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- Erscheinungsdatum
- 1941-03-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-194103013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19410301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19410301
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1941
-
Monat
1941-03
- Tag 1941-03-01
-
Monat
1941-03
-
Jahr
1941
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Ssnnabend/Sonntag, 1./S. M8rz 1841 SSchsts<K« BolstS'ett'Mg Nummer 88, Seite 8 praMrsthe Hsussrau Von den Vitaminen und ihrer Wirksamkeit Die Wissenschaft im Dienste der Volksgesundheit Kürzlich ging eine Notiz durch die Presse, in der darauf hingcwiescn nnirde, das; der Margarine jetzt reine Vitamine zugeseht würden, um dadurch hinsichtlich dieser Stosse eine iveit- gehende Angleichung an die Butter zu erzielen. Diese Maß nahme läßt erkennen, welche Bedeutung die Vitamine für das Wohlbefinden des Menschen l-aben. Die Seefahrer früherer Zeiten beobachteten, daß sie bei langen Reisen von Krankk-eiten befallen wurden, die sofort wieder verschwenden, ivenn sie an Land kamen und frische Kost zu sich nahmen. Gemüse und Obst eriviesen sich als besonders gute Heilmittel. In ihnen mußte also eine Kraft stecken, di« die Krankheit überivand Des Rätsels Lösung gelang aber erst der Wissenstest, die die Abivehrstoffe in diesen Nahrimgsmitteln vor etwa M Jahren auffinden konnte. Man gab ihnen den Na- uren ..Vitamine", ivas soviel wie Lebensstoff bedeutet. — Es sind Stoffe, die neben den Nahrungsmitteln für den mensch lichen Körper lebensnotivendig sind. Bon diesen unterscheiden sich die Vitamine aber dadurch, daß sie vom Organismus nur :n allerkleinsten Mengen benötigt iverden. MMleriveile hat man auch erkannt, daß es mehrere Arten von Vitaminen gibt, die man zur Untersctuüdung mit den Buchstaben A, B, C, D us.v. bezeichnet. Darüber hinaus weiß man, daß z. B. das Vitamin B auch wieder kein elnheitlici>er Stoff ist, sondern eine ganze Gruppe umfaßt, deren Ein.-elbestandteile man mit BI. B2, B3 usw. bezeichnet. Der Mensch braucht täglich >—2 Milligramm (das ist der tausendste Teil eines Grammes!) Vitamin A, ebensoviel vom Vitamin B t und B2. nur "-» Milligramm Nita min C und sogar nur ' '-/>» Milligramm Vitamin D. Die Mengen der übrigen Vitamine sind noch kleiner. — Der Mensch l>esit;t nicht die Fähigkeit, in seinen Ordnen aus den Nahrungsmit teln Vitamine selbst zu bilden, wie dies manche Tiere vermögen. Vielmehr muß er sie zusammen mit der Nahrung aufnehmen. Einige Vitamine sind zudem nicht hiizcbestäiüdtg und werden durch Kochen »erhört Dies sollte die Hausfrau bei der Zube reitung der Speisen besonders beachten. Das Vitamin A findet sich im Rindfleisch, Fischen, But ter und Eiern rind in der Milch. Aber weit größere Mengen sind im Gemüse, besonders Bohnen. Erbsen, Grünkohl, Karotten, Rosenkohl und Spinat, enthalten. Dieses Vitamin erhöht die Widerstandskraft gegen Infektionskrankheiten. Sein Fehlen verursacht außerdem Wachstumsstörungcn. Ferner glaubt man gewisse Augenkrankhciten tu. a. die Nachtblindheit) mit diesem Vitamin heilen zu können. — Vom Vitamin B. der kein ein heitlicher Staff ist. benötigt der Mensch besonders B 1 und B?. Das Fehlen des ersteren bewirkt Störungen des Stoffwechsels. Es kommt besonders reichlich vor in Grünkohl. Wirsing. Spinat, Linsen, Acpfeln, getrockneten Pflaumen und