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- Erscheinungsdatum
- 1941-05-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-194105300
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19410530
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19410530
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1941
-
Monat
1941-05
- Tag 1941-05-30
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Monat
1941-05
-
Jahr
1941
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Offene Herrgottsstrrben Von Johannes Aivschweng Briefes unvollständig bleibt, kannte Dr. Mateo die Echtheit des eigenhändig van dem grasten Entdec! er gei.l,riebenen Brieses durch die charakteristischen Merkmale seiner Handschrift, durch die Art der Faltung des Klaviers und var allein durch ein Stück von dem Siegel mit den Initialen des Christoph Columbus be weisen. Als Ich das letzte Mal in Rom war, bin Ich Tag für Tag zum St. Peter gezogen. Ich babe da ledesmal eine gute Weile vor dem gewaltigen Gottesbaus gestanden. Ich habe seine Fassade und sein« Kupziel mit liebendem Blich betrachtet und bin dann mit scheuen und ehrfürchtigen Schritten durch eines der Portale eingetreten wie in den Vorhof des Himmels. Am letzten Tag war es spät geworden, bis ich den Weg machen konnte, und das Tor war schon verschlossen. Da kam Ich mir ganz ausaestotzen vor und habe mich mit einem rich tigen Schmerz auf die weitere Reise gemacht. Aber auch St Johann im Lateran liebte Ich sehr, und Sapta Marin Maggiore, Sankt Paul vor den Toren und noch so manche andere berühmte und grotzartigc Kirche der Ewigen Stadt. Jede hatte ihr eigenes Gesicht und ihren eigenen Se gen. ihren eigenen Heiligen und ihr eigenes Tor zum Himmel aller Heiligen. Eine aber, von der Ich nicht einmal mehr den Ramon weih, eine so bcscizeidene, das; sie wohl nirgends in den Ver zeichnissen aufgeführt sein wird, hat mich am meisten die Hei- meligkeit der offenen Herrgottsstuben kosten lassen. Es war eine kleine Kirche in der Strahe, In der ich wohnte, in der Via Sistina. In den ersten Tagen bin ich sicher an ihr vorbeigegangen, ohne sie zu bemerken. So sehr stand sie Wand an Wand mit den hohen Häusern der alten Strotze, so sehr war sie eingehüllt in das ernste, ja fast verdrossene Graugelb, in dem sich so alte Strahen alter Städte gefallen. Aber dann bin ich doch einmal eingetrcten, vielleicht von «in paar Orgelklängen verlockt oder von einem blauen Weih rauchwölklein. das ins Freie entflattert war. Da war es dann, als ob ich jetzt erst ganz daheim sein würde in der grotzmäch tigen Hauptstadt der Christenheit. Die Kirche war wirklich nicht mehr als eine etwas weite und hoho Stube. Ich bin sicher: in den alten Palästen, die gleichfalls in der Via Sistina standen, gab es grötzere und höhere, von der Prächtigkeit gar nicht zu reden. Aber dieser matzlg grotze Raum, de» uralter Weihrauchduft durchschwelte, umgab einen gleich mit einer solchen Bertraut- helt, als ivenn er immer auf einen gewartet hätte In den ver- knieten und versessenen Bänken gab cs vornehme Damen, die aus den Palästen kommen mochten und Bettleraeslalten. deren Geschlechter seit Jahrhunderten keine andere Wohnung hatten, als In den Toreinfahrten der Paläste oder auf Kirchentreppen. Hier aber waren sie beide selig daheim. Wie die zierlichen alten Damen neben ven unrasierten und höchst unzierlich gekleideten Greisen knieten, ohne weazurücken oder das Kleid ängstlich zn- sammenzunchmen, darin lag etwas von dem Willen, datz in den langen Jahrhunderten dieser Stadt und dieser SIratze unter