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M 5». Dienstag. Erscheint Dienstags und> Freitags. Zu beziehen durch alle Post anstalten. Weißeritz-Zeitung. Ms- md Meige-DM der Miglichen Gcrichls-Iemtee «id St«»lr«tze M DixpoMdwatde, Frmtdsteiii md Minderst 4. Aii^est 18«3. Preis L i.) pro Quartal ' 10 Ngr Iuseräte die * Spalten-Zeile „ . _ , « Pfg. ' Verantwortlicher Nedacteur: Carl Ä-ehne in Dippoldiswalde. Tagesgeschichte. Dippoldiswalde. Wir freuen uns, schon in dieser Nummer den Lesern einen kurzen Bericht über den Verlauf des ersten Tages beS in Leipzig statt findenden dritten deutschen Turnfestes geben zu können. Im Allgemeinen muß man sagen, daß ein gleiches Fest gewiß noch nicht gefeiert wurde, ja daß eS nirgends je wird in dieser Weise gefeiert werden können, daß es somit den Kulminationspunkt in jeder Beziehung erreichte. Keine andere Stadt vermag auch Das zu bieten und aufzuwcnden, was Leipzig ge- than. Die Stadt ist überaus reich geschmückt mit Fahnen, Guirlanden, Festons, Drapirungen rc., und die Straßen namentlich, welche der Festzug (am Mon tag) berührt, gleichen einem Walde von Fahnen, unter denen die deutschen Farben am meisten vertreten sind. Die Grimmaische Straße mit dem großen prachtvollen Feston beim Conditor Felsche, der Markt mit dem reizend geschmückten Rathhause, die Petersstraße mit doppelten Säulengängen aus Laubgewinben, die Hain-, Catharinen-, Nicolai-, Reichsstraße, der Brühl, ja man kann wohl sagen, alle Straßen haben gewett eifert, sich am schönsten zu schmücken. Das Schützen haus bot noch nirgends gesehene Neuheiten im Schmuck und Illumination. (Das Augusteum und die Post waren die einzigen Gebäude, die wenig nur geziert waren, und fielen deshalb auf; das erstere hatte außer mehreren Guirlanden auch einige Fähnchen auSgesteckt.) Der Empfang der mit jedem gewöhnlichen und circa 6 Eztrazügen am Sonnabend ankommenden Turner war wirklich herzerhebend- wie schon am Bahnhof Riesa, so wurden auch in Leipzig von schönen Händen unter Wehen von Tüchern viele tausende von Blumen sträußchen unter die Einziehenden vertheilt und freudig genommen. Und es war eine Lust, die kräftigen Ge stalten, ganz besonders aber die Oesterreicher, Böhmen, Mähren, die Pommern und Schlesier, zu schauen, und leider müssen wir sagen, daß unser Sachsen wenig solche zeigen konnte, ja daß sie gewaltig gegen diese abstachen. Die Polizei war während des ganzen Festes faktisch nicht im Dienst, da sie ihre Obliegenheiten an die dazu deputirten , durch Zeichen am Arm kenntlichen Turner abgetreten hatte, und diese versahen dies schwierige Amt in ausgezeichneter Weise, mit großer Zuvorkom menheit und bewunderungswürdiger Geduld. Es ist auch bei den Unmassen anwesender Fremden (am ersten Tage wenigstens) nicht die geringste Unordnung, viel weniger ein Ezceß vorgekommen. Das Wetter war so recht eigentliches Festwetter: nicht zu heiß, doch sonnig und klar. Im Saale des Schützcnhauses waren die vielen Hunderte der großentheils prachtvollen Fahnen herrlich gruppirt, und hoch über alle hing die, leider immer noch schwarz umflorte der SchleSwig-Holsteintt. Wir wollen nur kurz erwähnen Vie enthusiastischen Hochs, die den in Gruppen ziehenden wackern TurnerSleutta gespendet und mit lautem Gut Heil! erwjedert wurden, die herzlichen Begrüßungen alter Bekannter, die sich hier trafen, — mit einem Worte den unermeßlichen Jubel, in den Alles in Leipzig einstimmt, Die Fest halle, ein wahrer Prachtbau mit überreichem Schmuck, und die unübersehbaren Turnplätze mit den tausend Geräthen, die Tribünen für Zuschauer rc. haben wir früher geschildert. 6000 Menschen aßen Mittag- 1 Uhr in der Festhalle — ein Mahl, welches iu solcher Ausdehnung schwerlich wohl wieder vorkommen dürfte. ES befriedigte in jeder Hinsicht. Man kann sich einen Begriff von dem Raume machen, wenn man hört, daß die an den Gallerten der beiden Enden postirten 2 Musikchöre ost zu gleicher Zeit concertirten, in der Mitte aber noch aus der Rednerbühne die allerdings nicht weit verständlichen Redner zu den Umstehenden sprachen. Der erste Toast galt Sr. Matz, dem König, der zweite der Stadt Leipzig; in außerordentlich ansprechenden und bejubelten Worten brachte Herr Staatsminister v. Beust ein Hoch auf das Fest, „in sofern es einen schönen Beitrag tiefere auf die zu er strebende deutscheEin tracht." Hrn. Rod. Benediz' Worte galten dem deutschen Vaterlande; ein Süd deutscher feierte die Frauen und Jungfrauen Leip zigs und spendete ihnen Alpenrosensträußchen, brachte dann noch ein Hoch auf Schles wig-Holstein; wem die Worte des preuß. Abgeordneten Virchow und des Prof. Roßmäßler galten, konnten wir nicht vernehmen und erfahren ; Hr. Ur. Heiner aus Leipzig gedachte der deutschen Jugend mit einem Gut Heil! Herr Fecht aus Leipzig brachte einen Toast auf das schwarz- roth-goldne Bannet; Hr. vri Kirsten aus Bremen aus die Schweizer; Hr. Ur. Steiget au» Gratz auf die 4b der Turner. Biele der Sprecher «ar«» — so sehr „gehoben" war die Stimmung aller Theilneh- mer — selbst den dicht unter der Rednerbühne sitzenden Stenographen unverständlich, und bei diesem Umstande und bei vorgerückter Zeit schloß Bürgermeister Koch die Festtafel gegen '/,5 Mr. . DaS hierauf auf dem großen freien Platze vor der Halle gegebene Concert ging, gleich dem ErSff- nungSconcert, für Viele verloren, da es nicht vttnoM« men werden konnte; man zog auch vor, ruhig den delicaten Birrstoff aus Plauen mit vertilgen zu helfen. Abends 7 Uhr in der Festhalle großes Jnstrumental- und Gesangscoucert von 1000 Leipziger Sängern. — WaS von nun an weiter und an den folgenden Tagen