Kartoffeln. Weiter in Butler. Schweinefleisch, ln der Milch und im Eidotter. Jedoch sind die Mengen, die mit den aufgezählten pflanzlich» Nah rungsmitteln dem Körper zugcfiihrt werden, völlig ausreichend. Vitamin N 1 wird durch längeres Kochn zerstört und unwirk sam — Demgegenüber ist das Vitamin B2 hißebeständig. Es ist ebenfalls für das Wachstum notwendig. Sein Fehlen hat gewisse Hautkrankheiten zur Folge Es kommt in den gleichen Nahrungsmitteln wie das Vitamin D 1 vor. Besonders wichtig für den Menschen ist das Vitamin T. Sein Fehlen bewirkt Störungen im Mmeralstofsivechsel (Zahn erkrankungen, schlechtheilendc Haut- uird Knochnverleßunqen). Herzstörungen und Skorbut. Das Vitamin E kommt in sämt lichen Mcmnsearten und im Obst überreichlich vor, wird aber durch Kochn so gründlich zerstört, daß nur ein sehr geringer Teil dem Körper zugesührt wird. Eine Ausnahme bildet nur die Kartoffel, deren Vitamingehalt auch durch die Hiße kaum ver- mindert wird - Die im Frühjahr austretenden Ermüdungs- erscheinuihen sind ebenfalls auf den Mangel an Vitamin E zu- rückzuführen, was damit zusammenhängt, daß zu dieser Jahres, zeit Obst und Gemüse knapp sind. DasVitamtn D schließlich heilt die ..Englische Krankheit" und fördert das Knochemvachs- tum. Es kommt in unseren Nahrungsmitteln nu-r selten und >n geringen Mengen vor, z. B. in Pilzen, in der Milch und im Frischfleisch Aber glücklicherweise ist auch di« vom Organismus benötigte Menge nur äußerst gering- — Die übrigen Vitamine sind noch nicht restlos erforscht. Ihre Bedeutung ist noch nicht geklärt, well sie bi so winzigen Mengen vorkommen, daß sie nur sclpver überhaupt nachzuweisen sind. Es Ist bekannt, daß die Beigabe von Vitaminen zu-r Mar- garine nicht die einzige Maßnahme auf diesem Gebiet ist. Scl>on seit eiv'ger Zeit wird für Kinder und werdende Mütter beson ders vitaminl-alttger Zucker kostenlos verteilt. Ferner wird die für di - Kinderernährung bestimmte Milch bestrahlt, wodurch ihr Nitamingekmlt stark erhöht wird. All dies sind Vorsichtsmaß nahmen einer verantwortungsbewußten Gesundheitssiihrung, die uns im jetzigen Krieg unbedingt davor bewahren will, die gleichen Leiden wie im Weltkrieg erdulden zu müssen. Pünktlichkeit, eine Tugend der Krau Aber nur nicht zum Automaten werden — Kleine Freuden mit nehmen — Freund Wecker Es soll nicht in Abrede gestellt werden, daß es manchen Frauen vollkommen unmöglich ist, pünktlich auf die Minute mit irgendeiner Arbeit fertig zu sein oder sich ebenso pünktlich an irgendeinem bestimmten Ort elnzusinden. Es ist eine alte Beobachtung, daß dieses die gleichen Frauen sind, die auch nie mit ihrem Taschen- oder Wirtschaftsgelde auskommen. Sie können eben nicht einteilen, weder die Zeit, noch das Geld, was beides gewiß schwieria. aber durch Gewöhnung und llebung vollendet zu beherrschen ist. Aber diesen verhältnismäßig wenigen Frauen, die die Unpünktlichkeit auf Ihre Fahne geschrieben haben, denen es bei einer Einladung nichts ausmacht, wenn eine ganze Gesell schaft »iertelslundenlang auf sie warten muß. die bedenkenlos nicht nur ihren Anbeter, sondern auch ältere Personen warten lassen, die sogar zu geschäftlichen Besvrechungen zu spät kom men, steht die ungeheuer große Zahl der Frauen gegenüber, die sich durchaus nach der Ukr richten, mehr noch, die die Uhr geradezu in sich haben. Bei Ihnen kommt es nicht vor. daß sie die Kinder morgens nicht rechtzeitig