so unrasierten und elend gekleideten alten Männern mehr als einmal Heilige gewesen waren. Wenn aber diese Greislein respektvoll, aber gar nicht Lngstlich oder verlegen, in die gleiche Bank rückten, in der die erlauchte und wohltätige Principessa aus dem nächsten und die Marcl-esa aus dem übernächsten Palazzo satzen und in per- lcngeschmücklen Händen kostbare Gebetbücher hielten, so geschah das wahrhaftig in keinem anderen Gefühl, als dem der Freiheit der Kinder Gottes. Sie sahen wohl, datz der Parroco, auch ivenn er schon im Ornat war und eigentlich nur noch auf den Altar blicken sollte, eine Verbeugung vor den Damen machte und ihnen selber, den armseligen Wracks seines Gotlcshafens, vielleicht einen geduldigen oder ungeduldigen Blick vergönnte. Aber was war denn der Parroco gegen seinen Herrn und die Mutter des Herr», ach. noch gegen den letzten, jüngsten, kindlichsten Heiligen, von dem man ein paar Knöchlein aus einem unbekannten Märtyrcrgrab der Katakomben hergebracht hatte. Und der Herr und die heilige Jungfrau und die Heiligen alle, die waren für sie da. wie nur für irgend eine Principessa. Bei denen waren sie zu Gast für eine gute und heilige Stunde. Wenn irgend ein Dämchen — es wäre dann gewitz kein vor nehmes gewesen — die Nase gerümpft und das Gesicht ver zogen hätte, wegen des seltsamen Geruchs, der von diesen Bettlern aufstieg und den Weihrauchdust verdarb, dann wären sie gar nicht gekränkt gewesen, sondern hätten ihrem Lieblings heiligen und gar dem Herrn selber zugeblinzelt: Sichst du sie und müsstest nicht viel eher die Nase rümpfen und allein um ihretwillen? Nun hätten ja wohl die Vornehmheit des Reichtums und die der Armut in ihrem ererbten Recht, hier völlig daheim zu sein, sich gegen mich znsammentun und mir ganz ohne Worte, aber doch völlig deutlich dartun können, das; ich ein Eindringling sei. Aber sie taten es nickt. Sie machten mir Platz, wie sie cs füreinander taten, und als eine gemeinsame Andacht gebetet wurde, schob mir eine sehr vornehme schmale Hand das Büch lein hin. datz !ch auch In greisbaren und sagbaren Worten teil hätte an dem Segen dieser Stunde. Wie verloren kann man sein In einer fremden Etadti Wie schwer kann da mit einemmal alle Einsamkeit des Lebens auf einem lasten! Wie Heikes und ouälendcs Heimweh kann einem plötzlich ans Herz greifen! Und dann tritt man in eine solche .Herrgottsstube und ist in ihr so wohl aufgehoben und sindet Brüder und Schwestern, die einem acrne Raum aönnen In den stillsten Stunden ihres Lebens. Wenn ick der Princi- vesta auf der Strotze beregnete, würde sie natürlich keinen Blick für mich haben. Und wenn ich an dem armscliasten dieser Bettler vorbeischritte. würde Ich wobt ein wenig schau dern. So aber reicht mir die eine ihr Buck hin. und der an dere bekommt von mir in die Bank geholfen, in die er sein lahmes Bein sonst nur schwer hineinbräckte. Mir akier helfen beide In die stille Freude der Kinder Gottes hinein. Es war einmal „Es war einmal . . so beginnen unsere Märchen, manch mal wählen sie auch die deutliciicrc Betonung einer fernen Ver gangenheit, indem sie anheben: „Vor langer, langer Zeit ein mal", oder die magische Vorzeit wird durch Wendungen um schrieben wie: Als der liebe Gott noch selber auf Erden unter den Menschen weilte, als die Vögel sprachen und jedermann sie verstand, als man sich mit Stöcken und nicht mit Sveercn be kämpfte. kurz, als noch „die gute alte Zeit" war, da die Aehren 400- bis bOOsältig trugen und Frieden war. Das Märchen selbst zerbricht sich über sein Alter nicht den Kopf, und die