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- Erscheinungsdatum
- 1941-04-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-194104155
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19410415
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19410415
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1941
-
Monat
1941-04
- Tag 1941-04-15
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Monat
1941-04
-
Jahr
1941
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Sächsische Volkszeitung Nummer 88, Seile S Dienstag, 15. April 1941 r S Blüte edelsten Gemütes ist die Rücksicht Fideii Osterbräuche rin Aiederland Lin Beitrag zur Volkskunde der Gbevlaufitz Von Vv. Johann Hille, lvölnisdorf cr ist erstanden durch das ganze Tors reitend, die Aufeisleoung des Hei» stand anderer liodo» tzinrso d! führen als Wappensprnch Giftbecher an die Lippen seht, und im letzten Kann dem Leben gerettet und verdunlielung vom 15. 4. 1S.57 Uhr bis 1». 4. ».«1 Uhr. mallen, bitterer ,an» wsi. den egt. mn vasst dal>c> men. Ischen dein Hirn der -rial rlar irr!« dcm slic» lacht wie ört )N!- hcn mr- lick) bliche mlnm unlile sront i d r Nebenesser, den ich übe, bei den Menschen, Nächstenliebe." festlich geschmückt Mann und Pferd, Oslcrfahne oder Statue mit dcm auf» dem feierlichen Liede: n v. iner lom« )>iet. enni:- lcuer- offen. mit l. ha» Lug" hrida See nicht, inlgc > hat rachi, pril. brach. iBeul« inzlg-it re und ..Niles, was lebet und schwebet, singet Alleluja!" rlie An- an. an- leist ocn. ladt den bei An- wie- senkt, »lagen Ber. ppen Sin zeitgemätzes Wort tetlung ! Kam» r einer - aus« Abtei« : Sira» onnnen 6 Uhr morgens, In manchen Orten noch früher, da ritten dl« Osterreiter hoch zu Roh, ' unter der voranwchcnde» erstandenen Heilande mit „Freut euch, Aus eigender Macht der Herr, Er legt die Hüll' in Banden Und gründet seine Lehr" Klingen in hriht: tverden. Alle diese dell zu Worte: Co Iaht Fr. W. Weber den Wolf In „Dreizehnllnden" grimmiger Ironie feststellen. Und diese Bemerkung trifft besteht. Du kommst nicht aus mit „Bitte schön", Die West ist heute ungezogen: „Macht Plah, ihr Herren!" Man will nicht geh'»? Schaff Raum, du hast zwei Ellenbogen! Die Rücksichtslosigkeit entspringt der Eigensucht. Wer nur an sich selbst denkt, muh rücksichtslos tverden und die Le- bensinteressen der Mitmenschen gering halten. Die Erziehung usi. neu vcr. ^>c>i 'ort. ntcr »vc- bc< igcr „FH und beih die Ist der Grundsatz. Und ich lernt' ihn Und dort heiht er Fr. W. Weber den Wolf In „Dreizehnllnden Diesen Vers nahm er fünf Jahr« später In das wunderschöne kleine Gedicht auf, das die Ueberschrift: „Für meine Söhne" trägt und ihnen als goldene Lebensregel dienen soll. Wo die Rücksicht nicht ausreicht, sondern das Uebel nur noch ver schlimmert, ist nur Rücksichtslosigkeit ein Heilmittel. Wer wollte einen Flegel oder Knoten wohl mit Rücksicht heilen können! Sicherlich kann mancher darunter durch eine rück sichtsvolle Haltung beschämt werden, aber das wird seltener der Fall sein. Darum ist zuviel Rücksicht, übertriebene Rück sicht nur Feigheit, wo es gilt, ein Exempel zu statuieren. Zu viel Rücksicht ist eine Lüge und kann ei» persönliches Ver schulden werden. Wobei es auch gleichgültig ist, ob es sich um sogenannte Freunde handelt, mit denen der Verkehr schon zur Qual geworden ist und alles nach einem reinigenden Gewitter schreit, das nur in rücksichtsloser Wahrheit und Wahrhaftig keit Aavtoffelbrsi im Säuglingsaltev? Während die moderne Mutter bereits gelernt hat, ihrem Säugling schon nach wenigen Monaten Gemiisebrei von Möh ren, Spinat usw. zuzusüttern, hat sie