Suche löschen...
- Erscheinungsdatum
- 1941-01-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-194101277
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19410127
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19410127
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1941
-
Monat
1941-01
- Tag 1941-01-27
-
Monat
1941-01
-
Jahr
1941
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Leibniz und die Reunion Zur Oktav füv die Wiedervereiirigrrirs iin Glauben / Von Mavtin Unhn Die Schwester ihr treten Bruder immer gen ihrer Umwelt, denen sie und dem Trmimlcmde ihrer körperliche Leiden waren in war der nnd van an ihre Stelle, der eigene Lebenspfad fart, dem sie einst alles waren und der noch das Höchste bedeutet. die unnachahmliche Beredsamkeit Pellisons Triumphe feiern, indem sie dem König zeigt, daß er gröber ist, als er denkt und daß er folglich über gewissen Befürchtungen für das Wohl seines Staates steht, welche ihn ablenken könnten von gröhercn und heroischeren Gesichtspunkten, deren Objekt das Heil der Welt ist. Welchen herrliclzercn und ruhmreicheren Hymnus kann man sich denken, als den, dessen Erfolg die Ruhe Europas und der Friede der Kirche wäre?" Unter den Franzosen war cs nächst Arnauld der edle Pellison Fontanier, zu dem Leibniz in Verbindung trat. Pelllson war französischer Staatsrat. der nach seiner Konver sion dem Klerus angehörte und in der Kirche Frankreichs eine bedeutende Rolle spielte Mit ihm stand Leibniz in regem Ge dankenaustausch, und zwar nicht nur über Fragen der Wie dervereinigung und die damit zusammenhängenden theologischen Probleme, sondern auch über Fragen von allgemeiner ivissen- schaftliclier Bedeutung. Dieser Briefwechsel, der bis zu Pelli sons Tode im Fahre 1608 dauerte, mar nicht nur von der un bedingten Liebe zur Wahrbeit erfüllt, sondern von außeror dentlicher Herzlichkeit und Jreundsci-aft. stets genugznleislcn bestrebt war, Sehnsucht. Seelische Kämpfe wie gleichem Make Wegbereiter des Todes, der diese Schnttenbliite siebennndzwanziajährig brach. Besser als Cornelia Goethe verstand es Schillers Schwester Christophine, sich der Verpflanzung aus der Scelengemeinichast mit dem angcbeteten Bruder in eine andere Lebenssphäre schließlich anzupasscn, wenngleich auch bei ibr das Verzichten müssen nicht reibungslos vorüberging. Schon in frühester Kind heit hatten sich diese beiden, nur um zwei Fahre im Alter getrennten Geschwister am engsten im Familienkreis aneinander geschlossen. Mit einer lebhaften Empfänglichkeit für alles Hohe und Schöne begabt stand Christophine der Gedankenwelt des Bruders am nächsten, ward die frübeste Vertrante seiner dich terischen Träume, seiner Kämpfe nnd Leiden, neben der Mutter die liebevolle Mittlerin zwischen den ^ch o>s auseinander pral- senden Gegensätzen von Vater und Selm Nur ungern hatte Schiller die eheliche Verbindung seiner Lieblingsschwester mit seinem Freunde Wilhelm Friedrich Neinwald gesehen, dessen hypochondrische Natur, gesteigert durch bändige Nahrung-lorgen und Krankheit, schlecht zu dem lebenslustigen Temperament der um 20 Jahre jüngeren Gattin paßte. Durch den lebhaften Briefwechsel zwischen den Geschwistern ist die Kluft zwischen den Gatten »och erweitert worden, und erst nach Schillers frühem Tod. als zunehmendes Alter und Gewöhnung die Här ten und Kanten der Ehegatten einander abgeschlisfen hatte, da lernte Christophine die große Kunst des Sichbescheideus Har monisch und friedlich verflossen die späteren Fahre ihrer Ehe nnd die lange Wilwenschaft. Aber ihr Briefwechsel be-eugt, mit welch inniger Pietät sie bis an ihren