Wisscnscliaft hat einen schweren Stand, wenn es seiner Entstehungszeit nachzi.gehcn versucht. Endgültiges lägt sich über den Ursprung und die ältesten Formen des Märchens nicht sagen. Datz die gleichen Motive sich auf der ganzen Weit finden, unsere Märchen schon bei den ältesten Kulturvölkern erwähnt werden, besagt nichts über Ort und Zeit ihrer Ent stehung. denn viele Züge weisen noch über die Hochblüten der ältesten Kultur, auf dunkle und primitive Vorzeiten zurück. Doch finden wir z. B. eine Verwandte unseres Aschenbrödels in der alläggptischen Geschickte von Rhodope, in der auch eine Sclmhprobe verkommt, und das Auseinanderleien durchein- crndergeworfener Körner und Hülsensrüchte, das dem armen Aschenbrödel aukgebmdct wird, wird auch von Psgche in dem altgriechischen Märchen verlangt. Arbeiten, die der klastische Mythos dem Herkules zuschreibt, finden sich auch Im deutschen Märclrcn, die Prometheus-Sage lebt noch heute Im Kaukasus: der Vrunhildcn-Mythos leuchtet durch das Dornröschen Mär- rvr- alt sind unsere Märchen? einen Stock herum: wenn einer stirbt, ohne leine Schulden zu lrezahlen, darf ihn der Gläubiger in den Schornstein hänge». Unehrliche Leute nundcn aufgehängt. in ältester Zeil an einem Baum, später am Galgen. Mittelalterliche Stralen erscheinen ini Märchen, wie aufs Rad flechten, teeren und federn, in die Nägellonne stecken, in vier Stücke zerreitzen lasten usw. Blanche Angaben überschneiden sich und scheinen einander zu wider sprechen, weil die alle Form, in der das Märchen uns überlie fert ist, auf einen noch älteren Inhalt zurückwciit. Co schimmert es also durch unsere Märchen aus unserer fernsten und näheren Vergangenheit, und stets singt es und sagt cs: „Es war einmal." Lin Brief -es Lkristoph Lolumbus ans trüben Tagen Eine sehr bedeutsame Entdeckung wurde von dem Staats archivar Dr. Andres Maria Mateo in dem Historischen Archiv von Simanea unter einer Anzahl von Dokumenten aus dem Besitz des spanischen Königshauses gemacht. Unter anderen un veröffentlichten Briefen von historischen Persönlichkeiten, so auch von Karl V.. wurde das Bruchstück eines Briefes gesun den. der unzweifelhaft non Christoph Columbus geschrieben ist Obwohl der zweite Teil des Sckriststückes mit der Unterschrift des Bnesschrestzers abgerissen ist, so datz auch der Tert des Der Brief ist augenscheinlich an die Königin Isabeila die Katholische gerichtet, und Columbus fleht sie darin an. datz sie ihn von neuem auf die Probe stellen und seinen Neidern, denen er verzeiht, nicht glauben, sondern ohne Verzug ein neues Un ternehmen nach Indien anordnen möchte. Tein Dokument 'chlt zwar das Datum, aber aus dem Inhalt geht hervor, datz es in einem Augenblick tiefer Niedergeschlagenheit nnd des Unalncks im Leben des Columbus geschrieben ist, und Dr Mateo kommt zu dem Schlutz, datz er in Granada in den Monaten August oder September des Jahres I.Rtt, also zwischen der dritten und vierten Reis» nach der Neuen Welt, verfasst ist Cs war nach der Zeit, in der die Feinde des grasten Entdeckers mit ihren Anklagen, datz er sich unabhängig machen wolle, bei der Köni gin Isabella durchgcdrungen waren, so datz sie Bobadilla nach Hispaniola sandle, um den Vizckönig zur Rechenschaft zu ziehen. Columbus wurde mit seinen beiden Brüdern verhaftet, in Ket ten geworfen und nach Spanien zurückgesandt, wo er sich i-doch rechtfertigen kennte und seine Würden bald wiedererlangle Der jetzt aufgesundene Brief ist der einzige bisher be kannte, den Columbus an die Königin Isabella gelchri ben hat, da unter den 20 eigenhändigen