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Freitag. 74. 23. September 1859 Erscheint Dienstag« und Freitag«. Zu beziehen durch alle Post anstalten. Weißmh-Zeitrmg Preis pro Quartal t0 Ngr. Inserate die Spalten-Zeile 8 Pfg. Amts- und Anzeige-Matt der Königlichen Gerichts-Ämter und Stadträthe zv Dippoldiswalde, /rauensteiv und Altenberg. Verantwortlicher Nedactcur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Wie sieht's in Italien aus? Seit dem bekannten Frieden von Villasranca, der alle Welt nicht wenig überraschte und eben darum, weil er so unverhofft kam, gleich bei seinem Bekanntwcrden den Beinamen eines „faulen" erhielt, haben wir unfern Lesern übersichtliche Bilder der italienischen Zustände zu geben unterlassen. Es mußte erst etwas Ordentliches dort fertig werden, oder man mußte erst sehen können, ob und welcher Ausgang aus dem verworrenen Getriebe sich werde finden lassen, ehe man darüber berichten konnte. Wollten wir freilich darauf länger noch warten, so würde ein wer weiß wie langer Zeitraum noch ver gehen, ehe unsere Leser ihre Wißbegierde stillen könnten. Denn es ist jetzt die Lage in der schönen italienischen Halbinsel nicht minder verwickelt, wie sie es vor dem Kriege war, und es ist wohl Friede zwischen beiden Kaisern und ihren Armeen geworden, aber nicht Friede zwischen den Italienern selbst und Denen, welche den selben die kaum gewonnene Freiheit nicht gönnen wollen. Wie sieht's also jetzt aus? Der Friede von Villa- franca liiefert die Lombardei an Piemont aus, und König Victor Emanuel hat bereits Besitz davon ergriffen; das ist eine unbestrittene Thatsache. Derselbe stellt einen italienischen Bund in Aussicht, eine jedenfalls todtgeborene Frucht, da Niemand von Denen, die den Bund bilden sollen, Lust hat. Derselbe Friede bestimmt die Wiedereinsetzung der vertriebenen legitimen Herrscher von Toscana und Modena; aber die Bevölkerungen dieser Länder will dieselben nicht wieder haben. Oester reich würde gern mit den Waffen dagegen einschreiten; aber wagt es wegen Frankreich nicht, und Frankreich, oder vielmehr Louis Napoleon wagt es auch nicht, gegen dieselben Bevölkerungen, zu deren Befreiung er vorher den Krieg unternommen nnd das Blut von 50,000 Fran zosen verspritzt hat, jetzt mit denselben französischen Waffen feindlich einzuschreiten. Auf der andern Seite hat Napoleon sich durch sein Wort verbunden, die Wiedereinsetzung der geflohenen Fürsten herbeizuführen. Das ist eine arge Verlegenheit. Anfangs schien er sich daraus retten zu wollen durch Veranstaltung eines Congresses. Die neutralen Mächte, hoffte er, würden zu Gunsten der Italiener entscheiden und ihn so seines gegebenen Wortes entbinden. Ob aber Oesterreich durchaus vou einem Congreß Nichts wissen will? Ob Napoleon sich fürchtet, Sardinien zu groß und dadurch zu unabhängig von ihm werden zu lassen? Wer kann es wissen! Jetzt hat der Kaiser sich auf's Zureden gelegt. Der Moniteur hat in diesen Tagen wieder einmal geredet, und zwar eine lange Rede hat er gebracht an die Italiener. Er sagt ihnen: Wenn sie willig ihre alten Herrscher wieder nehmen, werde Oesterreich das Venetianische Königreich zu einem rein italienischen machen, ihm eine besondere Verfassung und Verwaltung geben, wie Holland dem Großherzogthum Luxemburg. Er droht ihnen aber auch, wenn sie es nicht thun würden, daß dann die Stammesgenossen in Venetien der verheißenen Reformen verlustigen gehen und unter dem alten Drucke bleiben würden. Ob diese Rede eine gute oder vielmehr die ge wünschte Stätte finden werde bei den wohl aufgeregten, aber besonnen vorwärts gehenden Italienern, wer kann auch dieses wissen? Aber wir möchten fast behaupten, daß Napoleon sich hier in seiner Berechnung täuschen werde. Die Italiener werden wohl erkennen, um was es sich handelt. Hier ein sicherer Gewinn, dort ein höchst unsicheres Versprechen. Auch die Benetianer werden nicht wollen, daß ihretwegen die Zukunft des größten Theils von Italien auf's Spiel gesetzt werde. Sie werden gewiß einsehen, daß, wenn das übrige Italien eine geordnete Freiheit sich erwirbt, dieselbe auch ihnen früher oder später nicht vorenthalten bleiben kann. Deshalb dürfte Mittelitalien, unbeirrt durch die kaiserlichen Worte, wohl seinen Weg ruhig und ent schlossen vorwärts gehen, in der Ueberzeugung, daß ein starkes und freies Oberitalien eine viel größere Bürg schaft einer befriedigenden Zukunft auch für das Bene- tiauische sei, als alle Zusagen des Moniteur und der Wiener Zeitung. Uebrigens möchte, wenn nicht Alles tänscht, die erwähnte Rede des Moniteur wohl eher auf Täuschung Oesterreichs berechnet sein, um dieses für einen Congreß zu gewinnen. Warum sollte es sich länger gegen einen solchen sträuben, wenn es die Gewiß heit hat, daß auf diesem Wege Italien keine besseren Bedingungen erlangen werde, als es durch den Frieden von Villasranca erreicht hat? Oesterreich soll glauben, daß ein Congreß die Zurückführnng der Fürsten viel eher bewirken werde, als die Präliminarien von Villa- franca. Ob Oesterreich sich täuschen lassen wird? Auffällig bleibt es jedenfalls, daß Napoleon erst jetzt zu den Italienern gesprochen, nachdem die National versammlungen gewählt und zusammengetreten sind, während er, wollte er auf die Wahlen einwirken, jeden falls hätte vorher reden müssen. Wie bald übrigens auch den feinsten diplomatischen Plänen urplötzlich eine veränderte Richtung gegeben werden kann gegen den Willen ihrer Urheber, das zeigen die neuesten Vorfälle in China. Engländer und Fran zosen haben hier bei einem Angriffe auf dem Peiho-Fluß, der die Wasserstraße nach der Hauptstadt China's bildet, eiue nicht unbedeutende Niederlage erlitten. Dieser Vorfall wird die ziemlich locker gewordene Verbindung Englands und Frankreichs auf'sNeue befestigen und nicht ohne Rückwirkung auf Italiens Schicksal bleiben.