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27. Velober 1854. Inserate werdrrr mit 8 Pf. für di« Zeile gerechnet u. in allen Ex peditionen an genommen. Freitag. Erscheint , - . UZWeikeritr-Ieitung. ten. Preis Quart. l ONzr. Ein unterhaltendes Wochenblatt für den Bürger und Landmann. Verantwortlicher Nedacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Oestreichs Berhältniß zu Preußen und Rußland. Das wichtigste Actenstück, welches die neuesten Zei tungen enthalten, ist eine vertrauliche Depesche, die Oest reich an seine auswärtigen Gesandtschaften gerichtet hat. Die jetzt bekannt gewordene Depesche ist von glei chem Datum, wie die letzte Note gegen Preußen, in wel cher sie auch als vertrauliche Mittheilung erwähnt ist. Sie hat das Verdienst voller Klarheit und Unumwundenheit und ist so abgefaßt, daß alle Zweifel über das, was die nächste Zeit bringen wird, verschwinden. Sie stellt die bedeutende Differenz zwischen dem Ber liner und Wiener Cabinet mit folgenden Worten dar: „Zwei Punkte sind es besonders, die man von Ber lin aus mehr oder weniger ausdrücklich von uns verlangt. Man glaubt, daß wir die Donausürstenthümer etwaigen offensiven Operationen der Türken und ihrer Verbündeten gegen Rußland verschließen sollten, und man wünscht von uns eine Zusage zu erkalten, daß wir, wenn Rußland uns nicht angreift, unserenfalls nicht zum Angriffe über gehen werden. Das eine wie das andere dieser Ansinnen ist aber mit unserer Stellung entschieden unvereinbar. Wir trachten unS nicht für befugt, in den Fürstenthümern die Operationen der kriegführenden Mächte zu behindern, und wir können in keinem Fall die volle Berechtigung auf geben, aus unserer gegenwärtigen Stellung einer bewaff neten Expectative (Abwartens) in diejenige eines Theil- nehmers an dem Kriege überzugchcn " In diesen zwei Hauptpunkten der Differenz recht fertigt Oestreich sein Benehme» durch folgende Gründe: Erstens behauptet Oestreich, es könne den Frieden, den eS wünscht, sich nicht von fremden kämpfenden Mäch ten schenken lassen. Das heißt mit anderen Worten: Oest reich will der Schmied seines eignen Schicksals sein und dies weder von der Gnade Rußlands, noch von der der Westmächte abhängig machen. Obgleich die Depesche hier über sehr eiizsilbig ist, und sich mit dieser einzigen An deutung begnügt, so ist sie doch klar genug, um vollkom men verstanden zu werden. Oestreich sagt sich mit vol lem Recht, daß ein Staat, der in einer solchen Krisis nichts thut als Abwarten, in jedem Falle des künftigen Friedens zu kurz kommen muß. Ein Staat darf seine Interessen nicht andern Händen anvcrtrauen, sondern muß sie selber wahrnehmen. Oestreich ist staatsklug genug, um einzusehen, daß nach einem solchen Kriege sowohl der Un terliegende wie der Siegende sich an dem Gebiet des gleich gültigen Zuschauers bereichern. Der Unterliegende, um sich Ersatz zu verschaffen, und der Siegende, um seine Urb erwacht zu benutzen. Oestreich nkiß speciell, daß ihm Rußland niemals sein bisheriges Vethalten verzeihen wird, und soll ihm Rußland nicht nach dem Kriege furchtbar werden, so muß sich Oestreich ihm furchtbar machen. Diese Ansichten Oestreichs kommen freilich einer offe nen Kriegserklärung gegen Rußland gleich; aber Oestreich ist klug genug, die Kriegserklärung oder den Angriff Ruß land zu überlassen, und verheimlicht dies jetzt keineswegs mehr. — In Bezug auf sein Verhalten in den Donaufürsten- thümern ist Oestreich noch offener und deutlicher, und die Depesche stellt dies so klar dar, daß wir dieselbe mit ih ren eigenen Worten sprechen lassen müssen. Die Depesche sagt hierüber: „Wir dürfen unS zur Mitbesetzung der Donaufär stenthümer nur unter der doppelten Voraussetzung für er mächtigt halten, daß wir solche gegen jeden Angriff der russischen Streitkräfte schützen, und unS der Kriegführung der verbündeten Mächte nicht in den Weg stellen. DaS folgt aus uvscrer Convention mit der Pforte und steht auch in vollem Einklänge mit dem, waS wir stets sowohl gegen Rußland als Andere behauptet und ausgesprochen haben. Als wir die Räumung der Donausürstenthümer gefordert, haben wir ausdrücklich stipulirt, daß keine Be- dingniß daran geknüpft sein dürfe, deren Gewährung au ßer dem Bereiche unserer Macht stehe. Darauf hat Ruß land sich zur Räumung geneigt erklärt, jedoch von unS Garantien gefordert, einer Verfolgung des Feindes und weiteren Angriffen nicht ausgesetzt zu sein. Dies haben wir verweigert. Dann erst hat Rußland erklärt, aus rein strategischen Gründen sich zurückziehen zu wollen, und eS hat dadurch einem Conflict vorgebeugt, den unser unwi- derruflich gefaßter Entschluß sonst zur Folge gehabt hätte. Diesemnach hat nicht Rußland »ns die Donausürstenthü- mer übergeben. Es hat sie ihrem Schicksale preisgegebe«. Wir sind dann eingerückt, weil wir hierzu das Zugeständ- niß der Türkei hatten. Die Türken ziehen in Folge ih rer Kriegsop-rationen hinein, und ebenso können Franzo sen und Engländer Kraft ihres mit der Pforte geschlos senen Allianztraktates nachrücken. Wir haben sonach wohl die Berechtigung, in den Fürstenthümern zu sein, aber keineswegs die Befugniß, andere als die Gegner der Pforte daraus mit Gewalt auszuschließen, noch weniger aber die, den kriegführenden Mächten vorzuzeichnen, zu welchem mili tärischen Zwecke sie in diese Länder einzurücken hätten. Einen solchen Anspruch könnten wir nicht erheben, ohne sofort eine berechtigte Einsprache gegen unser Verfahren hervorzurufen." ' . , Diese Sprache Oestreichs halten wir für vollkommen klar. - Ohne Zweifel ist diese vertrauliche Depesche dem preußischen Kabinet bereits zu Anfang dieses Monats be kannt geworden; wir sind deshalb um so höher darauf gespannt, die Antwort Prcußen'S auf die Note vom Lk September kennen zu lernen. i: -