von ihm sich kein an die Herr scher gerichteter befindet, während einige unpersönlich geschrie bene in die Geschichte Westindiens des Frater Bartolome d> las Cnsas ausgenommen sind. Der neue Brief zeigt nun in seinem herzlichen nnd persönlichen Ton, dost die alte Harmonie des Geistes zwischen Columbus und Isabella wieder kergeslellt ist, die sich immer als die wahre Schutzherrin des grasten Unterneh mens erwiesen hat, und wahrscheinlich hat dieser Bries mit sei nem schmerzlichen und überzeugenden Ton bewirkt, dnst Colum bus im folgenden Jahre, am !). Mai tt>02. seine vierte Reise an treten konnte, auf der er allerdings wieder neue Enttäuschungen erleben sollte. Das gebe^nnisvolle Millionen vermächtnis eines Bettlers In der finnischen Stadt Pieiis an der Grenze zwischen Finnland und Rutzland erregt ein Ereignis grotzes Aussehen, das zu den verschiedensten tstcriichten und Vermutungen in der Bevölkerung Anlatz gegeben und auch eine gerichtliche Unter suchung hervorgcrusen hat. Ein uralter Bettler, von dem es heisst, datz er über tt» Jahre alt geworden ist, von patriarchalischem und zugleich im ponierendem Aussehen, dessen abgemagertcs Gesicht noch die Spuren einer autzerordentlichen Schönheit erkennen liest, ist jetzt gestorben nnd hat sür das Hstiswerk liir arme finnische Studenten rin Vermögen hinterlassen, dessen Wert aui 1 's Mil lionen Mark geschätzt wird. Jedermann kannte den alten Bett ler, der auf den Stufen der Kirche des HI. Nikolaus den Gläu bigen Heiligenbildchcn anbot und dafür Kapier, Nickel- und manchmal auch Silbermünzen von ihnen erhielt, soweit man sich zurückerinnern konnte, batte der alte Mann immer daaestanden. Als die Nachricht von der Millionenstistuna des Bettlers kam, glaubte man zuerst, cs wäre ein Scherz: aber dann wurde festgcstellt, datz der Verstorbene tatsächlich ein schwerreicher Mann war. In seiner Wohnung fand man eine Kassette aus Ebenholz, in der 2K000 Goldmünzen lagen Riksdaler. die alten kchwedischen Taler, Louisdor. Rubel uno >'oaar venc-ianische Zcchinen. Wie der Greis einen io grasten Reichtum l-oi an hausen können, wird wahrscheinlich immer ein G h i > ni viel» den Die eingestellte Untersuchung über die Herkun'i eB> r 'o grasten Menge gemünzten Golde-- Kat kein Licht in das r unkel gebrach«. Man bat nur festgestelll. dost der Bettler während eines halben Jahrhunderts, in dem er fick io berstiaie. immer ein lehr ordentliches und geradezu asketisches L Ken aestchrt hat Woher er selbst kam, konnte auch nickt mit Sicherste t er mittelt werden Es heisst, datz er in i nner Inaend - in berahm ter Tenor war, der aber aus die Tstealerlau'hastu verzichten mutzte, weil er von einer seltsamen Krankheit befallen wurde, die ihm dauernd die Stimme raubte Ein and res Gerücht a'-'er, das im Volk allgemein Glauben fand, will willen, datz es llch um einen russischen Grotzsürllen handelt, der weaen seiner libe ralen Idee» bekannt war und auf geheimnisvolle Weile iin Jahre von dem Peter-'-bur n-r Hos verlchwand- o's B we's führt man an. datz die meisten Münzen in seinem Besitz russische Rubel waren. Zweifelhafte Anpreisung „Ick kann Ibuen sagen", empfiehlt der Schneider seinen Stoff, ..dieser Stals ist glänzend." „Was. ruft der Kunde ent setzt, „jetzt schon!" ^WWWWWWW^WW!!tMWMWWMM!j!M!WWW>!W^j!jWWW!«W chen, der vom Siegfried durch so manche Geschichte. Das Mär chen vom „Tischlein-dcck dick" wird schon um !