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18. Weißeritz-Ieitmlg Freitag. Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen vurch alle Post- anstaiten. Amts- vitd Anzeige-Klatt der Königlichen Gerichts-Ämter and Sta-träthe zu Aippoldismaldt, /raoensteiv vnd Altenberg. 3 Marz 1865 Preis pro Quartal 10 Ngr. Anserate di« Spalten-Zeile 8 Psg. Verantwortlicher Redacteur: Carl Jebne in Dippoldiswalde. Tagesgeschiehte. Dippoldiswalde. Die Vorlesungen des Herrn l)r. Scheve über Phrenologie scheinen durch die bis jetzt erfolgten Anmeldungen zur Theilnahme an den selben so ziemlich gesichert. Dennoch ist es sehr wün- schenSwerth, daß Alle, welche dieselben zu besuchen gedenken, dies in der Exped. d. Bl. baldigst anmelden. DaS Honorar für alle drei Vorlesungen beträgt L Person nur 10 Ngr.; FanrilienbilletS (für 3—4 Per sonen) 20 Ngr. Dieser geringe Preis wirb gewiß zur allgemeinsten Theilnahme an diesen höchst interessanten Vorträgen auffordern. — Die eingetretene milde Witterung bat unsere Weißeritz, wie die Bäche, Gräben re., zu ansehnlichem Steigen gebracht, und auf Feldern und Wiesen ist Wasser in binreichender Menge. Auch die Staare, die ersten Frühlingsboten, sind eingezogen und an ver schiedenen Orten beobachtet worden. — In Possendorf verunglückte vor Kurzem der Bergmann Börnert im dortigen Steinkohlenschachte, und wurde ihm besonders das rechte Bein zerquetscht. Im allgemeinen Krankenhause zu Dresden ist er ge storben und wurde am Dienstag begraben, wobei ihm unter Bortritt des Obersteigers 30 Bergleute in neuer Uniform das letzte Geleit gaben. Berlin. Die Bedingungen, welche Preußen zur Ordnung der schleswig-holsteinischen Angelegenheit ge stellt und nach Wien gesendet hat, sind noch unbekannt. Die Idee der Annexion wird natürlich eine Hauptrolle spielen; vielleicht sind die übrigen Forderungen beschei dener als früher. Preußen hat Schleswig-Holstein befreit; es kann dies aber nicht dulden und nimmt die Festungen, Häfen, Kanäle, Landstraßen, die Flotte, militärische Verwaltung rc. in seine Hand. Friedrich VIII. mag also sehen, was aus ihm wird. Es ist wirklich zum Verzweifeln. Braunschweig. Aller menschlichen Voraussicht nach ist der jeßt regierende Herzog Wilhelm der letzte Herzog von Braunschweig; nach seinem Tode wird das Land von Rechts wegen an die jüngere Welsen linie, an das königliche Hau» von Hannover, fallen. Natürlich hat auch Preußen große Rechte daran und streitet sich deswegen mit Hannover. Paris. Kaiser Napoleon übergiebt gegenwärtig der Welt ein literarisches Werk, an welchem er lange, und wie es scheint mit großer Liebe, gearbeitet hat, und welche«, wie schon aus dem bisher bekannt Ge wordenen kervorgeht, nicht blos eine wissenschaftlich literarische, sondern auch eine politische Bedeutung in Anspruch nehmen darf: es ist da» „Leben des Julius Cäsar," welches gleichzeitig in einer aukorifirten deut schen Uebersetzung erscheint. Da das Werk drei Bände stark und von einem Atlas von 50 Karten begleitet ist, so enthält es vermutblich vielen gelehrten und antiquarischen Stoff, welchen herbeizuschaffen sich der Kaiser ohne Zweifel mehrerer gelehrter Hilfsarbeiter bedient hat. Napoleon glaubt sich berufen, das Werk seine« großen OheimS zu vollenden, und dieser selbst gilt ihm und galt sich selbst für den Erneuerer des politischen Systems Julius CäsarS. Die Geschichte des Julius Cäsar stndiren, ist daher für Napoleon IU soviel als seinen eigenen weltgeschichtlichen Beruf studi- ren, und so wird sein Werk in einem gewissen Sinne als ein Programm der kaiserlich napoleonischen Politik betrachtet werden können. Daß der Kaiser selber es so angesehen wissen will, hat er dadurch bewiesen, daß er die Vorrede des Buchs durch den „Moniteur" und einige officiöse Zeitungen veröffentlichen läßt. Unsere Blätter tbeilen dis jetzt nur den Schluß derselben mit, der auch hier eine Stelle finden möge: „Der Zweck dieses Werkes ist, zu beweisen, daß, wenn die Vorsehung Männer erweckt, wie Casar, Carl den Großen und Napoleon, sie den Völkern den Weg, welchen sie verfolgen müssm, vorzeichnen, mit dem Siegel ihres Genies eine neue Aera be zeichnen und in wenigen Jahren die Arbeit mehrerer Jahrhun- dete vollenden will. "Glücklich die Völker, welche sie verstehen und ihnen folgen! Unglücklich die, welche sie verkennen und be kämpfen ! Sie handeln, wie die Juden, sie kreuzigen ihren Mes sias: sie sind blind und schuldvoll: blind, denn sie bemerken nicht die Machtlosigkeit ihrer Bemühungen, um den endlichen Triumph des Guten hmauszuschieben, schuldvoll, denn sie verzögern den Fortschritt, indem sie dessen schneller und fruchtbringender An wendung Hindernisse in den Weg legen. Weder die Ermordung Cchar's, noch die Gefangenschaft von St. Helena konnten ohne Rückkehr zwei populäre Sachen ver nichten, welche von einem sich mit der Maske der Freiheit be deckenden Feinde umgestürzt worden. Indem Brutus Cäsar er mordete, stürzte er Rom m die Schrecknisse des Bürgerkrieges. Das Scherbengericht der Verschworenen Europa's gegen Napoleon hat die Wiederauferstehung des Kaiserreichs ebenfalls nicht ver hindert. — Deshalb bewahrheitet sich auch seit 1615 jeden Tag die Prophczeihung des Gefangenen von St. Helena: „Wie viel« Kämpfe, wie viel Blut, wie viele Jahre werden noch nöthig sein» damit das Gute, welches ich der Menschheit erweisen wollte, sich verwirklichen kann." Tuilerienpalast, den 20. März 1862. Napoleon. Fürwahr, denkwürdige Worte, werlh, von Denen beherzigt zu werden, welchen die eigene Friedensliebe den Wahn einredet, als trachte Napoleon nur noch, im Schatten der Lorbeer» von Gebastopol und Solfe- rino ruhend, seinem Sohne die Nachfolge auf dem Kaiserthrone, Europa aber den Frieden und da« Gleich gewicht der Nationen zu erhalten. Uns scheint, Napo leon Hl. gedenkt noch manchen Schlag zu führen, um „das Gute" zu verwirklichen, welches Napoleon l. der Welt erweisen wollte.