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6. November 1855. wr. 87. Weißeritz-Zeitung Inserat« werden mit 8 Pf. für die Zeile berechnet ^und in allen Expeditione« angenommen. Dienstag. Erscheint Dienstag» und Freitag». Zu beziehen durch alle Postanstal ten. Preis pro Quart. l O Ngr. Ein unterhaltendes Wochenblatt für den Bürger und Landmann. Bcrantwortlicher Rcdactcur: Carl Zehne in Dippoldiswalde. Borschußvereine als Volksbanken. Im vergangenen Sommer ist ein Schriftchen deS bekannten Schulze-Delitzsch erschienen, welches sicher die allgemeinste Aufmerksamkeit verdient. ES behan delt die Wirksamkeit der neuerdings mehrfach auf den Grundsatz der Solidarität ihrer Mitglieder gegründeten Kreditanstalten und soll namentlich als Leitfaden für Diejenigen dienen, welche auf der Solidarität der Mit glieder beruhende Anstalten zu gründen beabsichtigen und dafür Vereine gründen wollen. Nach einer kur zen Einleitung und Mittheilung der Erfolge, welche die in Eilenburg. Delitzsch und Zörbig bestehenden Vorschußvereine bisjetzt erzielt haben, geht daher der Verfasser zur Darstellung der hauptsächlich bei Grün dung und Verwaltung der Vorschußkassen in Betracht zu nehmenden Punkte über und führt Mitgliedschaft, Belriebfonds, Höhe der Vorschüsse, Fristen und Sicher heit, Verzinsung, Dividende und Guthaben, Reserve fonds, Verwaliung, Kassenwesen (Buchführung), Be- soldung und Kautionen der Beamten, sowie endlich Verfolgung säumiger Schuldner durch Klageanstellung weiter aus, auch Haler dem Schriftchen die Statuten deS dclitzschcr und deS eilenburger NorschußveretnS so wie Formulare verschiedener bei diesen Anstalten vor kommender Schriften und Rechnungen beigefügt. Es würde zu weit führen, wenn die einzelnen Unterab- theilungen deS Buchs ihrem Inhalt nach eingehend mitgetheilt werden sollten; doch ist es von Interesse, Einiges aus dem reichen Inhalt hervorzuheben. Hier hin gehört die Darlegung der Eigenthümlichkeilen, welche sich zeigen, je nachdem bei der Verwaltung einer solchen Vorschußkaffe als Nebcnziel Bildung von Kapitaleinlagen seitens der Mitglieder oder Ansamm lung aller in dem Bezirke, für den die Vorschußkasse wirkt, müßig vorhandenen Kapitalien verfolgt wird, wobei Schulze den Einfluß dieser Nebenzwecke auf Zinsfuß und DarlehnSfristen nachweist; ferner unter sucht er, ob die Vorschußvereine Leihbanken für Jeder mann oder nur für Mitglieder sein sollen, sich für Letzteres entscheidend, warnt aber sowol vor der Auf nahme solcher Personen, die bereits nicht mehr im Stande sein würden, Darlehne zurückzuzahlen, als vor der Festsetzung eines hohen Eintrittsgeldes, weil hierdurch die Mitgliederzahl nothwendigerweise be schränkt und somit der Wirkungskreis verringert werde. Zur Frage übergehend, ob man für die den Mitgliedern zu gewährenden Darlehne Sicherstellung fodern solle und wie diese zu beschaffen sei, empfiehlt Schulze kleine Summen den alö arbeitsam und ordentlich bekannten Mitgliedern ohne weitere Deckung anzuvertrauen, aber bei großem Darlehnen (über 5 Thlr. vielleicht) unter allen Umständen auf Sicherstellung zu bestehen, welche am besten mittels Bürgschaft eines oder zweier Ver- einSmitglieder beschafft werde; er bespricht auch daS bei einzelnen Vorschußkassen übliche Verlangen, daß der Erborger Wechsel ausstelle, welches er verwirft, weil solchen die Bürgen nur ungern unterzeichnen, und man durch diese Foderung entweder die Sicherstellurlg erschwere und somit den Umgang beschränke, oder bei Ausstellung besonderer Verschreibungen der Erborger und der Bürgen die Verwaltung ohne Noth weitläufig mache. Noch rathet Schulze, den Bürgen, wenn sie zur Zahlung angehalten werden, die rückständigen Zin sen nur zu 5 Proc. und nicht zu dem sonst im Ver ein üblichen Zinsfuß zu berechnens weil eS den Vor schußvereinen , welche an und für sich keinen Gewinn ziehen wollen, genügt, wenn sie daS Capital und die ihrerseits zu zahlenden Zinsen retten. BemerkenSwerth ist übrigens , daß die Bürgen seitens der Schuldner die gebührende Beachtung gesunden haben und daß cS für eine besondere Schande gehalten wird, den Bürgen in Schaden zu bringen; ein sicheres Zeichen, daß die Moralität noch nicht so untergraben ist, als man vielfach beklagt. Rücksichtlich deS Zinsfußes und der Fristen berichtet Schulze noch, daß bei Vereinen, die einen Centralpunkt müßiger Capilale bilden wollen, der Zinsfuß niedriger und die Frist länger sein könne als bei den andern, welche danach streben, ihre M it glieder Capitalantheile sammeln zu lassen, und giebt schließlich noch Regeln, wie die Vorschußkassen zu ver walten, Besoldungen und Kautionen festzustellen und Rechtssachen zu führen seien, wobei er sich über die rechtliche Stellung der Vorschußvereine auöläßt. Hierbei wird natürlich preußisches Gesetz berück sichtigt; doch ist darüber auch in Sachsen nichts Be sonderes zu erwähnen. Solche Vorschußvereine, die mit der vorgeschriebenen Anzeige bei den Polizeibe hörden nur dem Vereinsgesetz genügen, keinenfallS da mit Bestätigung oder gar CorporationSrechte erlangen, sind als Gesellschaften zu betrachten, und gilt unter den Mitgliedern selbst der GesellschastSvertrag (das Statut) als Norm der Entscheidung, und dritten Personen gegenüber läßt sich in dem Statut oder in den mit jene» abzuschließendei) Verträgen sehr leicht Vorsorge treffen, baß die Vorsteher deö Vereins als dessen Ver treter gelten. Es erübrigt zum Schluß einige Zahlen rücksichllich der bisherigen Erfolge vorzuführen Der Vorschußverein zu Eilenburg, 1856 mit 180 Mitgliedern begründet, hat im vergangenen Jahre deren 7l4 gezählt, und er hat 1851 an Vorschüssen 8801 Thlr., >854 dagegen 25661 Thlr. ausgegeben. Der Vorschußverein zu Delitzsch, 1852 aus 100 Mit gliedern bestehend, zählt gegenwärtig deren 200, und