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152 liebt,. Deine Frau, Drin Kind, Deine und ihre Zukunft. Zu spät werden sie darüber jammern, wohin Du sie ge ehrt hast. !i Dahl war stehen geblieben und hörte ihn, ruhig an. lTttr Du besorgter, gewissenhafter Freund, sagte er, welch ^ftr Ehrenmann bist Du! — Wie traurig sür mich, daß ich Deinen edlen Absichten nicht Folge leisten kann. Aber jDu weißt eS; denn wenn ich plötzlich mich verwandelte, wenn ich Deines Gleichen würde — ' WaS willst Du damit sagen? fragte der Geheimrath, ihn heftig^unterbrechend. Der große stattliche Mann richtete sich stolz vor ihm auf, vor seinen durchbohrende» Blicken schlug Seiler die Augen nieder. —. Ich will sagen, sprach er langsam und fest, daß, wenn ich Deines Gleichen plötzlich würde, Dein gauzes Spiel verloren wäre und ein Heuchler den andern betrogen hätte. Du wagst eö — fiel Seiler, zitternd vor Zorn, ein — mix M meinem Hause zu sagen — Warum hältst Du mich auf? rief Dahl ihm zu; ihue kS nicht, Tu könntest npch mehr hören, waS Dir den Abend verdürbe. Doch Du bist über solche Kleinigkeiten fort, also Nochmals": Guie Nacht! ,s Regen und Wind schlugen auf der Straße den Fort- eilenden entgegen, aber Dahl achtete es nicht, und Clara, obwohl nur in einen leichten Seidcnmantel gewickelt, den Kopf in ihr Taschentuch gehüllt, sprach keni Wort. — Sie war so entsetzt über den Auftritt, so kummervoll, und ihr Herz so gefoltert von Qualen, daß sie keine Frage thal. Nach kurzer Zeit hielt Dahl ein Miethssuhrwerk an, und erst als dies mit ihnen weiter rpllke, schien er zu be denken, daß er der leidenden Frau eine Erklärung und Rechtfertigung schuldig sei. — Der Schein einer Lalernc fiel in den Wagen, Clara hielt das nasse Taschentuch vor den Augen und schien ihre Thronen zu trocknen. Mein armes Clärchen, sagte er, Du bist erschrocken, Du zürnest mir? Wie naß Du bist. Hier, nimm meinen Oberrvck, hülle Dich ein. — Ach! Vergebung, daß ich nicht, mehr Rücksichten nahm, aber es war mir unmöglich, auch nur eine Sekunde länger unter seinem Dache zu bleiben. — Fahre rasch, Kutscher! — Du frierst doch nicht? Laß mich D in Gesicht sehen. — Du weinst? Za, das macht mir das Herz schwer! Er Hinte den Arm um sie gelegt, nachdem er den großen Rock um sie geworfen. Jetzt ließ er ihn sinken und ergriff die kalte Hand der jungen Frau, die wie todt in 'seinen heißen Fingern lag. — Ich wußte es wohl, sprach er halb vor sich hin, daß es besser gewesen wäre, zu Haus HU bleiben. O, wenn ich bei meinem Kinde wäre! rief Clara vor wurfsvoll. Aber bin ich nicht selbst ein Kind, gelte sch Ächt dafür, werde ich nicht so behandelt?! O mein Gott! -- Kann ich doch nicht einmal erfahren, waS die Ursache dieser Scene ist, die uns in Nacht und Regen aus dem Häuft jagt, unS dem Gespött der Menschen preiSgiebk, uns zum Geklätsch macht und die letzten Freunde, die wir hatten, von unS trennt. Ich hatte noch keine Gelegenheit, Dir Aufklärung darüber zu geben, sagte Dahl, denn hätte ich eö dort im Hause gethan, so würde eine neue Scene durchaus ent standen sein. In Kürze verhält eS sich so. — Seiler hat Vpst Plan gemacht, mich zum vorttagenden Rath im Mi nisterium ernennen zu lassen, und der Onkel eröffnete mir, yqß Ls nur von mir abhänge, morgen die Berufung mit Wtstgerhöhung in der Tasche zu haben. — Daö sollte die BÜKcke meiner Versöhnung mit der Regierung und der Ue-dktzang zu einer neuen ehrenvollen Laufbahn sein. Ich