wecken, daß das Essen nicht zur festgeseßten Stunde fertig ist. daß ein anderer um ihretwillen kostbare Zeit mit nutzlosem Warten vergeuden muß. Im Grunde arbeitet es sich gut nach der Uhr. Wenn man z. B. eine langweilige, einförmige Arbeit vor sich hat. so hilft man sich gut weiter, wenn man sich ausrechnet, wlevlel man im Laufe einer Viertelstunde oder von zehn Minuten fertig bringt- Der Eifer, in der nächsten Viertelstunde die gleiche Menge zu schaffen, läßt einem die Zeit wie im Fluge vergehen, und ehe man sich's versieht, ist die ganze Arbeit, vor der man sich ein bißchen fürchtete, getan. Man soll es einmal bei Hand arbeiten versuchen. Ganz bestimmt wird man dadurch das Ar beitstempo steigern. Daß man diese Methode auch bei andern Arbeiten anwenden kann, steht außer Frage. Sitzt man bet einer Handarbeit oder einem Buch und fürchtet irgendeine Pflicht (z. B. das Gemüse, das man aus gesetzt hat oder ähnliches) zu vergessen, so hilft einem der Wecker, der ja nicht nur eine Uhr für die Nacht ist und den wir am Tage viel zuwenig in Tätigkeit letzen. Wenn wir z B. zu einer bestimmten Zeit ausgehen wollen, so sollen wir den Mecker so stellen, daß er uns meldet, wann wir anfangen müssen, uns anzuziehen. Bis dahin können wir dann ruhig und ungestört bei unserer jeweiligen Beschäftigung bleibe» und brauchen uns nicht immerfort durch den Gedanken beunruhigen zu lassen: Habe ich auch noch Zeit? Mutz ich noch nicht fori? Hut man In der Küche ei» Gericht aufgesetzt, nach dem >nnn erst nach einer halben Stunde wieder sehen muß, so Hilst einem der Wecker. Man sage nicht: Mein Gedächtnis ist nicht so schlecht, daß ich daran erinnert werden müßte . . es kann einem — selbst bei gutem Gedächtnis — nur zu leicht passieren, daß die Zwtschenbeschäftigung so viel interessanter ist, daß mir an das Gericht erst wieder denken, wenn es sich durch einen recht unangenehmen Geruch bemerkbar macht. Und wir haken den Acrger und die Mühe davon. Mit dem Wecker ist das Leben sorgloser. Für eine pünktliche Frau ist es wichtig, daß sie sich daran gewöhnt, achtzugeben, daß die Uhren in ihrem Haushalt stet, auf die Minute genau gehen: sie erspart sich und andern da durch Unannehmlichkeiten. Es ist angenehm, wenn man sich auf seine Uhr unbedingt verlassen kann, besonders in einer größeren Stadt, so daß die Straßenbahn, mit der man fahren wollte, nicht gerade immer vor einer Minute abgefahren ist, nur weil unsere Uhr ein paar Minuten nachging. Die genau gehende Uhr hist uns Zeit sparen, zumal wenn wir auf Ver kehrsmittel angewiesen sind. Frauen, die vor lauter Pünktlichkeit nnd Pflichtgesiihl niemals von dem, was sic sich vorgenommen haben, abaehen, berauben sich selber mancher Freude. Gewiß kann man be schließen, diese oder sene Arbeit bestimmt heute noch zu er ledigen, — wenn aber irgend etwas dazwischen kommt, viel leicht ein Besuch oder eine Einladung, so soll man «»beschwert die kleine Freude, die einem geschenkt wird, genießen: für die Arbeit findet sich dann immer noch eine geeignete Zeit. Man soll ja nicht pünktlich sein nur um der Pünktlichkeit willen, soll also nicht zu einem Automaten werde», sondern soll die Pünktlichkeit pflegen, damit die ganze Maschinerie unsere, Alltagslebens möglichst reibungslos läuft und wir nm so webe Zeit für unsere Feierstunden haben. Lieber den Spreizfuß Mehr noch als durch den zwar bekanntere», aber durchiu, selteneren Plattfuß