späten Leben-abcnd das Andenken des Frühverlorenen hcwabrte: Schillers Schwe ster zu sei», war der höchste Ruhm der Neunzigjährigen. Noch In höherem Grade als in Goethes Elternhaus der gemeinsam ertragene Druck der väterlichen Gewalt Amboß, auf dem die Gewistcrliebe Friedrichs des Groß « seiner Schwester Wilhelmine, der nachmaligen Morbnräsiu Bayreuth, stahlhart fürs Leben gehämmert wurde Wstkelmine, dem Bruder verwandt in seiner Vorliebe sür die Musik und jede Gcisteskultur, war die Mitverschworene in den tausend Listen zur Umgehung des väterlichen Machtgebotes, aber auch die Vermittlerin nach der unheilvollen Katastrophe, der dis gegensätzlichen Naturen von Vater nnd Sohn mit vnabw.nd» barer Notwendigkeit zutreibeu mußte. Und wenn das Leben. auch diese beiden Geschwister anseinanderrin. d>e gemeinsam verlebten Fahre der freudlosen, licbearmen Fugend, in denen sie einander alles gewesen, batte ein unlösbares Baud fürs Leben geschlungen. Der unselige Tag von Hochkirch schlug dem Bruder noch eine tiefere Wunde als jene Niederlage, dm sein Schwert wieder ausweszen konnte: cs war der Totmstag Wilhcl« mincs. Fin Park von Sanssouci weihte der Alte Fr>k der treuen Jugcndgesährtin den Tempel der Freund'chaft. ..Wilbel« minae sacrum". Doch das höchste Maß liebe-slähiger Opserwillia'cit. selbst vergessener Schwesternliebe spendete Ulrike non Kleist dem Bruder auf seinem unseligen Lebenswege, sie „die Einzige", „die Erhabene". ..die Lebensretterin", die an ihm getan „nicht, was in den Kräften einer Schwester, sondern eines Menschen Viele Ruhmesblätter sind den Müttern der Geistesheroen gewidmet worden. Seltener wird davon berichtet, was Schwe stern ilWen berühmten Brüdern gewesen sind, und doch war ost genug der innige Widerhall der frühesten gleichgesinnten Genossin den Geistesschwingungcn des jungen Genius unent behrlich. Nicht vielen unter ihnen aber war es vergönnt, auch die Kämpfe und den Ruhm der Mannesjahre des Bruders zu teilen. Andere führt von dem vielleicht ihnen An dieser Tragik des Schwesterntums ist Cornelia Goethe zerbrochen. Neben dem strahlend schönen, mit allen Göttergaben gesegneten Bruder stand sie, die unscheinbare, mit erbarmungs loser Selbstkritik ihre körperlichen Mängel Erkennende. Doch kein Neid erfüllte ihr leidenschaftliches Herz: stürmisch wandte sie die ganze Liebessähigkeit ihrer aus Weichheit und Ver schlossenheit. Güte und Eigensinn gemischten Seele dem Bruder zu. Der gemeinsame Zwang der pedantischen Erziehungsmetho de des Vaters, der gemeinschaftliche Unterricht nach genau ab gewogenem Erziehungsplan, einte die beiden Geschwister im heimlichen Bündnis gegen diesen Zwang, wie die mild-heitere Atmosphäre in Frau Ajas Reich sie mit dem noch unlösbaren Band gemeinsam erlebter Glücksstunden umschlang. Und als dann die erste große Trennungsstunde mit Goethes Ucbersied- lung nach Leipzig schlug, da blieb die entfernte Schwester die innigste Vertraute der dem jungen Studenten neu erschlossenen Welt. Doch was Cornelia non dem in Leipzig und Straßburg geweiteten Gesichtskreis des Bruders, mittelbar mitgenicszcnd, empfing, da» bat sie ihm, das hat sie der deutschen Dichtung yzit vollen Händen wiedcrerstattet. Denn als ihr Goethe, die Seele glühend erfüllt von dem Geschick des Ritters Götz mit der eisernen Hand, seine Pläne enthüllte, da waren es ihre Bitten, die ilm dazu veranlaßten, die flüchtig vcrrnuschende Ge- dgnkcnwclt durch die Niederschrift zu siricren, war cs klug geäußerter Zweifel an seiner Beharrlichkeit, der den allzu beweglichen Geist in entfachtem Widerspruch an die Arbeit fesselte, sodaß er