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520 ligsten Rechten angegriffen, und da dürfe man sich nicht hinter Paragraphen und Formalitäten verstecken. Er wolle kein Mitglied dieses HauseS angreifen, aber sagen müsse er doch, daß er sich bi« in's innerste Herz schämen würde, einen Antrag einzubringen, der das HauS zum Schweigen zwingen wollte, da eS sich doch um die Wahrung der heiligsten Rechte des Landes handele. Hierauf erst vertagte sich das Haus unter großer Aufregung. Die Budget-Commission empfahl bei der Wiedereröffnung einstimmig den folgenden Antrag zur Annahme: „Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, zu erklären: Der von dem Herrenhause in seiner Sitzung vom 11. Octbr. in Ansehung des Staatshaushaltsetats für 1862 gesaßte Beschluß, insofern er sich nicht darauf beschränkt, den der Berathung des Herrenhauses allein unterliegenden Be schluß des Abgeordnetenhauses von: 3. October über die Budget vorlage der Regierung anzunehmen oder zu verwerfen, vielmehr nach Verwerfung des Beschlusses des Abgeordnetenhauses die Budgetvorlage der Regierung annimmt, mit welcher das Herren haus gar nicht befaßt gewesen ist, verstößt gegen den klaren Sinn und Wortlaut des Verfassuiigsartikels 62 und ist deshalb null und nichtig. Die königliche Staatsregierung kann daher keinerlei Rechte aus diesem Beschluß herleiten. Dieser Antrag der Commission wird in namentlicher Abstimmung ein stimmig (eS find 237 Abgeordnete anwesend) angenom men. Der Ministerpräsident verliest hierauf, während die Abgeordneten sich von ihren Sitzen erheben, eine königliche Botschaft, welche ihn, den Ministerpräsiden ten, beauftragt, den Landtag am 13. Octbr., Nachmit tags 3 Uhr, im königlichen Restdenzschloß zu schließen. Präsident Grabow sprach hierauf: „Damit sind die Gegenstänve unserer heutigen Tagesordnung erle digt und wir nach der soeben vernommenen allerhöch sten Botschaft an den Schluß der ersten Session der siebenten Legislaturperiode gelangt. Gestatten Sie mir, meine Herren, eine kurze Ueberstcht der Arbeiten in derselben zu geben." Der Redner giebt eine speci- elle Ueberstcht der Arbeiten der Sesston und fährt dann fort: „Diese große Summe der vollendeten Arbeiten, welche Sie, meine Herren, in Räumen, wie sie kaum für ein Abgeordnetenhaus Preußens unwür diger gedacht werden können, mitten im Sommer, in täglichen Bor«, Nachmittags- und Abendsitzungen, bewältigt haben, wird auch den ferner stehenden Per sonen einigermaßen die schweren Anstrengungen der nun bald hinter uns liegenden fünfmonatlichen Sesston veranschaulichen, so daß cs meines Zeugnisses, der ich fast allen Ihren Sitzungen beigewohnt habe, nicht weiter bedürfen wird. Aber meinen Dank für Ihre bewiesene Ausdauer, für Ihre kräftige Unterstützung und gütige Nachficht, welche Sie Alle mir in der Aus übung meines mir von Ihnen anvertrauten Amtes in so reichem Maaße haben angcdeihen lassen, darf ich Ihnen bei unserer baldigen Trennnng von ganzem Herzen aussprechen. Zufolge der nun schon 3 Jahre hindurch unterbliebenen gesetzlichen Regelung der ein seitig durchgeführten Armeeorganisation ist in dieser für Preußens junges VerfaffungSleben bedeutungsvollsten Seston ein schwerer Conflict ausgebrochen, welcher die Einheit zwischen Fürst und Volk, auf dercn unverküm merte Erhaltung ich beim Antritt meines Amtes hin gewiesen habe, welche das sie umschließende Band, unsere Verfassung, zu bedrohen scheint. Möge eS «nserm Könige gelingen, ihn zu lösen! Das ist unser aller, das ist der einstimmige Wunsch des ganzen Lan