lehnte ab — Du weigertest Dich? rief Clara; 0! nun verstehe ich Alle-. — Ich lehnte es ab mit allen Gründen, fuhr Dahl fort, denn unmöglich konnte ich mit Ehre und Gewissen eS ver träglich finden, meinen Abfall mir bezahlen und abkaufen zu lassen. Freilich, sagte sie erregt, Du bist nicht wie Andere, Du denkst nicht an Versöhnung und — denkst nicht an uns und an die Zukunft. Du bist gereizt, wie ich sehe, erwiderte er ruhig, aber würdest Du auch noch lieben und achten können, wenn ich von der öffentlichen Stimme alö ein feiler niederträchtiger Mensch gebrandmarkt würde? Wer würde das thun? rief die junge Frau. Menschen, die nichts zu verlieren und nichts zu hoffen haben; Männer von Verstand und Einsehen würden eS incht thun, sie würden sagen, daß Tu besonnen gehandeli hast. Mein Onkel ist in der ganzen Welt als einer der rcchischaffcnsten Männer bekannt, dec sein weißes Haar mit Ehren trägt. Er kann Dir nichts rachen, waS unehrenhaft ist; allein Dein Stolz sträubt sich, Du glaubst Dich zu erniedrigen, wenn Tn eine Stelle einnimmst, nach der so Viele vergebens sich sehnen. — Eine Erniedrigung, Geheimrath im Ministerium zu werden! Unerhöit und lief kränkend für meinen armen Onkel! — Dahl schwieg einige Minuten lang. Er hielr die Heftigkeit seiner Empfindungen gewaltsam zurück und kämpfte sie nieder. — Du bist, begann er dann, wie Frauen sind, vom Nächsten angeregt und vom Schein ergriffen, aber siehst Du nicht den Plan, der dabei zu Grunde liegt? Du glaubst, Seiler würde eö wagen, Dich zu täuschen, und eine ganze Geschichte erfinden?! O, nein! fuhr Dahl forr, er hat nichts erfunden, denn ich weiß von anderer Seile, daß man mich wohl durch einen Titel ober eine Beiordnung auf immer unschädlich machen möchte; aber Seiler weiß recht gut, daß ich nie mich so verächtlich vernichten lasse. Dennoch hat er die Sache betrieben, sich zum Vermittler angebolen, den Onkel hinein gezogen, ihm mir seinem süßen Eifer den Kopf ge, füll', bis der alte Mann überzeugt war, ich müsse die auS- gestreckie Hand der Negierung ergreifen, oder ich sei nicht wert!), von ihm noch angesehen zu werden. — So hat er es gut ausgesvnnen und glücklich zu Ende geführt, denn dec Bruch mit dem Onkel ist so vollständig, wie er nur sein kann. Der Wagen kiel! und beide Gatten traten schweigend inS Haus, aber schon aus der Treppe kam die Dienerin ihnen mit ängstlichem Gesicht entgegen und berichtete, daß daö Kind sehr unruhig sei, erhitzt und schreiend im Bette liege und kein Mittel eö still machen könne. In wachsender Angst wollte Clara dem Mädchen so gleich folgen, aber Dahl hielt sie zurück. Du bist naß und erschöpft, sagte er, Du darfst nicht eher zu dem Kinde, bis Du Dich umgekleidet hast und warm bist. Deine Gegenwart kann auch wenig helfen, so lange kein Arzt da ist. Beruhige Dich, ich will sogleich alle Anstalten treffen, die nolh thun. Nur widerstrebend war die junge Fran zu bewegen, dem Rathe Gehör zu geben. Dahi sandle'Boten aus nach zwei Aerzten, um wenigstens eines gewiß zu sein, dann begab er sich zu dem kleinen Kranken, der in heftiger Fieber hitze lag und ihm die Aermchen bittend entgegenstreckte. Die rolhe gefleckte Stirn und der heiße kurze Athen« machten den Vater aufs Aeußerste besorgt, aber er wagte nicht, seine Vermuihungen zu äußern, als Clara in höchster Aufregung mütterlicher Liebe daS Kind in ihre Arme schloß, eS mit Küssen und Thränen bedeckte, und mit zärtlichen Namen überhäufte.