sie Innerhalb weniger Wochen vollendete. Cornelias Name ist unlöslich verbunden mit der Ursassung des Gösz. Und nun ward sie, die Innigste Gefährtin dichterischer Weihestunden, gewohnt in diesem Geistesbannkrcis zu atmen, verwöhnt durch die anmutige Geselligkeit des elterlichen Hau- ses, in die de-' gussleigende Rnlnn des Benders erlesene Gäste aus aller Welt lockte, plötzlich in die öde Enge einer kleinen Landstadt versetzt, neben einem Gatten, der. ein Muster lau terer Pflichttreue, ganz in seinem Beruse aufging. Wohl nahm die junge Gattin Fohanu Georg Schlossers auch noch aus der Ferne regste» Anteil an des Bruders Leben und Schaffen und jede dichterische Schöpfung sand unverzüglich ihren Weg in das stille Emmendinaer Anftlmns. in das der Bruder seihst als willkommener Gast einkchrte. Doch der lebendige Kontakt mit jener Welt war zerrissen, Cornelia fühlte sich ausgeschlossen aus jenem Kreis. Von starkem Pflichtbewusstsein durchdrungen rieb sie sich wund in dem Zwiespalt zwischen den Ansorderun- Wichtiger jedoch ist die Korrespondenz, die Leibniz mit Bossuet führte. Facgucs Benigne Bossuet war seit 1660 Bischof von Condom, 1870 wurde er Erzieher des Dauphin und 1881 Bischof von Meaux. Bedeutsam ist. daß Bossuet führend im Gallikanismus, in der staatskirchiichen Bewegung Frankreichs mar. 1681 verkündete die Assemblee du clerge generale, die Generalversammlung des Klerus, unter seinen, Vorsitz die 4 gallikanischen Artikel, die besagen: der Papst hat keinen Ein fluß In weltliclzen Sachen. Er ist abhängig vom allgemeinen Konzil. Er muß die in Frankreich angenommenen Gewohn heiten und Rechte achten. Fn Glaubenssachen ist sein Urteil erst nach Zustimmung eines allgemeinen Konzils unabänderlich. Es war nicht leicht für Bossuet. ausgesprochen schismatische Sätze zu verhindern, aber auch die 4 gallikanischen Artikel wurden 1600 von Papst Alexander III. sür nichtig erklärt. Gerade auf diesen einflußreichsten Bischof Frankreichs seht« Leibniz seine Hoffnung und sein Vertrauen, konnte er doch annehmen, er werde auch Verständnis für die Sonderfor derungen der deutschen Protestanten haben. Auch erkannten die Franzosen einige Sätze disziplinärer Art. die auf den, Tri dentiner Konzil verkündet worden waren, nicht an, und ge rade dieses Konzil war es ja. das einer Einigung der Be kenntnisse hanptlächlich Im Wege stand. Auf feiten LeibnizenS nahm noch Molanus an den Verlzandlungen teil. Dieser war protestantische, Abt von Lokkum und Leiter des hannoversches Konsistoriums. fJortjetzung folgt.) 1. Fortsetzung. Leibniz und die Reunlonsverhandlungen. Leibniz wurde 1648, also 2 Jahre vor dem Westfälischen Frieden der de», größten und längsten aller Religionskriege ein Ende setzte, geboren. Er verspürte noch alle Nachwirkun gen d>cses Krieges, sah das verwüstete Land, die Zerrissenheit des Reiches, die Uneinigkeit Im Glauben. Nach Abschluß sei ner Studien trat er in den Dienst des Kurfürsten Fohann Philipp Schönborn von Mainz, der zugleich Bischof von Würz burg war. Dort bahnte sich die Freundschaft zu dem Kanzler Voineburg an. der — selbst Konvertit — Hohes Interesse an der Wiedervereinigung der Kirchen hatte. In diese Zeit fällt auch Leibnizens Besuch bei Ludwig XIV., den, er das Consilium Aegyptiacum unterbreitete. Leib niz erkannte, daß Ludwig XIV. einer der gefährlichsten Gegner der Reunion mar, daß er die Uneinigkeit der deutschen Fürsten in jeder Weise schürte und aus machtpolitischen Gründen seine Raubkriege gern Im Namen der Religion führte. Er begriff den Widersinn, der darin lag, wenn Europa sich zerfleischte, während im Osten die