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— 178 — worden, welche die vielfachen Fehler und Mängel der Privatversicherungsanstalten in Deutschland, gegenüber dem Rechte der Versicherten, scharf zergliedert und die Nothwendigkeit einer Neugestaltung des deutschen Ver sicherungswesens darlegt. Bei der hohen und allge meinen Wichtigkeit der Sache empfiehlt sich diese Schrift den Handelsgremien, Industriellen und dem betheiligten Publlkum überhaupt. Berlin. Dem Bundesrath des Zollvereins ist vom Vorsitzenden ein neues VereinSzollgcsetz nebst einer darauf bezüglichen Denkschrift vorgelegt worden. Das Bedürfniß einer Revision der Zollgesetzgebung ist sowohl von Seiten der Vereinsregierungen anerkannt, als auch vom Zollparlament angeregt worden. Als Ziel derselben gilt allseitig die Vereinfachung der Zoll- controle und die Erleichterung der Zollabfertigung. Paris. Seit dem Jahre 1865 ist in Lothringen ein deutschfeindliches Regierungsprogramm zur Ver breitung der französischen Sprache in den zahlreichen deutsch redenden Gemeinden in Wirksamkeit. Der deutsche Schreibuntericht ist ganz unterdrückt worden. Die Schulzen und Pfarrer der verschiedenen Ortschaften haben längst dagegen Einsprache erhoben und die Beibehaltung des deutschen Lese-, Schreib- und Religionsunterrichts ver langt, bis jetzt aber nur ausweichende Antworten erhalten. London. Die hier erscheinende, ehemals von Gottfried Kinkel redigirte Zeitung: „Hermann" wendet sich mit sittlichem Zorn gegen den Inhalt der preußen feindlichen Welfenschrift: „Wer ist der wahre Erbfeind Deutschlands?" „Mit Entrüstung", sagt ungefähr dieses sonst nichts weniger als für Preußen eingenommene Blatt, „haben wir das Treiben der von den gestürzten Fürsten bezahlten Hurrahschreier gehört«; aber nichts hat uns mehr von der Fäulniß dieses hannöversche» Fürstengeschlechtes und der Characterlosigkeit seiner journalistischen Handlanger überzeugt, als dieses neueste Product, welches den frechsten Vaterlandsverrath zn Gunsten der Welfen predigt und einen französischen Ein fall als ein nothwendiges Uebel preist." Der „Her man" spricht die Hoffnung aus, daß die englische Presse und englische Parlamentsmitglieder sich nicht durch ein so schimpfliches Machwerk täuschen lassen werden. Deroni. Eine Walddorf-Geschichte, erzählt von C. W. (Fortsetzung.) Der zur Reise nach der Stadt anberaumte Morgen war gekommen, und der Schulmeister mußte die Tochter nicht nur drängen, sich fertig zu machen, sondern auch aus ihrer Garderobe die Kleidungsstücke herbeibringen, die sie anziehen sollte. — Ohne ein Wort dagegen ein zuwenden , ohne eine Thräne zu vergießen, willenlos und stumm that sie Alles, was man von ihr begehrte. Der Vater stand da in seinem besten Sonntagshabit. Steife, bis an die Kniee reichende Stiesel, in welche schwarze Manchesterhosen ausgenommen waren, ein blauer Tuchrock, eine bunte seidne Weste, eine schwarze Halsbinde, über welche eine weiße Unterbinde einige Linien breit hervorragte und den Hals so dick machte, daß er mit dem Gesicht eine gleiche Fläche bildete; ein hoher Filzhut, der sich nach oben erweiterte, und dessen Haare in der obcrn Hälfte aufwärts ge strichen waren, machten den Festanzug des Schulmeisters aus. Ein dickes spanisches Rohr mit einem weißen beinernen Knopf zeigte an, daß der Putz nicht für die Kirche, sondern für einen Gang in die Stadt angethan sei- Beroni prangte in ihren besten Kleidern. Das Münchener Riegelhäublein war heute golden, das Busentuch roth mit grünen Streifen und Franzen; um den Hals wand sich eine vielstränige Silberkette mit breiter Schließe vorn, und das Mieder war ganz mit silbernen Ketten und Haften bedeckt, so daß der schwarze Sammet desselben nur an den Seiten und auf dem Rücken gesehen werden konnte. Die Aermel des Kleides, das von geblümten Kattun war, kamen aus dem schwarzen Mieder hervor, wie eine buntfarbige Tiegerlilie aus ihrem Kelche, und eine Schürze von gelb und grün schillerndem Seidenzeuge, über dem man die schnee weißen corduanledernen Schuhe gar nicht mehr in Be tracht zog. Daß die Gesichtsfarbe durch die Thränen und Schmerzen der jüngsten Wochen von ihrer natür lichen Röthe und Frische etwas verloren hatte, erhöhte fast die Schönheit Veroni's und ließ den schwarzen Glanz ihrer Augen um so mehr hervorbrechen. Mit Wohlgefallen betrachtete die Mutter das Mädchen; aber die Gleichgültigkeit und Kälte, mit welcher Veroni dastand, brachten jene zu lautem Weinen. „Was soll dieß Geheul?" fragte der Schulmeister in einem barschen Tone, durch den er eine innere Be wegung unterdrückte, die sich seiner bemächtigen zu wollen schien. „Nimm „B'hüt' Gott" bei der Mutter und komm'!" so sprach er in etwas milderer Weise zur Tochter und ging zur Thüre hinaus. Veroni reichte der weinenden Mutter die Hand und folgte dem Vater. Der Weg nach der Stadt führte zuerst durch Ge treidefelder, die der Ernte ganz nahe standen; dann kam eine Haide, auf welcher nur hier und da eine Wachholverstaude sich zeigte; endlich nahm die stummen Wanderer ein Wald auf. — Gebüsche wechselten da mit großen Waldbeständen von Tannen und Fichten, welche in den engen Weg nur soweit das Licht des Tageö hereinfallen ließen, daß eine unheimliche Däm merung herrschte. Todtenstille umgab die beiden Reisenden, und nur hier und da ließ sich das Gekrächze eines Raben von dem Gipfel einer hohen Tanne herab ver nehmen, oder beurkundete das knisternde Herabfallen von Schuppen der Tannenzapfen, daß ein Eichhörnchen in diesem Waldesdunkel seine Mahlzeit halte. Daß der Schulmeister lebhaften Gedanken nach hing, konnte man an seinen Handbewegungen oder auch daran wahruehnien, daß er hie und da brummende Laute von sich gab. Dagegen schien seine Tochter ganz gedankenlos neben ihm einher zu gehen; nur fuhr sie manchmal ganz erschreckt zusammen, wenn der Flügelschlag eines größeren Vogels durch die Zweige hin oder der Sprung eines Eichhorns von einem Gipfel zum andern einige Bewegung verursachte. Der Vater konnte da die Stille und Schweigsam keit unterbrechen, indem er das eine Mal in sanftem Tone sprach: „Du bist ja gar erschrocken!" das andere Mal mit verweisender Stimme fragte: „Na waS giebt's denn, daß Du so zusammenfährst!?" — Eine halbe Stunde lang mochten sie so im dunkeln Walde hingegangen sein, als zur linken Seite eine