noch heute im allgemeinen «ine noch von wenigen stark vorgefasste Meim.ng gegenüber «iner Verwendung der Kartoffel im Säuglingsalter, da diese Erdfrucht fälschlicherweise im Zeick>en der Minderwertigkeit steht. Und doch ist auch die Kartoffel eine durä>aus wertvolle Bereicherung der Säuglingscrnährung. und zwar insbesondere in Form der zerquetschten und mit Gemüse gemischten Pellkar toffeln. da in dieser das Vitamin C rveitgehcnd erhalten ist. Einen Schritt iveiter bedeutet dann noch die Verabreichung der ungekochten, d. h. der Rohkartoffcl an Säuglinge, worüber kürzlich aus «iner Hamburger Kinderklinik berichtet wurde. Hierbei werden 1—2 rohe, geschälte Kartoffeln gerieben und dann Saft und Substanz mit dem Brei von 2—8 in heihem Was ser aufgeweichten Zwiebäcken gemischt, wozu noch «den 10 gr Zucker, 1—2 Teelöffel Zitronen» oder Apfelsinensaft gegeben werden können. aus, landes verkündend, und dabei Gaben ine kirchliche oder hu» manitüre Zwecke einsammelud. Es ist ei» sarbcuprächtige» Bild, welches dieser Osterreilerzug dem fremden Beschauer darbictet, und welches alljährlich viele aus dem angrenzenden Sachsen hcrbeilockte: Boran der Fahnenträger mit der leuch tenden Aufcrstehungssahne, hinter ihm paarweise die Oster» reiter im schwarzen Anzug und Zqlinüer. Fähnchen in den Händen tragend. Ratz und Sattelzeug mit Blumen geschmückt. Wenn man zu einer bestimmten Zeit am Bormitlag des Oster sonntag in dem im Bezirke Hainspach zentral gelegenen Orte Wölmsdors auf einem 'Berghügel siel, ansbielt, dann konnte man nacheinander die Weisen der Oiterii.der der den Orts gemarkungen sich nähernden Osleriänaer uno Lsterreiter- vereine von Groh Schönau, Hainspach. Niidorf und Lobendau hören und dazu die zum Hügel heraus klingenden Lieder des Wölmsdorfer Oslerrrilervereins. Es war ein Singen und der Luft, ivie cs so schön >n einem allen Oslerliede Gegen Orten „Grosser Gott, wir loben Dich" gesungen haben. , darf versammelten sich früher ! Uhr nachmittags noch einmal die Mitglieder des Osterreitervereins im stillen, stimmungs vollen Wallfahrtskirchlein. um ans dem Elwr der Kirche noch einmal all die Ansangsstrophen der schönen Osterlieder abzu- singen und manch stiller Beter lauschte im Schiss der Kirche diesen weihevollen Auserstehungsgesüngen. Bis zum Jahre 1004 kam am Ostersonntag nachmittags der Oslersängcrvcreiu von Grotz-Schönau nach Wölmsdors und setzte so am Nachmit tage die Tätigkeit des Wölmsdorser Osterreitervereins fort, indem er, von Haus zu Haus gehend, seine Oslerlieder vortrug. In Orten, wie Grotz-Schönau und Nirdors. wo es einen iveiten, ausgedehnten Bereich zu umreiten gatt, da setzten die Oster- reitcrvereine ihren Osterumzng in den einzelnen Ortstcilen bis in den sinkenden 'Abend hinein sort. Zu meinen Jugend zeiten habe ich im Niederlande manch begeisterte Osterreiter und Osterfänger gekannt, welche am Karsamstag abends ost «inen weiten Weg zur Psarrkirche nicht scheuten und nur aus religiöser Begeisterung zur Verherrlichung des Oitermorgcns und der Auferstehung des Heilandes diese Bräuche ausübten. So beispielsweise der „Eberböcke" l obere Backer>. ein frommer, ticfreligiöser Manu, welcher lange vor Ostern schon beim Backen Osterlieder sang in Borsrenüe aus die kommende hehre Osterzeit Einmal lnkam er vor Ostern eine schwere Lungen- und Rippenfellentzündung, aber die körperlichen Schmerzen dieser schweren Erkrankung taten ihm bei weitem nicht so weh, als der seelische Schmerz, den er empfand, als die Osterreiter an seinem Hause vorüberritten und er die alt gewohnten l)«rrlick)en Weisen zu seinem Krankenlager heraus schallen hörte: «r konnte sich einfach den hekren Ostermorgen nicht vorstellen, an dcm er nicht selbst hock zu Rotz diesen Tag mit verherrlichen konnte. (Schlutz folgt.) mit ... ... , ins Cchwarze. Keiner dieser rücksichtslosen Rüpel, Flegel und häss lichen Charaktere wird es zugeben wollen, dass cr hätzlich und gemein handelt. Er wird im Gegenteil Schcingründe genug jinden, um sein häßlicl-es Charakterbild mit Katzengold zu überpinseln. Gegen dieses menschliche Unkraut gibt es nur ein Gegen mittel, nämlich die gleiche Rücksichtslosigkeit. Die allein ist der beste Spiegel, der ihnen vorgeyalten iverden kann, damit sie ihre abstossende Fratze darin erkennen. Hier wäre Rück sicht nur jämmerliche Schwäche. Der Dichter Theodor Storm gab in einem Briefe vom 20. November 1850 dem Dichter Eduard Mörike folgenden Rat: „Blüte edelsten Gemütes Ist die Rücksicht; doch zuzeiten Sind erfrischende Gewitter Golden« Rücksichtslosigkeiten* 2. Fortsetzung. Wenn sich dann nm Karsamstag abends di« Aufcr- slehuttgsnacht, die „Ustcrnacht", wie sie in der heimatlichen Mundart heisst, die „nox sanctissima", die hochheilige Nacht der Kirci-ensprnche, ans die niederländischen Fluren hernicdersenkt, dann machte sich einst die während des langen Winters und der Fastenzeit lang zurückgcdämmte Aufcrstehungssehnsuclst des Volkes in vinem grotzartigen Auserstehungsjubel Luft, der sein« äutzerliche Darstellung erfuhr in altehrwürdigen weihevollen Oslersittcn und Bräuchen. Seelischer Stimmungs zauber einer Osternacht auf A l t n i c d e r l ä n de r Boden! Um 6 Uhr abends ertönten die Böller zum ersten mal und leiteten damit den Beginn der Osternacht, des Oster- Heiligabend. wie sie im angrenzenden Sachsen heisst, ein. Feierlicher Glockcnton schwingt über die heimatlichen Berg wälder in der Abenddämmerung von allen Kirchtürmen und ladet zum Besuche der kirchlichen Auferstehungsfeier, der „Auf erstehung", ivie dieselbe Kurzweg im Volke genannt wird, ein. Die Pfarrkirchen sind bis zu den Emporen hinauf mit An dächtigen überfüllt. Nachdem znm letztenmal die schwermüti gen Weisen des Fastenlicdes „Latz mich deine Leiden singen", verklungen sind, wird zwischen Chor und Altar der hock>er- habene 50. Psalm gesungen, der gewaltig cinherrauscht als ein Hmnnus der niederen Kreatur an die Gottheit, der in den Worten gipfelt: „Exaltare super coelos, Deus et in omneni terram gloria stia". lErhebe über die Himmel, Herr, über die ganze Erde dein« Herrlichkeit!). Wenn dieser Psalm mit sei »er alten schönen gregorianischen Weise, wie «s seinem er habenen Inhalte entspricht, feierlich getragen gesungen wird, so ist es für den Zuhörer ein hoher religiös künstlerischer Ge nutz. Beim naiven Volke, ivelches des Lateins nicht kundig ist, wird die monumentale Wucht, die diesem hocherhabencn Psalme innewohnt, dunkel gesühlsmätzig ersatzt und geahnt. Und es verfolgt dann mit höchstem Interesse die sambolische Darstel lung der Auferstehung des Heilandes. Wenn der Priester am Altäre dreimal mit erhöhter Stimme die Auferstehung des Weltheilandcs verkündigt mit den Worten: „Christus ist auf erstanden!" und ivenn dann beim jedesmaligen Ankündigen eine den Heiland darstellende Figur hinter dem Altäre jedes mal ein Stück höl>er kam, dann hoben auf den Emporen die Mütter ihre Kinder empor, damit sie diesen feierlichen Mo ment nur ja ganz anschaulich miterleben können. Nachher findet aus der Kirche mit dem Allerheiligsten eine kurze Pro zession rings um das Gotteshaus statt, worauf dann zum Schlutz als Beendigung der kirchlichen Auferstehungsfeier ein feierliches „Tc Deum" gesungen wird. Nach der kirchlicl-en Feier