des. Möge aus ihm unsere bereit» beschädigte Ver fassung neuaekräftigt hervorgehen! Mit dem Ausdruck der Liebe für unfern König und unsere Verfassung lassen Sie uns diese Sitzung schließen: Hoch Se. Maj. unser unverändert auf der beschwornen Verfassung ste hender König Wilhelm I. Hoch Preußens beschworne Verfassung, das unzerstörbare Bollwerk seiner Freiheit! und nochmals Hoch! und immer Hoch! Die Abgeord neten stimmen begeistert in den Rus ein und ve rlassen dann, nachdem ste auf die Aufforderung des Alters präsidenten dem Präsidenten ihren Dank durch Auf stehen von den Sitzen zu erkennen gegeben haben, den Saal. — Die Sitzung des Herrenhauses wurde durch den Präsidenten Grasen zu Stollberg eröffnet. Gegen stand der Tagesordnung war eine „Mittheilung der königlichen Staatsregierung". Vor derselben erfolgte die Verlesung einer Zuschrift des andern Hauses, be treffend die dort soeben gefaßte Resolutton, wodurch der Beschluß des Herrenhauses vom 11. Octbr., be- treffend die Annahme des Budgets in der Regierungs vorlage, als „null und nichtig" bezeichnet wurde. Der Präsident erklärte, daß er unter den obwaltenden Umständen das Schreiben lediglich zu den Acten ge hen lassen werde. Hierauf verlas der Ministerpräsident die allerhöchste Ermächtigung, den Schluß des Land tags betreffend. Der Präsident gab demnächst eine Ueberstcht der Tbätigkeit des HauseS, welches alle Vor lagen von Bedeutung, mit Ausnahme der KreiSorduung und des preußischen LehngesetzeS, erledigt babe. Der Personalbestand des Hauses sei gegenwärtig 249. Nachdem noch dem Präsidenten der Dank des Hauses ausgesprochen, nahm letzterer nochmals das Wort, um die hohe Bedeutung der letzten Sesston und die Stel lung des Herrenhauses zu characterisiren. ES habe zu der alten Wahrheit neue Liebe gebracht, zu dem alten Gott neues Vertrauen bezeigt und werde in der alten Treue zu dem königlichen Herrn unerschütterlich fest halten. Mit einem dreimaligen Hoch auf den König, in welches das Haus mit Begeisterung einstimmte, schloß die Sitzung. — Um 3 Uhr Nachmittags wurde im könig lichen Schlosse der Landtag von dem Ministerpräsidenten durch Verlesung der Thronrede geschloffen. Koburg, 12. October. Heute Morgen 6 Uhr ist der König vonPreußen mittelst Extrazugs von Berlin hier eingetroffen und im Restdenzschloß Ehren burg abgestiegen, woselbst er später der Königin Vic toria von England einen Besuch abstattete. Vormit tags fuhr der König mit der Königin in Begleitung von zwei englischen Prinzesfinnen nach der Veste Ko burg und trat dann der König nach 12 Uhr die Rückreise nach Berlin mittelst Extrazugs wieder an. — Nach dem Vorgang anderer Städte beabsichtigt man auch hier einen Arbeiterbildungsverein zu gründen und ist zu dem Behufe bereits eine Commision zur Abfassung der desfallstgen Statuten zusammengetreten. München. Am 10. October starb, 57 Jahre alt, der Knegsminister v. Spies, nachdem er die Lei tung der kriegsministeriellen Geschäfte kaum 36 Stun den zuvor an den Generalleutnant v. Heß übergeben hatte. Dem Verstorbenen ist das Heer zum wärmsten Danke verpflichtet. Dieses ist unter seiner 3's,jährigen Verwaltung gänzlich umgestaltct worden. Die reglemen« tären Bestimmungen des Exercirens und Manövrirens, des Turnens, Fechtens und Reitens wurden bei allen Waffengattungen andere. Gezogene Kanonen find ein geführt, die Festungen neu armirt, die Bekleidung der Mannschaft gänzlich geändert und die Löhnungen erhöht worden. WaS schließt dies Alles für eine ungeheure Arbeit in sich! Der Kriegsminister v. Spies unterzog