>00 v. Chr van dem griechischen Komödievdichtcr Krates erwähnt, das „Tap fere Schneiderlein" von Lnther und Fischart. Aus den Im Märclren erwähnten Ki.ltnrzusländen hat man fstiufig auf die Entstchunaszeit zu schlietzen gesucht, und tatsäch lich besitzen wir hier wichtige Anhgltsvunkte. in deren Anwen dung wir allerdings vorsichtig sein müssen, da die Generationen, die das Märcl-en weitergaben, sich vor Zusätzen nicht gescheut baden. So kommen z. B. in einem Märchen nebeneinander vor: Drachen und Kaffee. Riesen und Fabriken. Wir hören von Ka nonen und Dampfsclstfsen, von Nähmaschinen und Fernrohren, von Klavieren nnd Zeitungen in Geschicktchen. deren Alter in Tage znrückweis«. In denen man non all dem noch nichts mutzte. Wie das Märchen „modernisiert" wird, zeigt sich z. B bei „Schneewittchen", dem ja in der Grimmschen Fassung die böse Stiefmutter auch mit einem „Schnürriemen" nach dem Leben trachtet. Das ist eine Erfindung der Rokokozeit, denn keine Germanin schnürte sich, und so erscheint denn auch überall in den altgermanischen Fassungen in Island und Norwegen stait des Schnürriemens der Gürtel. Kleidung und Haarirackt gibt überhaupt niancltcrlel Auskunft, wenn auch ein grotzes Durch einander herrscht. Datz der Held im Märchen langes Haar trä-st, das ihm zur Strafe abgeschnitten wird, entspricht altaermani schem Braust, Ebenso ist die Kleidung im wesentl'chcn alt deutsch. die grauen Mäntel der Hirten reichen ins germanische Altertum zurück, die Rüstungen In die Rltterzcit. Datz sogar schon die jüngsten Töchter Schleppen tragen, verrät den Einflust derselben Epoche, während Strümpfe, Frauenschürzcn und Mcinnerkragen a-uf das 16. und 17. Jahrhundert hindeuten. Zu- den ältesten Formen gehören die Ticrmärstren. in denen ja noch Löwen. Drastien. Einhorn. Tiger und Anerocbs vorkommen. Unter den Löwen hat man sich freilich wohl viel fach mir Riesenkatzen vorzustellen, die wie Bären und Wölfe bis ins 18 Jahrhundert auftauchtcn. Dem Mittelalter entsvricht die Erwähnung von Stadttorcn, von Torschreibern und Durg- HNtern, und ebenso die Märchcnangabcn, datz cs noch keine Wirtshäuser gab oder datz die Wirtshäuser oft Näuberbuden waren, datz mmi LIchts»iäne brannte und mit Stahl Feuer machte. Altertümliche Sitten und Rechtsbräuche herrschen: Kinder dürfen von den Eltern ausgesetzt werden, ungetreue Frauen werden in einem Boot ihrem Schicksal überlassen, treue Gattinnen lassen sich lebend mit dem gestorbenen Manne be graben. Der Schulze, der eine Versammlung einberuft, schickt Juni Der Juni bringt uns mit der kürzesten Nacht und dem längsten Tag den Gipfel des Jahres und der ganze Manat ist gekennzeichnet durst, seine fast zauberhafte Helligkeit. Denn auch nach der Sonnenwende nimmt die Tageslänge nur so all mählich ab. datz wir beinahe das Gefühl des Stillstandes haben. In diesen Hellen warmen Iuniwachen. deren Wärme doch eigentlich nie in die drückende Hitze und Schwüle des Hoch sommers übergeht, entfallet sich die Blütenpracht der Natur immer noch reicher. Es ist wie eine leiste jubelnde Freudigkeit in allem, bevor die lange und ost lastende Zeit der Reife ein setzt. Das Laubgrün der Wälder ist nach hell und zart und spendet doch schon den notwendigen Schatten, in dem die ersten Farnkräuter, diese seltsamen Abkömmlinge urwelt'icher Formen, sich entfalten. Im lichten Unterholz blühen die Glochenblumen, auf Gebirgswiescn die Arnika, vom Volk als Heilpflanzen gern gesucht und. mitunter auch noch im abergläubischen Sinn, als Abwehrmittel gegen Gewitter nnd Blitzschlag, verwendet. Auch auf den Feldern wogt es nach in Hellem Graugrün, das Getreide feiert in diesem Manat ebenfalls seine Blüte und Bestäubung, für die der Bauer sich so dringend sonniges