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Dienstag. 55. 16 Juli 1861. Erscheint Preis Dienstag« undtzM^^ * M l"» Quartal anstalten. I <- 8 Pfg. Amts- und Anzeige-Dlatt der Königlichen Gerichts-Ämter und Stadträthc zu Dippoldiswalde, /raueusteiu und Altenberg. Verantwortlicher Redakteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Ungarische Zustände. Zu allen Zeiten hat der Rechtszustand eines Volkes und die Art und Weise, wie die Sicherheit des Eigenthums und der Person gehandhabt wurde, einen Maßstab abgegeben für besten Culturzustand und politische Reise. Wenn wir, diesen Maßstab anlegend an die dermaligen Zustände Ungarns, wenig Erfreuliches zu berichten haben, so möge man zum mindesten jenseits der Leitha nicht übersehen, daß wir ledig lich nur Thatsachm anführen, und diese zur Eharakterisirung des Sonst und Jetzt selbst reden lasten. Diese Thatsachen constatiren mit beredter Zunge, daß der Zustand der öffent lichen Sicherheit in Ungarn von Tag zu Tag in einem Grade bedenklicher wird, wie dies selbst vor Vernichtung der Raubrotten nach der letzten Erhebung nicht der Fall war. Zum Beweise meiner Behauptung theile ich hier einige in der jüngsten Zeit vorgekommenen Verbrechen mit, die, iveil die Behörden sowohl als die sonst bereitwilligst als auspo saunenden ungarischen Blätter sie nicht veröffentlichen, auch „draußen im Reich" nicht bekannt wurden. Ich beginne meine Lese mit der Hauptstadt des Landes, wo eine Stadt hauptmannschaft mit einer bedeutenden Anzahl von Unter beamten, sowie zwei Abteilungen Panduren zu Pferd und zu Fuße bestehen. Hier wurde während des Medardimarktes der Kaufmann Weiß aus Großwardein, als er sich Abends 9 Uhr aus einem in der Mitte der Stadt gelegenen Gast hos entfernte, aus offener Straße überfallen, ermordet, seiner in 8000 Gulden bestehenden Baarschaft beraubt und in die Donau geworfen. — Ein slowakischer Weinhändler wurde am 14. Juni mit seinem mit Wein beladenen Wagen in der Nähe von Pesth überfallen, ermordet und ausgeraubt. — Ein Pesther Kaufmann wurde bei einem Spaziergange auf dem Waitzener Damm überfallen, auf den nahen Friedhof gezerrt und dort bis aufs Hemd beraubt. Dasselbe geschah dem Pesther Kürschnermeister Szentes, als er Abends seinen Laden verließ; fast gleichzeitig wurde der Laden des Kürschners Pichler, der in der lebhaften Palatin-Gaste liegt, gründlich ausgeräumt. Der Graf Karolyi'sche Schmied, im Begriff, seine in der Sarocsaer Gasse in Pesth gelegene Wohnung zu betreten, ward angefallen, niedergeschlagen, seiner Baarschaft und Kleider beraubt. Auf eine Militärpatrouille wurde in der Ulloer, desgleichen in der Pfeifergaste geschossen, wohl aus keinem andern Grund, als weil derartige Patrouillen den Wegelagerern überlästig fallen. Daß letztere aber ziem lich unparteiisch zu Werke gehen, dafür spricht der Anfall auf einen Panduren, der an seinen mit dem eigenen Seiten gewehr erhaltenen Wunden starb. Es ist dies nur ein kleiner Theil der in der Landes hauptstadt in jüngster Zeit begangenen Verbrechen, deren Thäter nicht entdeckt wurden. Aehnliche Angriffe aus das Leben undEigenthum kommen täglich vor, und schon ist es soweit gekommen, daß sich Bewohner, selbst der ärmeren Elaste, früh Morgms oder spät Abends nicht aus dem Hause zu gehen getrautm. Diese Unsicherheit bildet das Tagesgespräch; nur die Behörden und die öffentlichen Blätter verheimlichen sie, um den leidigen Zustand nicht in die Oeffentlichkeit gelangen zu lasten. Vagabunden und Bettler fallen die Spaziergänger aus Weg und Steg an; die zur Hand habung der Ordnung und Sicherheit ausgestellten Panduren genießen weniger das nöthige Ansehen, als viel Wein, sind häufig betrunken und werden noch häufiger vom Volk mit Prügeln regalirt. Jni Pesther Comitat treibt sich der berüchtigte Koloman Krudy herum, der ganz dreist namhafte Summen zu erpressen weiß; auch trägt derselbe eine Art Subskriptionsliste umher, um Geldbeträge zu erschleichen unter dem Vorwande, bei Ausbruch der Revolution mit seinen Leuten schlagfertig sein zu können. Niemand aber wagt es, diesem Verbrecher ent gegenzutreten; jeder giebt, was er fordert, aus Furcht, abgebrannt oder beraubt zu werden. Erschlagene und Aus geraubte wurden in letzter Zeit häufig gefunden, ohne deshalb den Behörden allzuviel Mühe zu verursachen. In Waitzen sind Einbruchdiebstähle der frechsten Art an der Tagesordnung; auf den Gasten werden die Menschen bei Hellem Tage von allerlei Strolchen angehalten und gebrandschatzt. Dieselben lagern Nachts an den Zugängen der Stadt, halten Licht und Feuerzeug bei sich, um, wenn sich Jemand nähert, sich bei Kerzenschein auf das gewissenhafteste zu überzeugen, ob der Angehaltene der Mühe des Ausraubens werth erscheint. Niemandem aber fällt es ein, diese Straßengauner, die Tags über in den Gästen der Straßen herumlungern, Nachts hinter den Gartenzäunen von ihren Strapazen ausruhm, in Ausübung ihrer harmlosen Passionen zu stören. Im Kalocsaer Bezirk sind in letzterer Zeit außer un zähligen Diebstählen, zwei Morde und zwei Todtschläge und zahlreiche schwere körperliche Verletzungen vorgekommen. Fälle aber, wonach die neu eingesetzten Behörden bei Executionen von den Parteien mit Gewalt an ihrer Amtshandlung ver hindert werden und wegen Mangel an Executionorganen unverrichteter Sache abziehen müssen, gehören nicht unter die Seltenheiten. Ich unterlaste es, das umfangreiche Register der in der letzten Zeit vorgekommenen Verbrechen, bestehend in Raubmorden aus öffentlicher Straße, frechen Einbruchdiebstählen mit bewaffneter Hand rc., fortzusetzen, und füge hinzu, daß die Unsicherheit mehr und mehr überhand nimmt. Der Waffenbesitz ist dermalen unbeschränkt, der Pulververkauf findet kein Hinderniß; das Hirtenvolk ist bewaffnet und beritten, man sieht selbst Knaben öffentlich mit Gewehren herumgehen; kurz das alte berüchtigte ungarische Bettyarenthum ist wiederum im vielverheißendsten Aufblühen begriffen. Den Uebelstand, daß gegenwärtig in der Landeshaupt stadt Masten von verkommenen Vagabunden sich aufhalten,