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ri Pieichog. Erscheint Dienstag» und Freitags. Zu beziehen vurch alle Post anstalten. 15. September 1863. Werßerch-Zertirng. GL Amts- »ad Anzeige-Klatt der Kölliglichen Gerichts-Ämter avd Stadträthe zu Dippoldiswalde, Frauenstem and Attenberg. Verantwortlicher Redacteur: Carl Zehne «n Dippoldiswalde. - - - - - —— ----- - Wochen-Rundschau. Das wichtigste Ereignis der letzten Woche ist die Aus lösung des preußischen Abgeordnetenhauses und die feindliche Stellung, welche die preußische Regierung zu dem Frankfurter Reformwerke nimmt. Alle Welt weiß, daß der König von Preußen von dem Kaiser von Oesterreich ebenso, wie die übrigen deutschen Monarchen, eingeladen war, in Frankfurt mit zu berathen, daß unser König ihm ein von allen deutschen Souveränen unterzeichnetes Einladungsschreiben nach Baden-Baden brachte und dies mit persönlichen Vor stellungen begleitete, daß endlich dem Könige von Preußen die angenommene Resormakte nebst den Protocollen mit einem abermaligen Einladungsschreiben in höflichster Form übermittelt worden ist, — und dennoch sagt das preußische Gesammt- Ministerium in einem Vortrage an den König: „es müsse ihm die Auflösung der preußischen Abgeordnetenkammer um so dringender anrathen, nicht blos deshalb, weil dieselbe ver sucht habe, in die verfassungsmäßigen Rechte der Krone ein zugreifen, sondern auch deshalb, weil aus dem Gebiete der deutschen Bundesverfassung Bestrebungen zu Tage getreten seien, deren unverkennbare Absicht es sei, den: preußischen Staate diejenige Machtstellung in Deutschland und Europa zu verkümmern, welche das preußische Volk sich um keinen Preis werde nehmen lassen. Das preußische Volk werde bei den Neuwahlen zeigen, daß es alle Meinungsverschiedenheiten ver gessen werde, wenn es gelte, einem Versuch zur Beeinträch tigung der Unabhängigkeit und Würde Preußens zu begegnen!" So ist denn das preußische Abgeordnetenhaus am 2. Septbr. ausgelöst, und es sind binnen zwei Monaten Neuwahlen an geordnet. Die deutschen Fürsten werden nicht wenig erstaunt sein, daß ihnen ohne alle nähere Begründung durch jene Behaup tungen Absichten untergelegt werden, die sie sicher nicht gehabt haben, und daß die Frankfurter Einheitsbestrebungen den Grund hergeben sollen zur Auflösung der preußischen Kammer. Augenscheinlich hat sich Bismarck von Neuem in der Gunst seines Herrn festgesetzt und mit ihm die Feudal - und Militärpartei, welche spezifisch altpreußisch gesinnt sind. That- sache ist, daß in Preußen und Oesterreich Minister am Ruder find, die sich gründlich Haffen und einander alles nur mögliche Gute thun möchten. Daß diese erklärte Feindschaft der bei den Großmächte Deutschland nimmer zum Heile gedeihen kann, ist unschwer einzusehen. Preußen wird nun seinen Halt nicht naturgemäß in Deutschland suchen, sondern nach Rußland und Frankreich blicken, wo es Rückhalt gegen Oesterreichs Bestre bungen zu finden meint. Wäre Bismarck thatkrästiger, als er ist, und fände er Unterstützung bei dem preußischen Volke, so könnte man sagen: wir treiben einem deutschen Bürgerkrieg entgegen, den wir aber noch nicht fürchten. Daß Preußen dem Frankfurter Resormplan nun aus keinen Fall zustimmt, sondern Alles aufbieten wird, ihn zu bekämpfen, liegt auf der Hand. Ebenso glauben wir, an nehmen zu dürfen, daß Oesterreich und seine Verbündeten Alles aufbieten werden, das Frankfurter Reformwerk in Ausführung zu bringen. Da ohne Preußens Beitritt das Reformwerk nur auf Grund eines Paragraphs der Bundes acte gegründet werden kann, welcher von Separatbündnissen der Mitglieder handelt, so folgt daraus, daß neben den neu zu gründenden Repräsentationskörperschaften auch noch der alte Bundestag wird in Thätigkeit bleiben müssen, dessen Wirksamkeit bei der erklärten gegenseitigen Feindschaft Oester reichs und Preußens ungemein schwierig werden wird, und daß in dem neuen Frankfurter Bündniß Oesterreich, wenn Preußen ausgeschieden bleibt, ein bedenkliches Uedergewicht erhalten dürfte. ? Das sind aber noch nicht die einzigen Wirren, denen Deutschland zutreibt. Die handelspolitische Frage über Bestand des Zollvereins, über Oesterreichs Bei tritt wird in verstärktem Maaße zu Tage treten. Täuscht nicht Alles, so ist zwischen Oesterreich und den Mittelstaaten über Conceffionen und Gegenconceffionen in dieser Hinsicht berathen worden. Preußen wird auf seinem Standpunkte beharren, und die neuen Zollcomferenzen, die von der einen Seite nach Berlin und von der anderen nach München ausgeschrieben sind, werden den Riß kaum heilen. Der feindliche Gegensatz zwischen Oesterreich und Preußen wird auf die ganze politische Gestaltung von Europa Einfluß haben. Was zunächst die dänische Frage betrifft, die durch die neueste Note Dänemarks an den Bundestag völlig spruch reif ist, und die Dänemark unzweideutig in ihrer Ausführung als einen Kriegsfall ansieht, weshalb sic auch ein Schutz- und Trutzbündniß mit Schweden geschloffen hat, so glauben wir, sie werde jetzt bei Seite gelegt werden; man wird wahrscheinlich nach der Brücke neuer Verhandlungen greifen, um Preußen und möglicher Weise Frankreich nicht Gelegenheit zu Einsprüchen zu geben. Preußen ist bemüht, eine Verständigung mit Frankreich anzubahnen und eine Mianz mit Rußland und dem französischen Kaiserthume zu schließen. Auch eine Ausgleichung Frankreichs mit Rußland ist aus dem besten Wege, wofür Preußen als Vermittler sehr thätig sein Wird, da es bei Rußland gut angeschrieben steht. In Berlin hat am 6. Septbr. die Eröffnung des sta tistischen Congresses, der aus verschiedenen Gegenden Deutschlands besucht ist, stattgefunden. — Die preußischen Blätter, soweit sie unter der gegenwärtigen Preßordonnanz sich aussprechen können, sind gegen die Auflösung des Ab geordnetenhauses, das wohl zum größten Theil bei der Neu wahl seine vorigen hervorragenden Mitglieder wieder sehen wird. Die Regierung wird bei der Einschüchterung der Presse alles Mögliche aufbieten, Leute ihrer Gesinnung durchzusetzen. Das wird ein sehr erbauliches Stück geben.