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Dienstag. .M 74. 21. September 186S HZ- WePer»h-Zertung.M Postanstalten. > 8 Pfg. Amts- und Anzeige-Dlatt der Königlichen Gerichts-Ämter and Stadträthe zv Dippoldiswalde vnd Francnstciu. verantwortticher Nrdarteur: Carl Zehne in Dippoldiswalde. SS——— ! n---!—— Tagesgeschiehte. Dippoldiswalde, 20. Sept. Wir haben seiner Zeit versäumt, über den vorletzten Versammlungsabend unseres Gewerbevereins unfern Lesern zu berichten und wollen das jetzt zugleich mit dem letzten, vom vorigen Freitag, thun. In der Versammlung vor 3 Wochen sprach Hr. Kaufmann Billig über Flachs industrie vom Rohprodukt bis zur Herstellung der verschiedenen Leinenstoffe in sachgemäßer und eingehen der Weise unter Vorzeigung zahlreicher Proben. Am Freitag hielt Hr. Kaufmann Lincke jun. einen Vortrag über Aktien, wie er früher schon einen ganz ähnlichen über Staatspapiere zu Gehör gebracht hatte. Hr. Bürgermeister Heisterbergk referirte in der Kürze über die Verhandlungen des Gemeindetages, und man beschloß, die bereits projectirte Excursion nach Meißen nächste Mittwoch, den 22. d. Mts., in Hoff nung zahlreicher Betheiligung vorzunehmen. In der That sollte außer der reizenden Lage Meißens der Besuch der Porzellanfabrik Anziehungskraft genug aus üben, zu recht reger Theilnahme zu veranlassen. Ueb- rigens beabsichtigt man noch die Maschinenfabrik von Jakobi zu besichtigen. Daß man auch der vaterlän dischen Bachusgabe und der Meißner „Fummeln" nicht vergessen wird, ist selbstverständlich. — Wir machen darauf aufmerksam, daß in diesen Tagen die Erneuerung des Abonnements für alle durch die Post zu beziehenden Zeitungen, Journale rc. zu erfolgen hat, wenn nicht Unterbrechung in der Zu sendung erfolgen soll. ° Glashütte. Die vom hiesigen Gewerbe verein veranstaltete Feier zum 100jährigen Ge burtstage Humboldt's hatte ein zahlreiches Pu blikum nach dem Vereinslocale gezogen, das zu diesem Zwecke geschmackvoll decorirt war; insbesondere hatte eS sich der Vorstand und der Festausschuß des Vereins angelegen sein lassen, Humboldt's Büste sinnig, inmitten von Pflanzen, Erzen, Muscheln, astronomischen Instru menten rc. aufzustellen, so daß das lorbeerumkränzte Haupt einen schönen feierlichen Eindruck machte, wozu die gute Beleuchtung nicht wenig beitrug. Die Feier begann mit dem, vom Männerquartett vorgetragenen Liede: „Durch Nacht zum Licht," von Wolfram, dem sich das schöne in der „Gartenlaube" enthaltene Fest gedicht von E. RitterShauS, vorgetragen von Herrn Lehrer Apt, anschloß. Hierauf hielt Herr A. Lange die Festrede in gewohnter Ausführlichkeit und Klarheit, indem er zunächst Humboldt's Eltern, Familienleben, Erziehung und seine weitere Biographie in eingehender Weise entwickelte. Vor Allem aber führte der Vor tragende die ganze Bedeutung Humboldt's für die Cul- turentwickelung des Menschengeschlechtes nach allen Richtungen hin klar und mit Wärme vor Augen, die vollkommen zu würdigen der Nachwelt Vorbehalten sei. Redner schildert: wie segenbringend Humboldt unserer Zeit und unserem Volke gewesen, wie er die Welt nach allen Richtungen durchforscht, neue Zusammenhänge entdeckt, neue Wissenschaften gegründet; wie er die großen Arbeiten eines CopernicuS, Keppler und Newton durch Erkennung der schaffenden, erhaltenden und be lebenden Kräfte und Gegenkräfte der Natur, und be sonders von unserm Erdbälle, vervollständigte; ferner sein erfolgreiches Streben, die Gegensätze im deutschen Volksgeiste zu vermitteln, die Gegensätze zwischen Aeußer- lichkeit und Innerlichkeit, durch Entfaltung aller sinn lichen und geistigen Kräfte der menschlichen Natur. Weiter erwähnte Redner, wie Humboldt die Natur wissenschaften als Ganzes auffaßte, in sie Einheit und Verständniß schuf und darnach strebte, sie in unmittel bare Berührung mit dem Volksleben zu bringen und sie als eines der bedeutendsten Volksbildungsmittel zu erheben, wie er endlich die Naturwissenschaft zu dem größten Volksbildungsmittel für Volkswohlfahrt, Ge sittung und Freiheit machte, und somit mächtig auf die veränderte Weltanschauung einwirkte. Herr Lange er wähnte ferner Humboldt's große Forscherreise nach den Tropenländern des südlichen Amerika'«, wo er, hier, wo Klimata sich gewissermaßen über einander schichten, das große Ganze der Schöpfung in vollem Reichthum kennen lernte. Hier verweilte Humboldt 4 Jahre und stellte mit seinem Freunde seine großen Entdeckungen und Forschungen, vor Allem über VulcanismuS und Erd- Magnetismus an. Zurückgekehrt nach Europa, unter nahm Humboldt auf Aufforderung des Kaisers von Rußland eine neue Forscherreise durch dieses große wenig cultivirte Land, drang bis zu den äußersten Gren zen Sibiriens vor und forschte hier dürch den Besuch der Gruben und Schächte nach dem Mineralreichthum des Landes. Er wendete so mit unermüdlichem Eifer seine Forschungen der Innen- und Außenwelt zu und führte dadurch die Wissenschaft, die sonst nur Eigenthum der Gelehrten, in's Volk über. Schließlich beleuchtete Redner noch das große Werk Humboldt's, seinen „Kos mos," der in edler, begeisterter Schrift die Erfahrungen und Weltanschauungen birgt, die der große Forscher im Laufe seines reichen bewegten Lebens gesammelt. Nachdem dem Redner für seinen gediegenen ein stündigen freien Vortrag reicher Beifall gezollt, folgte ein von Herrn Rich. Lange vorgetragenes Gedicht, und mit dem vom Männerquartett gesungenen Liede: „Ver trauen," von Zöllner, schloß das schöne Fest.