Tiirkengefahr drohte. Die abendlän dische Christenheit sollt« sich zusammenschlietzen nnd sich gegen ihr« gemeinsamen Feinde vereinigen. Das war feine Idee, die getragen war von der Liebe zum Christentum und zu sei nem Vaterland, das endlich von den Uebergriffen des franzö sischen Sonnenkönigs befreit werden mußte. Im Consilium Aegyptiacum suchte Leibniz Ludwig zur Eroberung Aegyptens zn bewegen, zu «inen, heiligen Krieg gegen die Türken, der ihn gleichzeitig von Europa und besonders von Deutschland ablenken sollte. Er schildert ihm Aegypten als das schönste Sand der Erde, als Schlüssel des Welthandels als Pforte zu den Reichtümern Indiens. Der christlich« König sollte Christi Reich bis an die Grenzen der Erde ausbrclten. Er sollte statt der Vorherrschaft in Europa das Gencralat der Christenheit, die oberste Leitung der christlichen Angclcacnhcitcn der Welt erhalten. Der Sonnenkönig nahm den Plan zur Kenntnis, feine Antwort jedoch war, heilige Kriege seien seit der Zeit Ludwigs des Heiligen aus der Mode gekommen. Wenn auch der Plan keinen praktischen Erfolg hatte — nebenbei gesagt: er bekam einmal Bedeutung durch Napoleon — so ergab sich für Leibniz aus diesem Besuch ein längerer Aufenthalt in Paris, wo er nicht nur Beziehungen und Freund schaften zn den bedeutendsten Staatsmännern. Mathematikern, Physikern und Philosophen anknüpfte, sondern auch zu jenen Männern, die den Anstoß zu dem ausgedehnten Briefwechsel über die Wiedervereinigiing der Kirchen gaben. Hier lernte «r z, B. Arnauld. den Führer der Fansenisten, kennen, der rin geheimes Empfehlungsschreiben an den hannoverschen Hof sandte, in dem zu lesen stand: „es fehlte Leibniz nichts als die wahre Religion, um in Wahrheit einer der großen Männer des Jahrhunderts zu sein." Fn hannoverschen Dienst trat näm lich Leibniz, als er von Paris znrückkchrte, wo Fohann Friedrich aus dem Hause der Welken als Herzog residierte. Dort lag das neue Zentrum seiner Wirksamkeit, sowohl unter dem katholischen Herzog Fohann Friedrich, als auch unter seinem protestantischen Nachfolger, den, Herzog und späteren Kurfürsten Ernst Auaust und seiner Gemahlin Sophie — einer geistig sehr bedeutsamen Frau aus dem englischen Königs haus« — und unter deren beider Sohn Georg Ludwig, der gleichzeitig Kurfürst von Hannover und König von England war. Don der langen Kette der Verlumdlunaen über die Reu nion soll Im folgenden die Rede sein. Da sind zuerst einmal di« Beziehungen zu dem Spanier Spinola, Bischof von Ncu- Nadt bei Wien, der im Auftrage des Kaisers und mit Missen des Papstes bereits mit 14 protestantischen Fiirstcnhöfen In Verhandlungen stand. Dieser Bischof war ein unermüdlicher Eiferer sür die Wiedervereinigung und reiste bis in sein hohes Alter hinein — später wegen eines schweren Gichtleidcns nur noch in der Sänfte getragcn — von Hof zn Hof Außerdem knüpfte Leibniz Verbindungen zu den Franzosen: denn gerade hiervon erhoffte er viel, und zwar zuerst einmal wegen der Machtstellung Ludwigs XIV. Obwohl er Ludivia nicht liebte, ihn eher haßte und ihn oft mit vernichtenden Worten kriti sierte, sah er doch, wie wenig er zu umgehen war, nnd ver suchte, seinen Ehrgeiz anzustachcln. So schrieb er an Madame Drinon: „Man kann sagen, daß dieser Monarch — denn es ist I«icht zu urteilen, von wem ich spreche — allein das Schick sal seines Jahrhunderts entscheidet Lobspriiche verderben schwache Fürsten. Aber dieser große König muß die ganze Ausdehnung seines Ruhmes erfassen, nm zu tun, was er kann und um alles zu erkennen, was er zu tun vermag. Hier könnte MWWWWMW!j>!jWjjWMjWjj!!jWWMj!MIM!MMWWWWWjW!