formieren sich vor der Kircku' die heimischen Ostersängcr- vcreine, geschmückt mit ihren Osterschärpcn und unter Voran tragen von Kirchenfahncn, welche die Auferstehung des Hol landes zeigen, um den Osterumzug durch das festlich illumi nierte Dorf unter Absingen alter schöner Osterlieder zu be ginnen. Diese Auferstehungsnacht ist überhaupt von einem strahlenden Glanze erfüllt, selbst das einsamste Feld- und Wald kreuz ist mit Blumen über und über geschmückt und hellbe- leuchtct, denn es ist ja die Nacht, welche den Triumph des Lebens über den Tod bringt. In Orten wie Wölmsdors. wo es keine Pfarrkirche und keinen Ollersängervercin gibt, gehen in der hochheiligen Ostcrnacht Volkssängerarunpen von Haus zu Haus, um unter den Klängen des heimatlichen Volksinstru mentes. der Ziehharmonika, die Auferstehung des Gekreuzigten zu verkünden. In dieser Nacht erschallet rings ein Jubel ohnegleichen, in jungen Jahren bin ich ost in der Osternacht van Dorf zu Dorf gewandert, um den feierlichen Stimmungs zauber dieser einzigartigen Nackt voll auszuschöpfcn. Wenn man rings in allen Orten die trostreiche Botschaft von der Auf erstehung des Heilandes erklingen hört, dann überkommt einem «ine Ahnung von der Nichtiakcit des Todes und der Unsterblichkeit alles Lebens, «ine Stimmuna. wie sie unser grötzter deutscher Dichter Goethe in seinem ..Faust" so herrlich dargestellt hat. wie Faust, lebensmüde und verzweifel^ am Ostcrabend den Giftbecher an die Lippen setzt, und im letzten Momente durch die von der Stratze herauf erschallenden Auf- erstchunaslieder „Christ ist erstanden!" " " ' wird: „v tönet fort ihr süßen Osterlieder! die Träne quillt, die Erde hat mich wieder!" Uraltes deutsches Geistescrbe aus Frankenstamme sck>cl- nen diese feicrliä)en Oslerbrüuche im Niederlande zu sein, denn Goethe war ein Rheinfranke und die ersten bäuerlici>«n Besiedlet: unseres heimatlichen Bodens waren mainfränkisck)« Bauern. Erst spät nach Mitternacht verebbt auf ganz kurze Zeit in dieser Auferstehungsnacht das Leben, nm frühzeitig schon wieder mit lautem, feierlichen Jubel einzusetzen. Um 8 Uhr früh erklangen einst am Ostermorgen schon die Böller in Anlehnung an ein« Schriftstelle: „Er erstand vor Sonnen aufgang". Altdeutschem Volksglauben, wonach die Sonne am Ostermorgen beim Aufgange drei Freudensprünge macht, und datz das vor Sonnenaufgang geschöpfte Wasser heilbringend sei, welcher Glaube heutzutage noch vielfach in der Lausitz ver breitet ist, mag es wohl entsprossen sein, wenn in einzelnen Orten sich am Ostermorgen zeitig früh Leute auf einer Berg höhe «infanden, um den Aufgang der Ostersonne zu erleben. Um 4 Uhr früh rücken meist schon die heimiscl-en Osterfänger- verein« wiederum zum Vsterumzug« durch das Dorf aus. Um zur Rücksicht wird schon in der Kindheit, in der Familie be ginnen müssen. Wo Eheleute von, Anfang an sich daran ge wöhnt haben, auseinander Rücksicht zu nehmen, gibt es eine harmonische und glückliche Ehe. wächst die Liebe zu einem hei ligen Feuer empor, das niemals erlischt. „Die Leidenschaft flieht, die Liebe mutz bleiben". Und die Menschenblumen, die solcher Ehe entsprießen, tragen den göttlichen Stempel der Liebe auf der Stirn, den göttlichen Funken der Liebe im Her zen. Ihnen ist die Liebe an- und eingeboren, und wo sich hier und dort kindlicher Egoismus regt, lässt er sich sehr leicht ausrotten. Aber diese kostbare Pflanze bedarf der Pflege, datz sie nicht verkümmert. Der Pflege auch in der Schule, die edle Bescheidenheit und mit ihr die Rücksicht auf die anderen weiter entwickelt und nachahmenswerte Beispiele vor Augen stellt. Daraus entspringt