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M 48. Weißeritz-Ieitung Freitag. Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post anstalten. 21 Juni 1861. Preis pro Quartal 10 Ngr. Inserate die Spalten-Zeile 8 Pfg. Amts- und Anzeige-Matt der Königlichen Gerichts-Ämter und Stadträthe zu Dippoldiswalde, Fraueustein und Altenberg. Verantwortlicher Redacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Tagesqesch ichte. Altenberg, 18. Juni. Bekanntlich schützten uns häufig schon, und fast in der Regel, der sogen. Kahle« und der Geisings-Berg, welche Wetterscheiden sind, vor heranziehenden Gewittern. Gestern aber schienen die ehrwürdigen Herren doch nicht recht auf der Hut gewesen zu sein, denn in der letzten Bormittagsstunde entluden sich unter dem heftigsten Regen- und Schloßen wetter mehrere Gewitter verberbendrohend über uns. Bei ziemlicher Windstille konnten zwar die Schloßen, wenigstens bei uns, (denn anders soll es in Hirsch sprung gewesen sein,) keinen wesentlichen Schaden an richten , doch verweilten die Gewitter desto hartnäckiger und länger in unserer nächsten Nähe. Den röthlich- gelben Blitzen folgte stets unmittelbar darauf das fürchter lichste Donnergeprassel, und es war, als ob zwei gegenüberstehende Artilleriemassen von größtem Kaliber mit Wutb sich gegenseitig zu vernichten trachteten. Zwei Mal schlug der Blitz auf der hochgelegenen Neustadt ein, ohne jedoch, Gott sei Dank! zu zünden, und zwar in das Puder'sche, glücklicherweise jetzt des nahen Pingenbruchs wegen verlassene HauS, und demolirte hier die Stubensäule; dann in das Böttcher Städter'sche Haus. Hier fuhr der Strahl in die Oesse, zerriß diese und den Schornstein, und richtete auch sonst im Innern Verwüstungen an. Das Merkwürdigste ist, daß er hierbei über eine, an schwachem Nagel hängende eiserne Bratpfanne, ohne diese nur zu berühren, weg sprang und das Mauerwerk darunter beschädigte. Zwei Frauen in der Wohnstube wurden betäubt, und leider auch ein am Ofen sitzend er Knabe von fünf Jahren der gestalt getroffen, daß er durch die erhaltene Brand wunde fast geschwärzt wurde, und die heftigsten Schmerzen erdulden mußte. Ob das arme bedauernswerthe Kind völlig wieder werde hergestellt werden, ist noch zweifel haft; doch soll Hoffnung vorhanden sein. Und so breite denn der Allmächtige auch fernerhin seinen Arm schützend über uns! —e. Sadisdorf, 18. Juni. Heute kurz nach 11 Uhr Vormittags, zog ein von S. W. kommendes Gewitter über unser Dorf und ein Blitzstrahl zündete das an einem Abhange zwischen ziemlich hohen Bäumen liegende Wohnhaus des Maurers Böhme. Einem vorausge gangenen starken Regen bei schwachem Windzuge, die Nähe schützender Bäume und eines Teiches und der schnellen Hilfe ist'S zu danken, daß das nahe, am meisten gefährdete Zimmermann'sche Gehöft verschont blieb. Die Betroffenen, der Besitzer Böhme nebst einer ganz armen Anverwandten und der Uhrmacher Dietrich mit 3 kleinen Kinder», haben zwar das Noth- wendigste, darunter alles fremde Eigenthum an Uhren, gerettet, doch ist auch Vieles verbrannt oder beschädigt. Der Blitzstrahl scheint seinen Weg, wie aus den Be schädigungen zu schließen, an dem Innern der nach S. gerichteten Giebelsäule, von da in der Etage an der westlichen Ecksäule herab bis ans Mauerwerk deö Parterre genommen zu haben. Von da ist er auf eine 2 Ellen von der Hausecke entfernte, das HauS weit überragende Königspappel übersprungen und, die Rinde beschädigend und mehrere Zoll breit abtrennend, in die Erde gefahren. Unter den in den Stuben be findlichen Personen klagte nur der Arbeiter des Uhr macher Dietrich über Schmerze» in den Beinen, da er beim Einschlagen neben die Drehbank geworfen worden war. An den am Fenster hängenden vielen Taschenuhren aber war nicht die geringste Spur von den Wirkungen des clectrischen Funkens zu spüren. /V Aus der Frauensteiner Amtslandschast und deren näherer und weiterer Umgebung berichten wir heute über merkwürdige Witterungs- und Natur erscheinungen, die sich am Montag, 17. Juni, in den Mittagsstunden dort zugetragen, und wie solche die ältesten Leute dortiger Gegenden nicht gesehen. Wir waren in Mulda, als sich am Himmel ein Ge witter mit großer Schnelligkeit zusammenzog, das sich mit schweren Donnerschlägen bei einem, mehrere Stunden anhaltenden heftigen Regen entlud. Es entstand ein schrcckenerregendes Brausen in der Luft, und bald war auch der Muldenstrom wie mit Fichtenrinden überzogen, woraus wir schloffen, daß die Regengüsse einen Holz schlag abgespült hätten; bald folgten Reistgbunde, Klötzer, Stöcke re. in Menge, auch Schiebkarren, Brctstücken, Holz, und die Mulde schwoll zu einer Höhe an, welche die Gemüther mit großer Sorge erfüllte. Alles rettete aus dem Wasser, was möglich war, bis der Strom, der fast dick wie Lehm floß, keine Gegenstände mehr erkennen ließ. Bald erzählten uns Leute, die aus Dittersbach und Dorfchemnitz kamen, daß dort das Gewitter eine unbeschreibliche Zerstörung nicht nur an Feldern nnd Wegen, sondern auch an Mauern, Häusern rc. angerichtet habe. Am Tage darauf, den 18., gingen wir selbst nach Ditters bach, Dorfchemnitz, Claußnitz und Nassau, um uns durch eigne Anschauung zu unterrichten, — und was wir da sahen, setzte uns wahrhaft in Erstaunen; wir wollen den Lesern eine Beschreibung davon geben, so schwer und traurig die Aufgabe ist. Die von dem Ereigniß am meisten betroffenen Personen waren noch voll Schrecken und Kummer erfüllt. In Dittersbach kam das Gewitter mit großem Brausen an, es folgten die heftigsten Blitze und Donnerschläge schnell, und