werden Fußbeschwerden durch die Entwich- lung eines Spreizfußes hervorgerufen. Unter einen, Sprei.zßiß wird eine Deformität des Fußes verstanden, bei welcher der Foß in seinem Vorderteil, nämlich im Bereich der Zehengrnnd- gelenke, auseinanderweicht, so daß die größte Breite nicht mehr an den Zehen, sondern an deren Grundgelenken vorhanden ist. Er ist leicht auch daran zu erkennen, daß Klein- und Grckz- zeh ihre gerade nach vorn gerichtete Stellung verlieren und sich klammerartig an ihre Nachbarzehen anlegen. Dadurch psieoen die Zehengrundgelenke weit nach außen vorzusprinzzen. die be kannten Groß- und Kleinzehcnballen zu bilden, welche gege benenfalls operativ entfernt werden müssen. Gleichzeitig mit dem Auseinanderweichen der Zehcngrundgelenke geht bei der Svreizfußbildung auch das sogenannte »ordere Ouergewölbr de, Fußes verloren, so daß nicht mehr wie normal die Belastung des Vorfußes am Klein- und Großzeh erfolgt, sondern nlle-n auf den Zehengrundgelenken der dritten und vierten ^ci>e, die sich nach unten ballenartig vormölben und in der Mitt« des Fußes Veranlassung zu schmerzhafter Schwielenbilduna ge ben. Um diese Schwielen zu beseitigen, müssen aut gearbeitet- Einlagen getragen werden, die durch eine Erhöhung die Ve- lastung von den Grundgeleuken wennehmen und weiter nach hinten verlagern. Auf keinen Fall sollte man sich deshalb i-es Schwielenbilduna an den bezeichneten Stellen darauf beschick'- Ken, diese selbst beseitigen zu wollen, sondern immer einen Fußarzt zu Rate ziehen, der durch Versorgung mit passenden Einlagen nicht nur die Fehlform des Fußes, sondern auch di« Schwielenbilduna beseitigen kann, ohne dabei das Messer not wendig zu haben. Verdunkelung vom l. 8. 18.38 Uhr bis S. 3. 7.48 Uhr. Verdunkelung vom 2. 3. 18.4« Uhr bis 3. 3. 7.44 Uhr. manchmal Angabe und Manier sein — diese Uebcl sind viel geringer als die Verfinsterung des Gemüts, die von der An gewohnheit des Fluchens ausgehen konnte. Das Unausschreiblich« Damit soll nun keineswegs gesagt sein, daß es früheren Jahrhunderten an harmlosen und liebenswürdigen Kraftworten gefehlt hätte. O nein! Aber sie sind einem zeitbedingten Wechsel unterworfen. In hundert Jahren wird nur noch ein Sprach gelehrter erklären können, was den Menschen von einst da» Wort „knorke" bedeutet hat. Aber einige Worte der Weli- bejahung überdauern doch die Zeiten. Dazu rechnen ivir zum Beispiel jene freundliche Aojsor- fordern»«, die durch Goethes Erstlingsdrama fiir alle Zeilen mit dem Namen des Ritters Götz von Verlichingen verbunden ist. Dem Trompeter des kaiserliche» Hauptmanns, der ihn zur Uebergabe auffordert, antwortet Götz aus dem Fenster seiner Burg Iaxthaufen: „Mich ergeben! Auf Gnad und Ungnad! Mit wem redet ihr! Bin ich ein Räuber? Sag deinem Herrn: Vor Ihro Kaiserliche Majestät hab' ich, wie immer, schuldigen Respekt. Er aber, sag's ihm, er kann mich . . .!" Womit Göß den kaiserlichen Hauptmann keineswegs beleidigt hat. Denn jene Wendung ist nach dem Urteil eines oberbaqrifchen Gericht» „ein marktüblicher Ausdruck, der dazu dient, ein Gespräch einzuleiten, es abzuschließen oder ihm eine andere Wendung zu geben " Aehnliches könnte man von dein anderen Wörtlein sagen, das zwar kein klassisches Zitat darstellt, aber nicht minder gebräuchlich ist obwohl es gemeinhin nicht niedergeschrieben wird. Dies kleine Wörtlein gilt in jedem Kreise. Es ist sehr alt und wirkt doch immer