Schießhaus ein Concert; Abends in zwei Sälen auf Kosten der Stadt freie Tanzmusik. Die Stadt wird festlich geschmückt sein. — Die Pfennigsammlung für den Schulbau und die Schuljugend in Frauenstein hat gegenwärtig die Höhe von 1215 Thlr. erreicht. Berlin. Am Freitag ist hier der Kaiser von Rußland nebst dem Großfürsten Alexander angekommen. Sie wurden am Ostbahnhofe empfangen vom Könige und den Prinzen, Generälen rc. Der Kaiser wohnte im Palais der russischen Gesandtschaft. — Der Reichstag beschäftigte sich in den letzten Tage» der Woche mit der Berathung des Gesetzes über den Schutz des geistigen Eigenthums. Dabei wurde auch das Photographieschutzgesetz abgelehnt. — Am 11. Mai starb in Berlin der Geh. Ober tribunalsrath I)r. Waldeck, geb. 1802 in Münster. 1848 ward er an vier Stellen zur Nationalversamm lung gewählt; hier war er Vorsitzender der Verfassungs commission und hauptsächlich Schöpfer der neuen Ver fassung. Zur 2. Kammer in zwei Berliner Wahlbe zirken gewählt und Mitglied der äußersten Linken. Nach ihrer Auflösung ward W. am 16. Mai 1849 verhaftet und mußte lp/s Monate Untersuchungshaft in der Haus voigtei zubringen; bei seiner glänzenden Freisprechung, 3. December 1849, erklärte der Staatsanwalt selbst die Beschuldigungen für Producte eines Bubenstückes. Später wieder öfter in das Abgeordnetenhaus gewählt, ward er 1867 Mitglied des Reichstages, und legte erst kürzlich wegen schwerer Erkrankung sein Mandat nieder. Er ward unter allgemeiner Theilnahme am 15. Mai beerdigt. Wien. Der Ministerpräsident Potocki hat wenig Glück und — Geschick bei Besetzung der Aemter im Ministerium. Der Eintritt des pens. Oberlieutenants Baron Widmann in das Cabinet, der ein „sehr be makeltes Vorleben" hat, der dem ganzen österreichischen Cabinet „zur Schande gereicht," wie die Zeitungen melden, hat im ganzen Lande tiefe Mißstimmung er regt und sein Abgang wird wohl bald erfolgen. Der Wiener Gemeinderath hat in seiner letzten Sitzung öffentlich erklärt, daß man allgemein verstimmt sei über dies Mitglied des Cabinets, daß man es auch sehr bald über das ganze Ministerium sein werde. — Graf Potocki will ferner sämmtliche Landtage auflös ett; dem böhmischen soll eine neue Wahlordnung vorgelegt werden; alle ihm untauglich erscheinenden Länderchess will er beseitigen. Dabei hat er einen Mißgriff ge- than, den ihm selbst seine Freunde und Anhänger übel nehmen werden: an Stelle des Feldmarschalllieutenants Koller ist der Fürst Dietrichstein-Mensdorf zum Statt halter von Böhmen ernannt worden. Derselbe ist ein treuer Anhänger der feudal-klerikalen Partei, ein Ver fechter des Concordats, und was er als Diplomat ist, hat Oesterreich gesehen, als er 1866 Minister deS Aeußeren war! Die böhmischen Zeitungen begrüßen den Statthalter mit einem Artikel voll vernichtenden Hohnes und sagen, die etwaigen Bemühungen Mens- dorfs, die Böhmen für den Reichsrath zu gewinnen, würden ein tausendstimmiges Nein! Hervorrufen. — Der Kaiser hat den Grafen Beust zum Kanzler des Militär-Maria-Theresia-Ordens ernannt. Die „Wiener Ztg." bemerkt dabei, daß dies nur ein Ehren amt sei, mit dem kein Gehalt verbunden. Graf Beust ist der fünfte Kanzler dieses Ordens; die bisherigen waren Fürst Kaunitz, Graf Lach, Fürst Metternich und Graf Wratislaw. Paris. Die neuesten definitiven Ziffern über den Ausfall des Plebiscits am 8. Mai sind 7,336,454 Ja und 1,560,709 Nein. Die Ueberreichung der Ant wort des Landes auf das Plebiscit an den Kaiser wird am Mittwoch vor sich gehen. Sonntag, 22. Mai, wird ein Volksfest in ganz Frankreich stattfinden zur Ver herrlichung des Plebiscits. Der Kaiser wird bei dieser Gelegenheit eine Proklamation veröffentlichen, in welcher er der Nation für ihre Anhänglichkeit dankt und ver spricht, der liberalen Politik treu zu bleiben. Die Zusammensetzung des Cabinets wird ebenfalls erst Mittwoch bekannt werden. Rom. Es ist dem römischen Correspondenten der in Berlin erscheinenden „Post" gelungen, sich den Wortlaut der KanoneS zu verschaffen, die von der Unfehlbarkeit des Papstes handeln. Die kühnsten Er wartungen werden dadurch übertroffen. Es wird nicht blos Jeder verflucht, der da behauptet, das Conen