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SOS wir die Maaren nur erst im Walde, so dürfen wir nichts mehr fürchten. Der Husar ist die zuverlässigste Laterne, die der Himmel uns senden konnte. — Aber wir beweisen unS ihm auch dankbar, indem wir alle drei Monat ein Pfund vom besten Tabak in Den Abgrund werfe», wo er wohnt. Ja, mit Geistern muß man sich auf einen guten Fuß setzen." Wir beobachrelen die Bewegungen dcS wilden Husaren noch ferner, und würden dessen sobald nicht müde geworden sein, Härte Therese nicht ihren Liebhaber daran erinnert, baß es bald Millecnacht sein müßte, und deshalb Zeit wäre, Vie Vorbereitungen zu treffen. Die Erwartung hielt unS wach. NikolaS halte die Kleidung verändert, und würde in seinem neuen Anzüge jedes Auge getäuscht haben. Auch die übrigen Schmuggler waren vollständig ausgerüstet; sie schnallten jetzt ihre ledern Gürtel fester um den Leib, faßten ihre gefährlichen Stöcke, und verließen bas Wirihshaus unter dem Commanbo deS jugendlichen NikolaS. Therese bat ihren Geliebten, vor sichtig zu sein, und empfing sein Versprechen mit einem langen, zum Herzen dringenden Trennungskusse. „Morgen sind wir frei und glücklich, Therese," sagte der Schmuggler. „Sei daher ruhig, mein süßes Herz." DaS benachbarte Gehölz nahm den ganzen Schwarm der Schmuggler auf. Ter Wind fing an zu toben; in der Ferne rollte dumpf der Donner von Berg zu Berg. Therese kehrte zu uns zurück, und nahm an unserer Seite Platz. Ihr Busen wogte in fieberhafter Aufregung, und sie versank in finstere Träumerei. Wik suchten sie durch Gespräch zu zerstreuen, aber sie hörte nicht einmal auf unS. „Mein Herz ist diese Nacht schwer bedrückt," sagte sie endlich. „Wäre er nur erst glücklich wieder zurück." Der Wind erhob sich jetzt heftiger. Große Regentropfen schlugen gegen die Fenster; der Wald rauschte, und einige Fichten, die dem Hause nahe standen, krachten, als ob sie brechen wollten. Der Wirch ging ab und zu, setzte sich zu unserem Tische, ging zur Thür, und lauschte mit geübtem Ohr, ob er etwas von den zurückkehrenden Schmugglern höre. Endlich näherte er sich uns, scheinbar sehr niederge schlagen, und indem er sein kleines Lederkäppchen von einem Ohr zum andern schob. „WaS glcbl'ö, Vater?" fragte Therese. „Der Husar ist fort, Kind," erwiderte er. „DaS Wetter hat ihn vertrieben. Wir sind nicht mehr sicher vor den Wächtern." „Himmel!" rief das Mädchen erschrocken. „Wie spät ist es, lieber Herr?" fragte sie dann mich. „Beinahe ein Uhr!" antwortete ich. . Daö Toben deö Gewitters und daS Rauschen deS hef tigen, mit Hagel vermischten RegenS hinderten unS, irgend einen fernen Ton zu hören. Zuweilen hätten wir darauf schwören mögen, wir vernähmen gelles Pfeifen, Pferdege- wieher und verworrenes Geschrei von Menschen; allein der Wirth gab unS die Versicherung, daß es nur das Rauschen des WaldeS wäre. „Ihr Sladtleule," sagte er, „habt ja keinen Begriff von unserem traurigen Leben." „Still!" rief plötzlich Therese, indem sie aufsprang. „Da sind sie!" Und wirklich hörten wir jetzt ganz deutlich Hufschlag von Pferden und daS Rollen eines WagenS. „Sie kommen! Sie kommen!" schrie das arme Mäd chen. Der Wirth öffnete daS Fenster, und sah hinaus. Der Sturm hatte sich gelegt, die Wolken begannen sich zu «heilen. „Da ist ein Wagen," sagte er, „aber die Pferde können kaum stehen, sie find auf den Tod gehetzt." Einige Leute, die den Wagen begleitet hatten, traten jetzt, athemloS und schweißtriefend, in daS Gastzimmer. „WaS giebt's Neues?" fragte der Wirth. Therese stand dicht neben mir, zitternd an allen Gliedern, und ich konnte ihr Herz beinahe schla-en hören. „Die Grauröcke kamen trotz