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s. Juli 18«s. M 51 /reilag. Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstalten. Weißerih-Ieitung. Preis pro Quartal 10 Ngr. Inserate die Spalten-Zeile 8Pfg. Ms- und Anzeigt-Matt der Königlichen Gerichts-Ämter und Stadtrüthe zu Dippoldiswalde und /rauenstein. Verantwortlicher Nedacteur: Tart Zehne in Dippoldiswalde. Die neue Gewerbeordnung des nord deutschen Bundes. (Fortsetzung.) Ueber die Verhältnisse der Gesellen, Lehrlinge und Fabrikarbeiter enthält die Gewerbeordnung zu nächst im Allgemeinen folgende Anordnungen: Die Festsetzung der Verhältnisse zwischen den selbst ständigen Gewerbetreibenden und ihren Gesellen, Ge- hülfen und Lehrlingen ist Gegenstand freier Ueber- einkunft. Zum Arbeiten an Sonn- und Festtagen ist, vorbehaltlich der anderweitigen Vereinbarung in Dring lichkeitsfällen, Niemand verpflichtet. Die nach den Landesgesetzen zuständige Behörde hat darauf zu achten, daß bei Beschäftigung der Lehr linge gebührende Rücksicht auf Gesundheit und Sittlich keit genommen und denjenigen Lehrlingen, welche des Schul- und Religionsunterrichts noch bedürfen, Zeit dazu gelassen werde. Jeder Gewerbeunternehmer ist verbunden, auf seine Kosten alle diejenigen Einrichtungen herzustellen und zu unterhalten, welche mit Rücksicht auf die besondere Be schaffenheit des Gewerbebetriebes und der Betriebsstätte zu thunlichster Sicherung der Arbeiter gegen Gefahr für Leben und Gesundheit nothwendig sind. Das Verhältniß zwischen den Arbeitsgeber und den Gesellen oder Gehülfen kann, wenn nicht ein An deres verabredet ist, durch eine, jedem Theile freistehende, vierzehn Tage vorher erklärte Aufkündigung aufge löst werden (vorbehaltlich der in dem Gesetz festgestellten Gründe zur Auflösung des Verhältnisses ohne Kündigung). Beim Abgänge können die Gesellen und Gehülfen ein Zeugniß über die Art und Dauer ihrer Beschäf tigung fordern, welches auf Antrag der Betheiligten und, wenn gegen den Inhalt sich Nichts zu erinnern findet, von der Gemeindebehörde kosten- und stempelfrei zu beglaubigen ist. Dieses Zeugniß ist aus Verlangen der Gesellen und Gehülfen auch auf ihre Führung aus zudehnen. Die gesetzliche Verpflichtung zur Führung von Arbeitsbüchern ist aufgehoben. Gesellen und Gehülfen sind in der Wahl ihrer Meister oder Arbeitsgeber unbeschränkt. Eine Verpflich tung zum Wandern findet nicht statt. Auf Unter stützung von Seiten der Gewerbegenossen haben wan dernde Gesellen und Gehülfen keinen Anspruch. Von der Befugniß, Lehrlinge zu halten, sind aus geschlossen Diejenigen, welchen wegen anderer, als politischer Verbrechen oder Vergehen der Vollgenuß der staatsbürgerlichen Rechte entzogen ist, für die Zeit der Entziehung, sofern sie nicht in diese Rechte wieder eingesetzt, oder welche wegen Diebstahls oder Betruges rechtskräftig verurtheilt worden sind. Der Lehrherr muß eS sich angelegen sein lassen, den Lehrling durch Beschäftigung und Anweisung zum tüchtigen Gesellen auszubilden. Er darf dem Lehrlinge die hierzu erforderliche Zeit und Gelegenheit durch Ver wendung zu anderen Dienstleistungen nicht entziehen. Der Lehrherr muß bemüht sein, den Lehrling zur Ar beitsamkeit und zu guten Sitten anzuhalten und vor Lastern und Ausschweifungen zu bewahren. Der Lehr ling ist der väterlichen Zucht des Lehrherrn unterworfen und in Abwesenheit des Lehrherrn auch dem denselben vertretenden Gesellen oder Gehülfen zur Folgsamkeit verpflichtet. In Betreff der Fabrikarbeiter sind unter An derem noch folgende besondere Bestimmungen erlassen: Kinder unter zwölf Jahren dürfen in Fab riken zu einer regelmäßigen Beschäftigung nicht ange nommen werden. Vor vollendetem vierzehnten Lebensjahre dürfen Kinder in Fabriken nur dann beschäftigt werden, wenn sie täglich einen mindestens dreistündigen Schulunterricht in einer von der höheren Verwaltungsbehörde geneh migten Schule erhalten. Ihre Beschäftigung darf sechs Stunden täglich nicht übersteigen. An Sonn- und Feiertagen, sowie während der von dem Seelsorger für den Katechumenen- und Confirmanden-Unterricht bestimmten Stunden, dürfen jugendliche Arbeiter nicht beschäftigt werden. Der Arbeitgeber hat über die von ihm beschäf tigten jugendlichen Arbeiter eine Liste zu führen, welche deren Namen, Alter, Wohnort, Eltern, Eintritt in die Fabrik und Entlassung aus derselben enthält, in dem Arbeitslocale auszuhängen und den Polizei- und Schul behörden auf Verlangen in Abschrift vorzulegen ist. Die Annahme jugendlicher Arbeiter zu einer regelmäßigen Beschäftigung darf nicht erfolgen, bevor der Vater oder Vormund derselben dem Arbeitgeber ein Arbeitsbuch eingehändigt hat. Junge Leute, welche das vierzehnte Lebensjahr zu rückgelegt haben, dürfen vor vollendetem sechszehnten Lebensjahre in Fabriken nicht über zehn Stunden täg lich beschäftigt werden. Zwischen den Arbeitsstunden muß den jugendlichen Arbeitern Vor- und Nachmittags eine Pause von einer halben Stunde und Mittags eine ganze Freistunde, und zwar jedesmal auch Bewegung in der freien Lust gewährt werden. Die Arbeitsstunden dürfen nicht vor 5*/, Uhr Morgens beginnen und nicht über 8 ^/r Uhr Abends dauern.