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S2 24. November 1857. Weißeritz-Zeitung Verantwortlicher Redacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Inserate werden mlt 8Pfg. für die Zeile berechnet und in allen Expeditionen angenommen. Dienstag. Erscheint Dienstags und Freitag». Zu beziehen durch alle Postanstal ten. Preis pro k2uart. >V Ngr. Ein unterhaltendes Wochenblatt für den Bürger und Landmann. Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, den 22. Nov. Das heutige Todtenfest wurde für unsere Kirchcngemeinde zu einer seltenen Feier. Der neue, sehr geräumige und regelmäßig angelegte Kirchhof, dicht neben dem alten gelegen, ward nämlich seiner Bestimmung mit ange messener Feierlichkeit und unter sehr zahlreicher Theil- nahme der Gemeindcglicder übergeben. Zu diesem Behuse hatten sich die Geistlichkeit, die Lehrer mit denjenigen Kindern, welche Gräber der Ihrigen mit Kränzen schmücken wollten, die Kantorei, ferner die königlichen und städtischen Behörden, sowie viele andere Bewohner der Stadt und der Umgegend gegen halb 2 Uhr auf dem Kirchplatze versammelt, nm sich von hier in langem, feierlichen Zuge unter Glockengeläuts auf den Gottesacker zu begeben. Hier angekommen, stellten sich Die, die am Zuge Theil genommen hatten, der Grenze zwischen beiden Kirchhöfen gegenüber auf, während das übrige Publicum die daran stoßenden freie» Räume einnahm. Nach dem Gesänge des Liedes Nr. 762 Dr. Gesangb. hielt Herr Super. LI. v. Zobel die mit allgemeiner Aufmerksamkeit und mit tiefer Rührung angehörte Weihrede. Nachdem der hoch ehrwürdige Redner zunächst den neuen Friedhof als die Stätte bezeichnet, wo der Tod seine Siege auch über Diejenigen feiern werde, welche jetzt zur Weihe hier versammelt wären, der Glaube aber an den göttlichen Erlöser das bange Grauen vor der Grabes- nacht verscheuchen und die Erde über uns leicht machen werde: gedachte er des alten Raumes, wo Gott Hunderte von Jahren hindurch seine irdische Ernte mit treuer Hand behütet habe, wo Tausende ihre letzte Ruhe gefunden und Millionen Thränen geflossen, dessen Denkmäler aber, ob auch schon zum Theil der Alles zerstörenden Zeit erlegen, doch noch sprechende Zeugen von dec Liebe seien, welche die Tobten zur ewigen Ruhe begleitet habe. Der neue Gottesacker möge nun ein Wahrzeichen für Alle sein, die ihn be treten oder an ihm vorübcrgehen, eine Mahnung, nicht leichtfertig und mit Muthwillen auf die Statte zu schaue», die uns früher oder später in ihren Schooß aufnehmcn werde; eine Mahnung, immer fester im Glauben an Den zu werden, der für uns selbst den Tod gelitten habe, damit wir unsere irdische Wallfahrt mit dem Rufe beenden könnten: „ Selig sind, die in dem Herrn sterben!" Mit einem Gebet um den Schutz der heiligen Dreieinigkeit für den Gottesacker schloß die ergreifende Rede. Hierauf sang die Cantorei die Arie „Aufcrstehn, ja auferstehn re.", und nachdem Collecte und Segen vom Herrn Diac. Mühlberg ge sprochen worden war, ging die erhebende.Feier mit dem Gesänge des letzten Verses von Nr. ^16 „Tritt im Geist zum Grab oft hin re." zu Ende. Der Aufforderung der königlichen Kircheninspection, die Gräber soweit es möglich mit Kränzen zu schmücken, war von Manchen genügt worden, und man sah hier und dort rührende Zeichen nie erlöschender Liebe für die Verstorbenen, welche ahnen ließen, wie groß erst dih Theilnahme sein würde, wenn die alljährliche Todtenfeier in eine Zeit verlegt würde, wo die Natur einen reichen Schmuck von Blumen beut und wo auch der Acrmste die dargcbotene Gelegenheit nicht ver säumen würde, den Ort zu schmücken, wo seine Lieben im Tode ruhen. Hoffentlich ist die Zeit nicht fern, wo auch bei uns, wie schon anderwärts, der Johannistag zum Todtenseste wird; denn es ist keinem Zweifel unterworfen, daß eine Todtenfeier an den Gräbern selbst, wo durch den bunten Farbenschmuck der Natur das Bild des Todes so freundlich sich für uns gestaltet, viel wirksamer und erhebender ist, als bei rauher Jahreszeit im Gotteshause. Dresden. Am 18., Mittwochs, Nachmittags, ist auf der Leipzig-Dresdner Eisenbahn der erste be deutende Unfall passirt. ES war von hier aus ein Packzug mit schweren östreichischenGütern (Getreide rc.) erpedirl worden. Dieser Zug hatte in Pristewitz die Weisung erhalten sollen, auf das Leipziger Gleis überzugehen, weil auf dem Dresdner Gleise ein von Leipzig abgegangener Bauzug hielt, um bei Zscheiten (zwischen Pristewitz und Riesa) Schwellen zu laden. Jene Weisung war aber — durch wessen Schuld, ist noch unermittelt — dem Zugführer nicht gegeben wor den und der Zug ging also auf dem Dresdner Gleise weiter. Unglücklicherweise ist auch kurz vor dem Punkte, wo der Bauzug hielt, eine Kurve, so daß der Führer ihn nicht zeitig sehen konnte. Der betr. Bahnwärter gab zwar dem kommenden Zuge sofort das Hallzeichen und dem haltenden das Zeichen „Bremsen los." Aber ehe Beides, zumal bei dem dortigen Fall der Bahn, hinreichend geschehen konnte, stieß der kommende Zug dermaßen auf den dastehenden, daß die Locomotive des letztem gänzlich zertrümmert, die ankommende Locomotive aber aus der Bahn geworfen wurde und die nachkommenden schweren Wagen die ersten zer trümmerten. In Folge dieses Zusammenstoßes sind leider 3 Menschen gelobtet und vier schwer verwundet worden. Es sind Arbeiter, Schaffner, Feucrleute, die oei diesen Zügen beschäftigt waren. Die Locomotiv- sührer blieben wunderbarer Weise unversehrt. Die eingeleitete Untersuchung wird das Nähere ergeben. Wien. Der Kaiser hat die Armeerebuclion ge nehmigt; eS ergiebt sich dadurch eine jährliche Erspar- niß von 22 Millionen Fl. Conv.-Mze.