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dir." 8 Weißerih-Zeitung /reitag. Erscheint Dienstags - und Frätag«. Zu beziehen durch all« Postanstal- ten. Preis pro Quart. lONgr. Ein unterhaltendes Wochenblatt für den Bürger und Landmann. 26. Januar 1855. , Inserate werden ntit 8 Pf. für die Zeile berechnet ^und in allen Expeditionen angenommen. Verantwortlicher Rcdacteur: Carl Jchne in Dippoldiswalde. Sardiniens Anschluß an den englisch- franzöfifchen Allianzvertrag. Das wichtigste Ereigniß der jüngsten Zeit ist der Beitritt de« Königreichs Sardinien zu dem von England und Frankreich am IO. April geschloffenen Allianzvertrage. Man steht zunächst aus dieser vor Kurzem vollendeten Thatsache, daß die Weltmächte bemüht find, ihr Bündntß gegen Rußland zu verstärken und daß sie Angesicht« de« nahen Friedenskongresse« zu Wien noch wenig Hoffnung auf den Frieden selbst haben. Zugleich ist dieser neueste Allianzvertrag von tiefer Bedeutung für die gegenwärtige Stellung Oestreich« zu den Westmächten. Man hat Oest reich ost beschuldigt, e« stelle sich nur zum Schein stind- lich gegen Rußland und , mit seinem Vertrage vom 2. Dec., der ohnehin nicht viel sagt, sei e« so ernstlich nicht ge meint. Durch den offenen. rückhaltSlosen Beitritt Sar- chinien« zu dem Schutz- und Trutzbüydniß der Westmächie find nun die Staaten, welche im Kriege gegen Rußland begriffen find, bi« unmittelbar an die Grenzen Oestreichs verlegt. Oberitalien ist von jeher die verwundbare Stelle de« östreichischen Staate« gewesen, und wie ungern die Jta- liener die Herrschaft Oestreich« tragen, haben frühere Vor gänge bewiesen. Nimmt man »och Hinz», daß Sardinien ein Staat ist, der bi« auf die neueste Zeit in einem ge spannten Verhältnisse zu Oestreich gestanden hat, so mag wohl das Gewicht von dem Anschlüsse dieses Staates an England und Frankreich in Wien ernst gewürdigt werden, und e« ist geeignet, da« östreichische Cabinet immer mehr zu bestimmen, auch seinrrseitS rückhaltloser gegen Rußland aufzutretcn und sich enger an England und Frankreich an- zuschließcn. DaS sardinische Herr, welches nach dem Budget von 1853 etwa 50.000 Mann stark und einer raschen Ver mehrung fähig ist, würde eine nicht gering anzuschlagende Verstärkung der verbündeten Streitkräfte abgebcn, und na mentlich hat Sardinien gute Cavallerie, woran England und Frankreich nicht eben Ueberfluß haben. Zugleich ist in dem Vertragsabschlüsse gesagt. Eng- land und Frankreich versprechen, Sardinien behilflich zur Herstellung einer Anleihe zu sein, eine Wohlthat, die- ait und für sich nicht so erheblich erscheint, da ja Sardinien nicht in erster Reihe, wie die Seemächte, bei der etwaigen Ausbreitung der russischen Herrschaft betheiligt ist, und da ihm auch bei einem FriedcnSschlnß Länderstrecken im Osten Europa s nicht angewiesen werden können, die die sem Staate mehr VerwaltungSkosten verursachen, als reellen Nutzen gewähren würden. Wahrscheinlich hat das Behilft lichsein England« zu einer sardinischen Anleihe einen an- »ern Sinn. Unsre Leser, erinnern sich, daß in England m Gemäßheit fineS Parlamentsbeschluffe« »ine Fremden legion gebildet werden soll, welche aber in Deutschland— auf dieses Land hatte man besonders sein Augenmerk, bei der Werbung gerichtet — sehr geringen Zuwachs erhalten dürfte. In einem „großen Kriege" aber, den England laut Her Thronrede gegen Rußland zu führen gedenkt,, hat dieser Inselstaat offenbar zu wenig Truppen, rin» That- sache, welche sich auch in den langen Kriegen England« gegen Napoleon I. herausstellte, wo Britannien größten- theilS durch Hilfsgelder Krieg führte. Wird an« der Fremdenlegion nicht-, so bat nun England nach dem Bünd nisse mit Sardinien hinreichende Gelegenheit, seine Hflf«. gelder an den Mann zn bringen und mit englischem Geld» Heere gegen Rußland ins Feld zu stellen. Es wäre also nicht unmöglich, daß in England der Gedankt keg« ge worden ist. nöthigen Falls anstatt der »»sichern Werbun gen für die Fremdenlegion die Kriegsmittel Sardinien« durch Gelbunterstützungen i» Thätig*eit zu bringen. V Es fragt sich ja ohnehin, welcher Vortheil e« für da« Turiner Cabinet wäre, lediglich dafür, daß der Eremit der Westmächte ihm die Beschaffung der Geldmittel er leichtert, 15,000 Mana wie e« heißt nach der Krim zn senden, da e« durch solche Opfer zunächst nicht- erlangen würde, als was eS schon jetzt hat nämlich Vie SympatH« der Westmächte, die ohnehin Willens und berufen find, die Existenz Sardiniens als unabhängigen Staat ohnehin in jeder Weise zu schützen. Die Aussicht auf Verstärkung der Kraft« d»r See staaten ist allerdings ein wichtiger, keineswegs aber der wichtigste Moment bei Abschluß deS sardinischen Bünd nisse« mit England und Frankreich. Dasselbe ist «och aus zwei andern Gründen wichtig. Zuerst ist Sardinien der erste größere Staat zweiten Range«, der sich den West mächten vertragsmäßig für die Dauer der orientalische« Krisis beigeselll hat. So etwas erleichtert und erinuthigt die Nachfolge anderer Staaten. Man spricht schon davon, daß auch Schweden, vielleicht auch Belgien, und e« ist möglich, daß in letzter Instanz auch Dänemark bestreit« würden. Der andere Grund liegt noch näher: Das neu« Bündniß vom 10. Jan. mag. wenn auch nicht als ein« Drohung, doch al« ein bedeutsamer Wink für Oestreich angesehen werden, ein Wink nämlich für den Fall, daß Oestreich die jüngsten Zugeständnisse Rußlands einseitig in seinem Interesse auszubeuten suchen sollte. Die Ea- binette von Turin und Wien stehen sich in neuester. Zeit nicht mehr freundlich gegenüber; unleugbar haben in der letzten Zeit Annäherungen zwischen ihnen stattgtsunden, auch werden beide Cabinette so verständig sein, daß fit ihre Politik nicht lediglich durch Erinnerungen einer nahen Vergangenheit leiten ließen. Jndeß find Sardinien und Oestreich natürliche Rivalen in, dem bestimmenden Einfluß auf die Geschickt Italien«, und ihr« Bestrebungen geh««