Volltext Seite (XML)
Freitag. ^§44. 9. Juni 1854. Erscheint _ . Inserate WWeißevitz-Ieitung.M ten. Preis pro s pedittonen «N- Quart tONgr. . . . ' genommen. Ein unterhaltendes Wochenblatt für den Bürger und Landmann. Verantwortlicher Redacteur: Carl Jchne in Dippoldiswalde. Der badnische Kirchenstreit und die orientalische Frage. Unsre Zeitschrift hat schon früher mehrfach Gelegen- heit gehabt,-unfern geehrten Lesern von dem Streit des katholischen Erzbischofs in Freiburg gegen die von Gott verordnete Obrigkeit im Großhcrzogthum Baden zu berich ten. Jener Streit, in welchem die katholische Geistlichkeit beinahe eine völlige Unabhängigkeit von der Regierung forderte, hat bis jetzt angedauert und ist vom Erzbischof in Freiburg in einer so rücksichtslosen Weise geführt wor den, als lebten wir noch im finstern Mittelalter, in einer Weise, daß selbst denjenigen Leuten die Augen aufgehen, welche den katholischen Clerus nur aus lauter Vertretern der conservativen Interessen ansahen. Jüngst hat nun der Erzbischof alles Vermögen der katholischen Kirchen Badens für Eigenthum seiner Kirche erklärt, über welche die weltliche Behörde keine Aufsicht führe» dürfe, zu welchem Zwecke jene Gelder ver wendet würden. Da ist der badischen Regierung endlich der Faden der Geduld gerissen und fie hat gegen den Erz bischof von Freiburg wegen Amtsmißbrauch und Gefähr dung der öffentlichen Ruhe die Criminaluntersuchung ein geleitet. Ob die badnische Regierung diese Maßregel consequent durchführen, oder schwankend in der gegenwärti gen Entwickelung sein wird, wissen wir nicht. Daß diese Maßregel der Regierung aber abgedrungen wurde, daß eS ihr unmöglich war, gegenüber den offenen Anreizungen zum Ungehorsam gegen die weltliche Autorität, noch län ger still zu schweigen, werden alle besonnenen Katholiken und alle Lutheraner, welche nicht herrschsüchtig find, zuge ben müssen. Eine Allmacht der Kirche, wie fie die badi schen und oberrheinischen Bischöfe erstreben, verträgt sich nun einmal nicht mit dem modernen Staate. Wenn wir aber auch hiervon ganz absehen wollen, so wird doch Je der zugeben muffen, daß die Aufreizung zum Ungehorsam gegen die Obrigkeit und die jetzige Zeit, wo von zwei Staaten der Krieg gegen Rußland erklärt ist, eine höchst unpassende, treulos, gewählte ist. Man hat sich nicht ge scheut, Tumulte unkundiger Landleute zu proviciren, man sucht den Streit in einer Zeit zum Austrage zu bringen, in welcher schon eine Spur deutscher Gesinnung drin gend gemahnt hätte, die Sache wenigstens jetzt ruhen zu lassen und die deutsche Eintracht nicht zu stören in einer Zeit, wo fie uns mehr denn je noth thut. Es ließe sich eine sehr beziehungsreiche Vergleichung zwischen dem Vorgehen der Ultramontanen am Oberrhein und dem Vorgehen der Russen an der Donau ziehen. Die Anfänge beider fallen um dieselbe Zeit, die verschiede- nen Stadien, die fie durchlaufen, bieten viel Aehnliches, und jetzt, wo die orientalische Krisis ihren Gipfelpunkt erreicht hat, ist auch der badnische Kirchenstreit am heftig sten entbrannt. Für Deutschland ist die orientalische Frage eine Lebensfrage geworden; die Aufgabe Deutsch- lauds wird bald sein, sie zu lösen und der Welt den Frieden zurückzugeben; aber Deutschland kann dies nur, wenn es einig ist über das Ziel und wenn namentlich alle störenden kirchlichen Händel, die leicht in confessiottel- len Hader ausarten, zum'Schweigen gebracht.sind. Wenn die Prälaten am Oberrhein gerade in der Gegenwart mit ihren übertriebenen, herrschsüchtigen Forderungen hervor^ treten, so arbeiten sie eigentlich demselben Rußland in die Hände, gegen das ihre ftanzöflschen Kollegen den Sieg der Waffen Napoleons erflehen, demselben Rußland, dessen sogenannten „heiligen Krieg" der Papst für einen unchristlichen erklärt haben soll, Die Ultramontanen haben die Zeit zur Ausführung ihrer Pläne nicht ungeschickt gewählt. Bei den drohenden großen politischen Stürmen mochten sie hoffen, daß ihnen in der Bedrängniß alles gewährt werden würde. Und doch haben sie sich eben so verrechnet, wie Rußland; die Sympathien der rohen Massen, durch welche sie zu schrecken hofften, find auSgeblieben; in den mittleren Kreisen der Gesellschaft beiderlei Confessio», wo mehr Einsicht herrscht, hat man den Streit mit Gleichgiltigkeit betrachtet und die badische Regierung hat, wenn auch einige Schwankungen vorgekommen sind, den Streit doch nicht aufgegeben. Hierin nurß man der Regierung ein festes AuSharren wünschen. Wenn Deutschland einig im Innern ist, wenn eS einverstanden ist über die Zielpunkte seines Handeln- ge gen die Pläne Rußlands, so ist es in der gegenwärtigen europäischen Krisis die entscheidende Macht durch die Zahl ihrer Landarmeen. Es scheint aber, als suche man erst diese deutsche Einhelligkeit, als sei fie noch nicht ganz vorhanden. Wir müssen gestehen, daß die österreichische Politik seit dem Handschreiben des Kaisers Franz Joseph an den Minister v. Bach, einen Gegner Rußlands, und seit der neuen Aushebung von 95,000 Mann Rekruten anfängt, mit deutscher Gesinnung Front gegen Rußland zu machen. Bereits ist das zwischen Oesterreich und Preu ßen abgeschlossene Schutz- und Trutzbündniß in Wien den. Vertretern der Westmächte vorgelegt. Die größer« deut schen Mittelstaatcn, Baiern, Sachsen, Baden, Würtemberg, die beiden Hessen, Hannover re. haben jetzt Abgeordnete nach Bamberg gesendet. Sie find damit nicht einver- standen, daß Oesterreich und Preußen ein Schutz- und Trutzbündniß geschloffen haben, ohne diese wichtige Angelegenheit durch den deutschen Bund vor her berathen zu lassen. Und wollen wir gerecht sein, so hätte stch's wohl geziemt, daß man durch das Organ des deutschen Bundes auch den Mittelstaaten, welche zusaE men bedeutende Armeen aufstellen können, um ihre-