^ Vom Lachen nnd Fröhlichen Wie arm, wie bedauernswert arm wäre die Menschheit, wenn ihr die Gabe des Lachens mangelte! Ist «ns nicht allen die Redensart geläusig, daß einem in Augenblicken der Gefahr, in Stunden der Heimsuchung das Lachen verging? Plötzlich versagt da etwas wie eine seelische Licht- nnd Wärmeleitung, ein Fremdkörper hat sich eingeschltchen und Kurzschluß ver ursacht. Und all unsere Bemühungen, den verlorenen Kontakt mit einem lieben Mitmenschen wiederherzustellen — kleiden wir sie letztlich nicht in die Bitte: „Lach' doch wieder"? Ein Kind, das sich schuldig an den Tränen der Mutter fühlt, ein etwas zu temperamentvoller Gatte, der es ja „nicht so bös gemeint" hat: sie haben es in der Hand, mit diesen drei Wor ten wie mit einer Zauberformel die tiefste Nacht in den hell sten Tag zu verwandeln. Zu beklagen sind aber auch die Menschen, die nur an Tagen, an denen es der Kalender so vorschretbt, zum Lachen aufgelegt sind, wie zu anderen Zetten zu Trauer und Ernst. Freilich wissen wir, daß auch die Kalendertage, die ernsten und die fröhlichen, in jenem Rhythmus sich folgen, den, alles Leben, also auch der Mensch, im ewigen Kreislauf unterworfen ist. Tunlichst meide man aber jene Säuerlinge, die selbst im all gemeinen Aufbruch zum Fröhlichsein ihre starre, eisgekühlte Miene bewahren und, ob aus Weltschmerz oder Blasiertheit, jeden harmlosen Scherz schon als eine persönliche Beleidigung «mpsinden. Nicht in denselben Sauertopf jedoch werfe man die von Natur Schwerblütigen, die für den leichten Scherz nicht ohne weiteres zu haben sind. Beispielsweise also den norddeutschen Menschen. Er macht auch meistens gar keinen Hehl aus seiner Echwerblütigkelt. Sein Humor ist von der stillen, bedächtigen Art eines Wilhelm Raabe, bestenfalls eines Fritz Reuter, und der Karneval, wie er ausgelassen lärmend tn Köln oder Mün chen gefeiert wird, ist Ihm im Grunde so wesensfremd wie sei ner herben Backsteingotik der süddeutsche Barock. Wer Uber das befreiende Lachen verfügt, weiß gar nicht, was er damit vor dem eben gekennzeichneten Menschenschlag voraus hat. Weil er in seiner glücklichen Naivität die ganze übrige Welt nach eben dem Holze zurechtschnitzt, aus den, ihn Gott in seiner besten Laune erschaffen. Bei uns Deutschen kommt Humor aus einer wesentlich anderen Seelenhaltung al» beispielsweise beim Amerikaner, und doch: Wieviel Wissen um die befreiende Macht des Lachens steckt nicht In der von ihm fast kindlich befolgten Parole des „Keep smiling"! (Nur immer lächeln!) Mag hier auch täuschende Maske sein, was dort natürlicher Veranlagung entspricht, ko trägt doch der un beschwert heitere Mensch fast immer den Sieg über den seelisch komplizierten Mitmenschen davon. Fn Beruf und Gesellschaft, in guten und noch mehr in bösen Tagen. Grundlegend ändern läßt sich der Erwachsene nicht mehr. Was Charakter und Erfahrung hinsichtlich der Gabe, das Le ben schwer oder leicht zu nehmen, einmal in ihm ausgebildet haben, kann höchstens durch strenge Selbsterziehung nach der einen oder anderen Richtung gelockert, aber niemals mehr ganz umgcbogen werden. Wie beneidenswert sind daher die Men schen, die dem Leben stets die lachende Seite abzugewinnen verstehen! Man müßte die tausend und mehr Gründe des Lachens im einzelnen aufzählen, um ebenso viele Momentaufnahmen lächelnder Gesichter auf die Platte zu bannen. Vom vergnügt strampelnden Säugling angefangcn bis zum verklärten Lächeln der sinnenden Muhme. Aber heilig allein ist das glückselige Lächeln der Mutter, die ihr Kind in den Armen wiegt. Das Lächeln der Braut, was war es, rückblickend betrachtet, ande