und wendiges Wetter wünscht. „Nordwind im Juni weht Korn Ins Land", heisst darum der alte Bauernspruch. Mit weniger freundlichen Blicken sicht der Bauer auf die blauen, meisten und roten Flecken der Feldblumen, die hier und da in seinem Acker auftauchcn. Kornblumen. Margeriten und Mohn. Der Wanderer aber freut sich der. Pracht und gönnt den Blumen Ihr bistchen Erdreich. Es wird ja heutzutage niemand mehr einfallcn. um die Blumen zu erlangen, ins Feld hlncinzulaufen und das kostbare Korn niederzutrampeln. Jedes Kind weist, datz wir damit unser tägliches Brot mit Fützen treten würden. Auch den blühenden Wiesen gegenüber sollten wir dieselbe Zurückhaltung üben, so sehr ihr Reichtum auch dazu verlocken mag, etwas davon mit nach Hause zu nehmen. Aber was jetzt, so kurz vor dem Schnitt, nicdcrgeireten wird, richtet sich nicht mehr auf. Unsere Gärten leuchlcn jetzt in buntem Frühsommerglanz. Der Juni ist ja der Monat der Rosen. In herrlichen Einzel blüten erscheinen sie an den Hochstämmen, ganze Beete voll niedriger Sorten breiten ihre verschwenderische Fülle vor uns aus. Kletterrosen ranken sich an Hguswänden und Zäunen empor. Mil der Schönheit der Formen und Farben wetteifert der Dust. Kein Manat des Jahres ist so eriülll von köliliären Gerüchen wie der Juni. Mil dem Rasenduft mischt sich der kräftig würzige der Nelken und der zartere de- Lilien und bunten Wicken, der berauschend siche des Hollunders und der blühenden Linden, der die Bienen zu reicher Ernte e.nlädt. Alle aber werden in der zweiten Monatskälfte übertäubt vom .Heugeruch, der von Parks und Garten her selbst die Strotzen der Groszstadt durchzieht. In immer zunehmendem Maste beherrscht auch der Ritter sporn unsere Iunigärten. Sein herrliches Blau, das wir 'n allen Schattierungen, vom zarten Himmelblau bis "nv dunklen Violet», finden, ist so recht ein Ausdruck aller Frübsommer- seligkeit und wirkt um so schöner, in je reicherer Fülle er bei- sammcnlleht. Für Farbe sargen im übrioen vock zablreicize andere Blumen und blühende Sträucher. Der Flieder, dellen Hauptjahreszeit in weniger späten Jahren als dem gegenwär tigen ja in den Mai fällt, blüht doch noch bis in den Juni hinein, ebenlo der Rotdorn. Päonien und Rhododendron schil lern in vielen Farben, prächtig golden und rötlich erglühen unter ihrem Laubwerk die Kapuzinerkressen, auch die Löwen mäulchen entfalten schon ihre bunte Pracht aus den Beeten. Für unsere Tafel spendet uns der Garten eine Fülle iungcr Gemüse, sriike Kirschen und var allem die schönste Frucht des Monats, die Erdbeere. Besonders beliebt ist der Juni bei den Jagern. Bringt er dach wieder die Jagd aus den Rehbock, der sein Gehörn blank gefegt hat und in der roten Sommerdecke steht. Der sorgsam hegende Waidmann schiesst jetzt nur die schwachen und kränklichen Tiere und schont die starken Böcke sür die Brunst, damit ihr Blut sich fortvflanzt nnd das Revier verbessert. Aber die Hguntfreude dieses Monats ist es ja gerade, durch den Wald zu pürschen, zu leben, was im Renier steht und die Tiere zu beobachten. Nebenbei ist es jetzt eine der wicistiasten Pflichten des Jägers, das Raubzeug kurz zu Kallen, das die jetzt überall blühenden Tierkinderlluben bedroht. Denn wenn auch das Tier dem Menschen als Beute und zur Nahrung dienen must, so ist es dach andererseits in seinem Kampf ums Dasein auf den Menschen als seinen 'natürlichen Beschützer nnd Heger an gewiesen ganz b' sar.ders in dieser Jahreszeit, wo cs mit der Aufzucht seines Nachwuchses beschäftigt ist.
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