schließlich das köstliche Gut der Kamerad schaft, die zu unsterblichen Liedern begeistert hat und die Zierde nicht nur des Soldaten, sondern der menschlichen Gesellschaft überhaupt ist. Ein Volk, das so in edler Rücksichtnahme auf wächst und gehalten wird, wird unter den anderen glanzvoll bestehen und dann erst recht, wenn es wilde Stürme umbrau sen und schwerste Opfer von ihm gefordert werden. Glück und Harmonie im Herzen der einzelnen Person, in Familie. Ge meinwesen und Staat entspringen edler Rücksichtnahme, die «ine Tochter des größten Adels, des Adels der Nächstenliebe ist. Sie macht den Menschen erst zum Menschen im wahrsten, im göttlichen Sinne des Wortes und trägt damit Glück in jedes Herz, in die Familie, in Heimat und Volk. Tenn „Willst du dir, und dir nur dienen. Nirgend magst du Dank erwerben: Schmachten wirst du und am Ekel Vor dir selber mutzt du sterben." Das Pflänzchen Rücksicht ist sehr selten zu finden. Du musst schon lange suchen und recht sorgsam achtgcben, wenn du es finden willst. Zwar ist es recht kräftig und dick gesät wor den, aber doch nur spärlich aufgcgangen. Die Sonne fehlte, die das Pflänzchen weckte, und die Pflege blieb aus, es in recht stattlicl)er Anzahl und kräftig emporwachsen zu lassen. Auf dem Lande freilich ist das Pflänzchen Rücksicht doch häu- siger zu entdecken. Das liegt gewitz nicht allein daran, datz die Menschen auf dcm Lande nicht so dicht auseinander wohnen und datier mehr auf die gegenseitige Hilfe angewiesen sind als in der Stadt. Sicherlich lernen die Landbewohner aus dem großen, wundersamen Schöpferbuck)« Gottes mehr, als die Stadtleute es vermögen. Auf dem Lande ist alles die ein dringlichste Predigt. Nicht nur die verschiedenen Gräser und Pslanzen und Blumen wohnen rücksichtsvoll nebeneinander und gedeihen aufs beste. Auch die lebende Natur achtet sich unter einander und achtet auch eins auf das andere. Der Vogel baut sein Nest nicht dort, wo ein Artgenosse schon „siedelt", um ihm nicht den Nahrungsplatz kärgiicher zu machen. So tun es auch die vierbeinigen Lebewesen, und die Haustiere le ben erst recht friedlich nebeneinander und üben die nötige Rücksicht. Das rücksichtslose Unkraut dagegen wird ausge rissen, die unverträglichen Artgenossen der Vögel von dem großen Vogelthing verurteilt und aus dem Paradies getrieben, genau so wie die anderen Tiergesellschaften die rücksichtslosen Einspänner aus ihrer Mitte vertreiben. Wer das Glück, harte, eine Finken-, eine Krähengerichtssitzung, ja auch nur eine ge richtliche Sitzung der Spatzen zu beobachten und das Straf gericht dcm Richterspruche folgen zu sehen, hat einen tiefen Einblick in die wunderbare Ordnung des Lebens getan und für sich selbst recht Tiefes und Nachdenkliches nach Haufe ge nommen. Sicherlich ist auf dem Lande, in der Dorfgemein- schnft, die Rücksichtslosigkeit nicht unbekannt. Aber das stren gere Urteil noch innerlich unverfälschter Landbewohner erzieht zur rechten Zeit, läßt das Unkraut nicht auskommen und reißt es rücksichtslos aus, wenn es überwuchern will. In der Stadt, so will es mir manchmal scheinen, ist mehr das Unkraut Rücksichtslosigkeit zu finden als das edle Pflänz chen Rücksicht. Steige nur in die elektrische Straßenbahn oder in den Autobus ein. Kaum je wirst du einen Autobus oder eine Bahn finden, wo das Unkraut dir nicht heftig ins Gesicht sticht und das «die Pflänzchen Rücksicht gedeiht. Schon beim Einsteigcn drängt der Stärkere rücksichtslos den Schwächeren zur Seite. Jüngere Leute empfinden es als durchaus anae- messen, alte Leute abzudrängen und flinken Fußes hinauf- zuspringen. Selten gar reckt sich eine