neu, Ma» spricht es laut, man flüstert es auch leise. Man lernt es früh und bleibt ihm später treu, Es steht bei Luther. Goethe und Paul Herste, Und dennoch meiden arme Ttntengreise Die Niederschrift, was ich erneut beweise. Der Grund? Wir haben vor den, Leser Scheu! Aber das macht nichts, cs weiß ja jeder ohnehin Bescheid. Und jeder hat schon einmal eine Widerwärtigkeit überwunden, indem er sie mit dieser versöhnenden „GUtemarke" belegte. Ferment des Lebensmutes Ucbrigens ist dieses Wörtlein und sein Gebrauch als Fer ment des Lebensmutes in allen europäischen Sprachen üblich Ein bemerkenswertes Zeugnis geistiger Verwandtschaft! Die Laute zwar sind verschieden, aber Sinn und Gebrauch dee gleiche. Schon der General Eambonne, Kommandeur d- r Alten Garde Napoleons bei Waterloo, antwortete den Tnglä-dein, die ihn zur Uebergabe aussordertcn, nicht — wie die gephtchk liche Legende will — „Die Garde stirbt, doch sic ergibt sich nicht!", sondern kurz und treffend. Eben d-n. was wir i« solcher Lage auch gesagt hätten. Denn die Worte der Weltbejahung mögen manchmal grob sein, aber sie erleichtern und erfrischen das Gemüt, sodaß wir wieder mit Mut und Heiterkeit in die Welt fehan. Und da, ist doch die Hauptsache. Klar, Mensch! Worte der Weltbejahung Plauderei am Wochenende von Marabu. „Einfach knorke!" Wenn Dir ein junger Mann diese Antwort gibt — etwa aus die Frage, wie ihm das Fußballspiel am Sonntag oder der neueste Film, oder der Besuch des Tanznachmittags mit Erika gefallen hat —, dann weißt Du Bescheid. Auch wenn Du Dir das Wort „knorke" sprachlich nicht erklären kannst. Das kön nen übrigens die Fachleute auch nicht. Ein Berliner hat aus eine dahingehende Frage einmal geantwortet: „Knorke ist noch schnaftcr als dufte!" Womit für einen Nicht-Berliner die Sache keineswegs klarer geworden sei» dürfte. Aber das ist auch gar nicht nötig. So ein Wort wie „knorke" ist gewissermaßen eine Münze, die jeder kennt. Was für Metall in dem Groschen ist, den Du in den Musikautomaten steckst, srügst Du ja auch nicht. Die Hauptsache ist. daß darauf hin der Automat das richtige Stück spielt. Das Stück aber, das durch ein Wort wie „knorke" zum Klingen gebracht wer den soll und kann, heißt Lebensbejahung Und sein Kehrreim lautet: „Wir sind richtig!" Seelisch« Ermunterung Wer ost mit jüngeren Menschen zu tun hat, dem ist sicher schon ausgefallen, wie viele solche Worte der Lebcnsbejahung es gibt. Als Ausdruck hohen Lobes ist „knorke" ja schon wieder ein wenig außer Uebung gekommen Man sagt dafür jetzt lieber: „Mensch, prima!" oder „Ganz groß!" oder „Das war Klasse!" Oder man winkelt den rechten Arm im Ellenbogen ab, macht in Höhe der unechten Rippen eine straffe Faust und ruft: „Das war — so!" Dem entsprechend gibt es auch Worte des Mißsallens, die von dem gleichen Geiste der Weltbejahung erfüllt sind. Man lehnt die Schwäche oder Unfähigkeit des anderen ohne Acrger, vielmehr mit heiterer Ucberlegenheil ab. „Da war der Kragen geplatzt!" stellt der junge Mann fest, dem es zu bunt wird. Oder er verkündet mit Entschlossenheit: „Der Bart ist ab!" Und zum Schlüsse einer Auseinandersetzung erklingt gern die unmißverständliche Aufforderung: „Hau ab, Mensch!" Wenn man den andern ermutigen oder anfcucrn will, so fehl« es gleichfalls nicht an kernigen Worten, in die gewisser maßen mit geistiger Preßluft eine ganze Begrisfsreihc ein- geschlossen ist. „Hau hin!" ruft