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M SN. Weißerih-Ieitung 13 M»rz 1863 K-K pro Quartal IN Ngr. Inserate die Spalten-Zeile 8 Pfg. Freitag. Erscheint Dienstags und i Freitags. Zu beziehen durch alle Post anstalten. Amts- und Anzeige-Matt der Königlichen Gerichts-Ämter nvd Stadträthe zn Dippoldiswalde, /ranenflein nnd Altenberg. Verantwortlicher Redacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. - 7 7^,^- - --l-j-------- , Wochen-Rundschau. Preußen bat immer noch den beneidenSwerthen Ruhm, der meistbesprochendste Staat in Europa zu sein. Herr von Bismarck hat durch seine ungeschickte Politik, durch seine, Rußland fast aufgcdrungene Con vention, Schuld, daß das preußische Volk, wie alle Gebildeten und wie die auswärtigen Großmächte, höchst aufgebracht über ein Verfahren sind, wodurch unglück liche polnische Flüchtlinge ihren Henkern ausgeliefert werden. Tadelnde Noten sind von England und Frankreich eingetroffen und nun fängt Herr v. Bismarck an, „zurückzufußen," indem er sagt, es sei gar nicht wahr, daß er mit Rußland eine Convention abgeschlossen habe, und doch strafen die Thatsachen den Minister geradezu in's Gesicht. Die böse Presse, das böse Abgeordnetenhaus ist allein schuld, nach Hrn. v. Bis marck, an dem üblen Gerede, in das Preußen gekommen. Er erklärte in einem Schreiben an die Stettiner Kauf mannschaft, die sich über das massenhafte Einrücken preußischer Militärs beklagt hatte, „daß die Bedeutung der jüngsten Verabredungen (dahin ist die Con vention schon znsammeiigeschmolzen) entstellt, deren Tragweite übertrieben sei. Diese Uebertreibungen seien von der Presse angeregt und durch die Verhand lungen des Abgeordnetenhauses gefördert worden." Die englische Riesenzeitung „Times" schreibt über die Haltung des preußischen Abgeordnetenhauses: „Die soeben im preußischen Abgeordnetenhanse stattgehabte Debatte war eines aufgeklärten Volkes, welches das Herz aus dem rechten Flecke hat, würdig. In ein paar Tagen hat die freisinnige Partei in Preußen mehr gewonnen, als bloße konstitutionelle Discussionen ihr in einem Jahre hätten geben können. Sie war die Vertheidigerin der persönlichen Freiheit, der poli tischen Rechte, der konstitutionellen Grundsätze, der administrativen Reformen. Sie ist jetzt Hüterin der National-Ehre und National-Sicherheit. Jeder den kende Preuße wird daher in den Debatten nicht blos einen Sieg der richtigen NegierungSweise, sondern auch eine Bürgschaft der Aufrechterhaltung des allgemeinen Friedens erblicken. Dem Abgeordnetenhause bleibt jetzt nichts anders zu thun übrig, als daß es bei seinem Proteste gegen das russische Bündniß beharrt und so den L>turm beschwichtigt, dessen erstes dumpfes Brausen sich bereits vernehmen läßt." Hrn. von Bismarck ist der sehr zweideutige Ruhm zu Theil geworden, Schöpfer des gegenwärtigen Chaos in Preußen zu sein. Er hat die geordneten Kräfte eines großen Staates, der eine große Culturaufgabe in Deutschland hat, in ein wüstes Durcheinander aufgelöst, von dein Niemand, am wenigsten Bismarck, sagen kann, was daraus werden soll. In diesem Augenblicke befindet sich da« persönliche Regiment in Preußen in vollem Kriege gegen die öffentliche Meinung in Preußen und ganz Europa. Wie lange wird dieser trostlose Zustand in Preußen dauern? Der Rechnen meister soll noch gefunden werden, der dieses Exempel berechnet. Herr von Bismarck läßt sich einmal nicht auf Gründe ein, und wären sie so wohlfeil als Brom beeren. Hoffnung und Besorgniß und das politische Interesse des Tages nähren sich unter diesen Umstän den von luftigen Gerüchten. Von Stunde zu Stunde erwartet man die Auflösung der Kammer. Auf correcte Darstellungen von den Vorgängen in Polen müssen wir hente verzichten. Noch immer laufen die Berichte wirr und unverständlich durcheinan der. Nur die offenkundigen Lügen der officiellen russischen Siegesbulletins in dem Warschauer „Dziennick" geben einen schwachen Anhalt. Man könnte fragen, warum denn, wenn so von Niederlagen auf Nieder lage der Rebellen berichtet wird, der ganze Aufstand nicht bereits beendigt sei, besonders da nach russischen Angaben auch die Bauern so wohlgesinnt für die Regierung sind? Die Wahrheit ist: es genügen die 150,WO Mann russischer Truppen, die in den alt polnischen Ländern stehen, noch bei Weitem nicht, nm das Wachsen des Aufstandes zn verhindern, geschweige denn, denselben schon jetzt zu besiegen. Immer offen barer stellt sich in der polnischen Erhebung eine sehr umsichtige militärische Oberleitung heraus. Der nach russischen Berichten schon zehnmal geschlagene und vernichtete Balibenführer Langiewicz scheint eben so zäher Natur zu sein, fwie seiner Zeit Abd-el-Kader den Franzosen gegenüber. Langiewicz hat zu wieder holten Malen bedeutende russische HeereSabtheilungen geschlagen nnd ihnen Geschütz? abgenommen. In dem fünfstündigen Kampfe bei dem Städtchen MalogeScz, das die Russen geplündert und in Brand gesteckt, haben die Russen (4000 Mann mit 6 Geschützen) sich mit einem Verluste von 4W Mann an Todtcu und Verwundeten zurückziehen müssen; dagegen bat ein 25W Mann starkes russisches Corps die IW Mann starke polnische WageneScorte Langewicz'S überfallen und ihr 32 Wagen abgenommen. Mieroslawsky soll einen Schlag gegen Kalisch auSzusühren beabsichtigen. Nach vielseitigen Nachrichten nimmt der Ausstand mit jedem Tage größere Dimensionen an. Besonders ist der Zuzug aus der Provinz Pose» stark. Welche Pläne die Insurgenten haben, scheint in diesem Augen blicke noch völlig unklar. Warschau selbst ist auf Be fehl der unsichtbaren Regierung ruhig.