res als die Leiter, auf der sie zu diesem höchsten Gipfel der Seligkeit emporstleg? Ganz wortlos ist dies Lächeln, ganz still nnd in sich gekehrt, weil cs keinen herrlicheren Anlaß geben kann als diesen. Wer vermöchte auch nur, in Wort oder Bild, alle die unzähligen Stufen sestzuhaltcn, die das breite, prustende La chen durchläuft, bis es schmal und schweigsam die Sternenhöhe zweier feucht schimmernder Augen erreicht? Wir kennen wohl ein „unter Tränen lächeln", wenn über abgrundtiefem Leid plötzlich die Sonne einer ungeahnten Freude hcraussteigt. Aber jenen feuchten Schimmer erzeugen nicht Tränen — es ist das Glück in seiner stummen Größe selbst, das seinen Glanz in einem Lächeln widerspiegelt. Manchmal ist es sogar wie ein Geheimnis, das dieses Lächeln umspielt, spottend jedes zudring lichen Versuchs, es zu enträtseln. Oder wer wäre je dem Lächeln der „Mona Lisa" im Louvre zu Paris auf den Grund gekom men oder dem der „Inconnue de la Seine"? Ein Mensch, dürfen wir vielleicht annehmcn, wäre dazu imstande, der das Leid dieser Welt überwunden hat. So wie wir in verwitterten Altersgesichtern nicht mehr die Furchen und Runen des Lebenskampfes sehen, sondern nur noch den mild lächelnden Abglanz der Weisheit. Dr. H. A. Berger. stand", wie seine letzten Abschiedsworte bezeugen. So oft Hein rich von Kleists Lebensschifs einer vernichtnnosdrohendcn Klippe rettungslos zuzutreiben schien und wie oft war dies bei sei nem heftigen Ungestüm der Fall! —. stand Ulrike, gerufen oder ungerufcn, als kluge Beraterin und energische Helferin an sei ner Seite. Sie war seine Gefährtin ans jener abentc"erlichen Reise nach Paris, aus der er sick zur Klarkeit durchzukämpsen suchte: in unermüdlicher Beharrlichkeit knüpfte sie die Fäden zwischen ihm und der an dem verlorenen Sohn verzweifelnden Famifte, die er immer wieder mit jähem Ungestüm zerriß, und ihrem mannhaften Eintreten dankte er hauptsächlich seine Be freiung aus französischer Kerkerhaft, die sie „Gerechtigkeit mit Gnade heischend" von dem französischen Kommandanten for derte. Nicht ohne Komik, nicht ohne jenen behaglichen, echt Kcl- lcrschen Humor ist das Zusammenleben des miteinander altern den Geschwistervaares Gottfried und Reaula Keller, jenes nim mer endende Geplänkel zwischen der allzu straffen Zügclsüh- rung Regulas nnd Meister Gottfrieds kräng zn freierer Un gebundenheit. Mit köstlichem Humor wissen Kellers Briese von seinen Kämpfen mit den durchaus in seiner Stndierstube ein- guartierten Kochtöpfen der Schwester zu berichten, von ihrer Neiaung. nicht genügend frankierte Briese zurückgehen zu lassen. Doch sie melden auch von der tiefen traucrvollen Vereinsamung nach Regulas Heimgang. So schlingt sich die Kette selbstlos opferbereiter Schwestev- liebe, nimmer sich erschöpfend und segenspendcnd um so manchen unserer Großen. Line «»eitveietrenö« Switz« Als Heinrich Seidel Student war, hörte er bei dem be» rlihmten Physiker Dove, der stets eine große Hörcrzahl hatte, darunter aber nicht wenige Studenten, die „nassauerten". Eine« Tages behandelte er das Gesetz der Spritze, führte ein solches Gerät vor und lobte seine Vollkommenheit. Plötzlich fuhr ein seiner Wasserstrahl über die Köpfe der Versammelten hinweg und traf jene „Zaunköpfe", die sich im Bewußtsein ihrer Tat auf die letzten Bänke zurückgezogen hatten. „Sehen Sie." rief Dove, geistesgegenwärtig diesen unbeabsichtigten Versuch aus nutzend, „es «st, wie ich Ihnen sagte: Diese Spritz« reicht von Berlin bis Nassau". Verdunkelung vom 27. 1. 17.86 Uhr bis 28. 1. 8.49 Uhr.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)