hilfreiche Hand, beugt sich ein Rücken, um herzhaft mit zuzupacken und ein schweres Gepäckstück hincinheben zu helfen. Ja selbst das bealückende Wunder eines Kindes rührt nur wenige zur hilfreichen Tat. datz sie also unaufgefordert zugreifen und einen Kinderwaaen auf die Plattform hinauf- odr wieder hinunterhcben Helsen. Und gar erst im Innern des Wagens. Besonders wenn zu starken Verkchrszciten die Verkehrseinrichtnngen eher einem Heringsfasse als einem Instrument zur Beförderung von Men schen gleichen. Wie viele gibt es. die dem Schaffner oder Schaffnerin den anstrengenden Dienst erleichtern, die nö'iae Rücksicht nehmen? sWobei durckmus zugegeben werden soll, datz es auch rücksichtslose Schaffner und auch Schaffnerinnen gibt.) Aber sie haben oft einen unerträglich schweren Dienst und können auf rücksichtsvolles Verständnis durchaus Anspruch erheben, wenn ihnen auch einmal die Nerven durchgehen. Wie viel Menschen gibt es doch, die sich rücksichtslos zu den Plätzen drängen, ohne darauf zu achten, ob nicht andere doch eher eines Ruhesitzes bedürfen als sie selbst. Leider mutz ich hier einfügcn, daß nach meinen Beobachtungen Frauen im allgemeinen mehr Rücksicht für sich selbst zu fordern pflegen, als sie gegen andere üben. Wenige Frauen habe ich z. B. noch getroffen, die einer Frau gcseanetcn Leibes ihren Platz an bieten. Am schlimmsten aber ist es mit den jungen Mädchen bestellt, die fast niemals einer älteren oder sogar einer kränk lichen Frau ihren Platz anbieten. Besser ist cs schon mit den jungen Männern, wenn auch leider nicht viel besser. Auch diese sitzen wie angcsckranbt scst und pflegen unverwandt nach draußen zu stieren, als ob sie nm sich Kerum nichts bemerkten. Nach dem spöttisch bissigen Worte: „Sie sehen nur so ange strengt hinaus, weil sie ein gutes Herz haben; denn sie können kranke und alte Leute nicht stehen fcl)«n." Dies Kapitel Stratzenbahnfahrt kann auf alle anderen menschlichen Lebensbezirke mühelos ausgedehnt werden. Dein Hausgenosse lässt das Radio brüllen, datz weder du noch deine Kinder den Tag über Ruhe haben und lassen es noch immer brüllen, auch wenn schon die Schlafenszeit längst herangerückt ist Andere reißen das Fenster auf. um noch im Garten ihr Radio hären zu können, obwohl sic sich sagen müssen, daß viele andere Ruhe haben und nicht gestört werden Ja, meistens dann erst recht. Und entflammen in Feindschaft, wenn schließlich die Polizei um Abhilfe gebeten wird. Im Hause knallen die Türen und toben die Kinder mit wildem Lärm durch die Stuben, wenn auch ein Hausbewohner krank daniedcrlicgt oder einige Ruhe für seine geistige Arbeit braucht. Von allen anderen Rücksichtslosig keiten bei der Wäsche, beim Tcppichklopscn usw. usw. ganz zu schwelgen. Und geht nur mal in die Konzert- und Theater garderoben, wo sich die wilden Hgänen um ihre Kleider bal gen, geht an die Kassen, an die Schalter, wo wenige nur Rück sicht nehmen und sich brav anstellen, wie jeder anständige Mensch es tut. Geht vor allem in die Fleiscl;er- und andere vebcnsmittelläden und seht euch einmal an, wie die Kräftig sten und Frechsten sich durchsetzen wollen, nur sich selbst kennen, aber von der schuldigen Rücksicht keine blasse Ahnung haben! Die rücksichtslosen Fahrer auf der Straße und die schlimmsten Ellcnbogcnnaturen, die Karrieremacher, die skrupellos über Leichen gehe», gehöre» ebenfalls zu diesem Kapitel, das zu lang ist, um selbst in einem dicken Wälzer erschöpfend behan dle 'Mittag zu löst sich der Oste 'eiterzug in einzelnen der Kirche auf. nachdem sie vor dem Gotteshaus« In Wölms-
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