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Freitag. 92. 23. November 1860. Weißeritz-Zeitung Erscheint Dienstags unt Freitag«. Zu beziehen durch alle Post anstalten. Preis l>ro Quartal lv Rgr. Inserate die Spaltrn-Zeile S Pfg. Amts- und Anzeige-Matt der Königlichen Gerichts-Aemtcr und Atadträthe zu Dippoldiswalde, /rauenstein und Attenberg. Verantwortlicher Redacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Tagesgefchichte. Dippoldöwalde. Unlängst war vor dem Bezirks gericht zu Dresden eine EinspruchSverhandlunz von ungewöhnlicher Art, und da ähnliche Fälle, wie der verhandelte, auch anderwärts Vorkommen, theilen wir Folgendes darüber mit. Der Kirchner und Lehrer Glaser tn Radeberg hatte am 31. Jan. d. I. eine Schülerin, die Tochter des Mützenmachers Hübner da selbst, wegen eines Vergehens so auf die flache und äußere Hand geschlagen, daß die dadurch entstandenen Schwielen ärztliche Behandlung nothwendig machten. Die Mutter des Mädchens eilt sofort in die Wohnung des Lehrers, belegt denselben mit den gemeinsten Schimpfrcden, spuckt ihm ins Gesicht und sagt ihm, er habe lieber die Kühe hüten, als Lehrer werben sollen. Herr Glaser weis't ihr die Thür und packt sie, als sie nicht gehen will und heftiger schmähet, beim Arm, um sie hinaus zu führen. Sie leistet Widerstand, und Glaser sieht sich schließlich genöthigt, die ihre Rohheiten im höchsten Grade fortsetzende Frau um den Leib zu fassen und die Treppe hinunter vor die Thür zu tragen. Dabei bluteten seine Hände aus einer Masse Biß- und Kratz-Wunden. Der Lehrer verklagte die Frau und das Gerichtsaint vernrtheilte sie wegen Hausfriedensbruch und Beleidigung zu 6 Wochen und 4 Tagen Gefängniß. Gegen dies Erkenntniß hatte die Verurtheilte Einspruch erhoben. Der Ber- theidiger Adv. Franzel wollte die Hitze der Hübner mit aufgeregter Mutterliebe entschuldigen, tadelte das Strafverfahren des Lehrers, indem er die Anwendung des Bakels ungesetzlich (?) nannte und die Disciplin auch ohne solchen zu handhaben sei (?), auch vertrage die Art und Weise, wie Herr Glaser sich bei dem Auf tritt verhalten, sich nicht mit der Stellung und der Würde eines Lehrers. Herr Staatsanwalt Held da gegen nahm sich beS angegriffnen Lehrers mit besonderer Wärme an. Die Strafbesugniß des Lehramtes sei durch die Grenzen, in welcher sie sich gesetzlich bewegen sollen, eine sehr mißliche Sache. Bald strafe der Lehrer zu viel, bald zu wenig. Vergesse er sich nun einmal in der Aufregung bei dem Vollziehen der Strafe, so mache er doch sicherlich diesen Fehler an diesen, an andern Kindern tausendfach wieder gut. Die Affen liebe zu ihren Kindern verleite manche Aeltern zn Un gerechtigkeit gegen den strengen, aber gerechten Lehrer. Andere verlangten von dem Lehrer eine Engelsgeduld, die niemals in Hitze übergehen dürfe; als ob der Lehrer nicht auch ein Mensch sei. Das Gesetz müsse daher den Lehrer vor den Angriffen und der Selbst- hülfe roher Menschen mit aller Strenge schützen. — Der Gerichtshof bestätigte denn auch das Urtheil auf 6 Wochen Gefängniß wegen Hausfriedensbruch. O Altenberg. In letzter Nr. d. Bl. lasen wir ein Referat von hier über geringe Betheiligung an der Stadtverordnetenwahl, wobei Referent die Absicht hat, die Saumseligen und BequemlichkeitSliebcnden aus dem Schlase zu rütteln. Wir erklären uns mit der wohl gemeinten Absicht einverstanden, hätten aber gewünscht, wenn selbiger damit nicht p«8t tvstum, sondern vor der Wahl herausgetreten wäre, wo dann der Zweck vielleicht eher erreicht worden wäre. Wenn wir nun hoffen, daß selbige dadurch etwas aufgeregt worden sind, so gestatten wir unS, auf frischer That ihre Auf merksamkeit auf einen andern Gegenstand hinzulenken. Unsere Vertreter in den Ständekammern berathen jetzt über das neue Gcwerbegesetz. Mag nun zwar der größte Theil der hiesigen Gewerbetreibenden aus Berg leuten, Wald- und Handarbeitern, sowie auch Oeco« nomietreibenden bestehen, auf welche die zu erwartende Gewerbefreiheit wenig Einfiuß haben wird, so giebt eö außerdem immer noch eine nicht unbedeutende Zahl Professtonisten, welche zum Theil eine bessere Zukunft von Einführung der Gewcrbefreiheit erwarten, IheilS aber auch ihren völligen Ruin darin erblicken. Erstere müssen auf die richtige Bahn geleitet werden, damit sie sich nicht zu vielen Hoffnungen hingcben, Letztere müssen belehrt werden, damit ihnen die Gewerbefrei heit nicht als Schreckbild erscheint und ihnen vollends den Muth benimmt. Leider müssen wir bekennen, daß es unter unfern Handwerksmeistern nur Wenige giebt, welche sich allein von ihrer Profession ernähren, die Meisten treiben Oeconomie oder Handel daneben. Ob aber diese Alles versucht und gethan haben, nm sich und ihr Gewerbe zu heben, in Ruf zu bringen, das wollen wir doch dahingestellt sein lassen; wenigstens würden dann nicht mehrere Handwerksmeister unserer Nachbarstadt Geising hier solch lohnenden Erwerb finden. Möchten daher doch alle diese von der Ueberzeugung durchdrungen werden, daß unfern gewerblichen und socialen Zuständen nicht allein durch Maßregeln von Oben herab geholfen werden kann, sondern baß eine gründliche Reform von Unten auf erfolge», und daß sich das Volk aus sich heraus und durch sich selbst helfen müsse. Hierzu ist es aber unbedingt erforderlich, daß zuvörderst im Volke ein größeres Interesse am Volksleben überhaupt, sowie an der Volkswirthschaft geweckt und unsere volkswirthschaftliche Bildung gehoben wird. Es ist daher dringend nothwendig, daß auch hier, wie in andern Städten, der Gewerbe-Verein die Sache in die Hand nimmt, auch unserm Gewerbs stande eine solche Anregung zu geben. Allerdings ist