man einem zu, der zu langsam ist oder mit seiner Arbeit nicht fertig wird. „Tempo, Tempo!" heißt es im gleichen Falle, wenn man sich etwas gebildeter ausdriicken will. Der technisch Interessierte aber fordert: „Gib «inen Zahn drauf!" v«sj«r al, Fluchen Sind solche Kraftworte nun erfreulich? Hat man in ihnen «insach „Angabe" zu sehen — das ist auch ein Wort der Lebens bejahung. um Ueberlriebenheiten aozulehnen: „Er gibt an wie eine Tüte Motten", oder „wie eine Herde wilder Affen" — oder ist da wirklich ein positiver Wert? Ich glaube an den Wert. Denn diese Worte der Lebensbejahung lösen tatsächlich eine positive Wirkung aus. Eie haben alle einen Schuß Humor. Der andere lacht, statt sich zu ärgern — und was vorher mit Reibung lief, das geht nun wie auf Kugellager. Und zugleich scheinen mir diese harmlosen Kraftwörter langsam eine alte, sehr üble Unsitte zu verdrängen: das Fluchen. Während die humorigen Kraftworte der Jugend Worte der Weltbejahung sind, waren die Flüche von einst Worte der Weltverneinung. Jeder Fluch sucht einen höchsten Wert herunterzureißen. Es ist ein unerfreulicher Rückfall. Der primitive Wilde prügelt seinen Fetisch, wenn der Regen zur rechten Zeit ausbleibt. Und der fluchende Europäer sucht mit Worten die höchste Macht zu beleidigen, die seine Bitten ver meintlich nicht erhört hat. Sehr lehrreich kommt dieses Wesen des Fluchens in Goethes „Faust" zum Ausdruck. Faust wie der Teufel stoßen gelegentlich Flüche aus. Und jeder von ihnen verflucht die Werte, die ihm bisher als die höchsten galten. Faust beginnt: „Verflucht voraus die hohe Meinung, Mit der der Geist sich selbst umfängt!" Mephisto aber: „Bei aller verschmähten Liebe' Beim höllischen Elemente! Ich wünschte, ich wüßte was ärgers, womit ich fluchen könnte!" Wenn der Teufel fluchen will, dann muß er bei der Höste fluchen. Denn zum Fluchen eignet sich nur ein Begriff, der «inem sonst heilig ist. In d«r Nachfolge des Sokrates Ucbrigens flucht man nicht nur in christlichen Landen und Zeiten. Schon im grauen Altertum wurde bei allen Göttern geflucht und geschworen. Sodaß der weise Sokrates den Vor schlag machte, man solle doch nicht fluchen: „Beim Zeus!" oder „Bei der Hera!", sondern lieber „Beim Hunde!" oder „Bei der Katze!" Das erleichtere das Gemüt genau so. Aehnliche Ratschläge gaben auch die Kanzelredner desBarocks, die mit großem Eifer gegen die damals zu sagenhafter Gewalt angewachsene Unsitte des Fluchens kämpften. Es war eine Folge des Dreißigjährigen Krieges, daß man gelernt hatte, in allen Sprachen zu fluchen. So rieten sie, nicht dauernd den Teufel im Munde zu führen, sondern wenn man an ihn dächte, lieber zu sagen: „Gott sei bei uns!" Statt „Verflucht!" solle man lieber rufen: „verflixt!" Statt heilige Namen mißbräuch lich anzuführcn, solle man Wendungen gebrauchen wie „Ach, Du liebes Bißchen!" statt den Herrgott .zu lästern, lieber die Zunge rasch ablenken: „Herrschaft Zeit noch einmal!" Nicht wenige dieser barocken Umwege und Auswege haben tatsächlich den Sprachgebrauch beeinflußt und sich — besonders ln Süddeutschland — bl» h«ut« erhalte». Aber wenn diese negative Ueberwindung des Fluchens sich auch auf das klassische Vorbild des Sokrates berufen kann, so ist doch die positive Lösung viel wirksamer: Die harmlosen Kraftworte von heute machen praktisch da, Fluchen unnötig. Mag ihr Gebrauch
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