Sturm und Ungewitter von den Bergen herunter und fielen über unS her. Wir ergriffen die Flucht, und waS aus den Andern geworden ist, mag der Himmel wissen. NikolaS hat noch mit ihnen zu lhun, und wird ihnen den Streich schon bezahlen." > „Ein Schuß fiel im Walde. „Horch!" rief Therese, „Ein Schuß!" Gleich darauf fiel ein zweiter Schuß, und dann eine ganze Lage. „So wahr ich ein Christ bin," sagte der Schmuggler, „eS ist aus mit ihnen. — Weshalb konnte der verwünschte Husar nicht noch eine Stunde länger Herumreiten? Derselbe würbe keinen Schnupfen davongetragen haben!" Der Wagen und die Pferde wurden untergebrachl und die Maaren mit wunderbarer Schnelligkeit an verschiedenen Orten versteckt. „Nun abee, meine Kinder," sagte der Wirth zu den Schmugglern, „jetzt greift Ihr die Grauröcke im Rücken an. Ihr seid ja diese Nacht stark genug, und wenn Ihr ihnen tüchtig eins auSwischl, so habt Ihr ein ganzes Jahr Ruhr. Die Leute waren im Nu verschwunden. DaS Feuern währte noch immer fort, jetzt aber von der linken Seite de- WaldeS. Ich sah mich nach Therese um, aber sie war verschwunden. Ich suchte sie im ganzen Hause, vergebens! Ich verließ das HauS und vor der Thür traf ich meinen Reisegefährten und den Wirth, die dem Gefechte aufmerksam lauschten. Therese war nicht bei ihnen. Der Wirth halt« sie nicht gesehen. Meine Theilnahme für daS arme Mäd chen war eben so lebhaft, wie meine Neugier, und ich suchte sie von Haus zu HauS. Als ich endlich von meiner ver geblichen Nachforschung zurückkehrte, vernahm ich von der Lust getragen einen Schrei, den ich nie vergessen werde. ES war der Ausdruck des Schreckens und Entsetzens. Ich blickte auf, und sah Therese auf der Spitze deS FelsenS stehen, doch nicht mehr als Mädchen, sondern als Viehtreiber gekleidet. Nur ihr langes im Winde siatterndeS Haar »er riech sie mir. Jcv rief ihr zu, baß sie herabkommcn möchte, doch sie dachte an nichts als an die Gefahr, in welcher st« ihren geliebten NikolaS erblickt hatte. Während ich noch sprach, war sie verschwunden. Von einer dunkeln Besorgniß getrieben, arbeitete ich mich durch daS Gebüsch, indem ich hoffte, sie aufhallen zu können. Ich verwickelte mich aber in dem dichten Unterholz- bald so sehr, daß ich meine Ver folgung aufgeben mußte. DaS Feuern wurde allmälig immer sparsamer, und hört« endlich ganz auf, aber weder ein Grenz-Wächter, noch ein Schmuggler ließ sich sehen. Therese, die ich als SiegeS- bolin zu begrüßen wünichie, kam ebenfalls nicht, und kein« Nachricht über den Ausgang deS Gefechtes war zu erhalten. Plötzlich erschallte Geräusch, steiö wachsend, bis es sich als das wilde Schnauben übermäßig angetriebener Pferde er kennen ließ. Zwanzig schwer beladene Wagen kamen l« Galopp durch den Wald, umringt von einer Menge bluten der Schmuggler. Ich eilte auf einen der vordersten zu, und vernahm von ihm in aller Hast, baß die Grenzwächter mit hartem Verlust zurückgetricben, alle Waarcn gerettet, und NikolaS angelegte Pläne trotz des unerwartenden Ueber- falleS vollkommen gelungen wären. Mein Herz fühlte sich erleichtert. Ich sah ängstlich nach dem Mädchen auS, dem ich zu dem Erfolge Glück wünschen wollte. Tie Schmuggler kamen allmälig Alle her, bei; Viele bluteten stark; Einige waren tödtlich verwundet. Ich hörte, daß im Walde Mehre gefallen wären, und daß NikolaS sich mir der Fortschaffung der Leichen beschäftigte. „NikolaS ist wie durch ein Wunder entkommen!" sagte Einer. Die Grauröcke schienen plötzlich wie mit Blind herr geschlagen zu sein, und verfolgten ein Gespenst, daS der böse Feind ihnen vorzauberte, in den Wald hinein. So entkam NikolaS, und nun kann er mit seiner Therese glücklich sein."