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- Erscheinungsdatum
- 1930-01-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193001083
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19300108
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19300108
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1930
-
Monat
1930-01
- Tag 1930-01-08
-
Monat
1930-01
-
Jahr
1930
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Avpf «nd «an» verrauschl Werkswdenlen erzählen szugskomlte«^l !s g«orgisch«z erwerfung d«, eglerung End, erwonzc». de sich öarnn, setrußland .p> erden, um die finanzieren, lgert der An. nzrlheften der Sadachierasch. izelheiten der ilschnoten ein. >ze einrvethle, i nmal für dl« ichtia für ihn uitschland die deckt auch in -nehmen wohl Auslande oer zlaff, welchen ,, >abe und wo- idze noch zur öle» später nicht zu Un. nur für be. mung der rgiers Coda- Drr Merkstudent, der während der Inflationsjahre in Zechen, Hüttenwerken und Walzwerken neben dem Studium sein Brot verdiente, ist heute seltener grwor» den. Man glaubt vielfach sogar, das Werkstudententum cn. Rechtlich er sogar «in« acbungen ab- sei für den 7. Januar, »gen ist die rs Einlrefsen tentwu » ge erwarte!, näheren An. eiten streng !doch gerüchz, einen joil in : Abordnung lmungen des m. es werde nunqen nicht :ren Dorfrei chen. tn das Bestimmung mungen -es e Grundlage esprechunge» euren, wird Ncisterschule niesten Per- !> Kaminski. les altkatho- stengcn bei onstanz und g, und dort en Studien, Hugo Kann nrz im rett en Erleben, g völlig ab- e und reine rspriingltch« ruckner her, sem Mittel- > war ein« einem mo« > verwandt« >d sein« bis« Doppelchor ester — von zur Ekstase crstimmig»« schien Chor. 0lä»nerchor. Klavier ge« Münchener wnns Nach- Durch diese nur Beifall der Künste önnens und erwark« etwas über, de» unteren n>lich heiter, später etwas sei überlebt. Aber es ist nicht Überlebt; die wirtschaft lichen Verhältnisse zwingen auch heute noch zahlreiche junge Menschen, in harter Tagesarbeit Kops und Hand zu vertauschen, um sich das Notwendigste zum Studium zu verdienen. Es liegt im Wesen des Werkstudenten, daß er verschämt ist und nicht viel von sich reden macht. So ist es wohl die Pflicht derjenigen, die das gleich« früher erlebten,, hin und wieder noch einmal die Allge meinheit daran zu erinnerst. Es war in den Jahren nach dem Kriege und besonders wäh rend der Inflaiionsjahre. als die meisten Studenten, wenn st« nach bestandenem Examen von zu Hause weggingen, ihren Le bensunterhalt und ihr Studium entweder zum Teil oder auch ganz verdienen mutzfMi. Gewiss, es gab auch in jenen schweren Zeiten einzelne, die wie früher ihren Monaiswechsel bekamen, «nd die von den Sorgen des Werkstudenten kaum etwas ahnten. Tenn das war kennzeichnend für den echten Werkstudenten, datz er konm über seine Arbeit sprach. Die Notwendigkeit, neben dem Studium noch arbeiten zu müssen, und zwar durchweg in den untergeordnetsten Stellungen, empfand man doch immer deprimierend, so daß man nicht gern davon erzählte. Daher kommt es auch wohl, datz nur so wenig von diesem auf reibenden und ncrventötenden Leben des Werkstudenten bekannt geworden ist. Gewiss, es gibt einige Bücher, von Werkstudenten geschrieben: auch in Zesttiingsaufsätzen hat der eine oder andere seine Erlebnisse erzählt, aber es will scheinen, als ob die meisten auch diese reale und manchmal sogar brutale Wirk lichkeit ein wenig rosig verfärbt hätten. Die Vorstellung, die man heute durchweg vom Werkstudenten hat. ist di«, dasi der junge Bursche mit Feuereifer und mit Begeisterung, mit strah lenden Augen während der Ferien in die Fabrik zieht und dann zum Semesterbeginn mit den Taschen voll Geld und mit frischem Mut wieder zur Universität kommt. Man stelle sich aber einmal die Verhältnisse während der Inflationszeit vor: Wir haben damals monatelang in Fabri ken gearbeitet, wir haben Semester überschlagen müssen, trotzdem wir in unendlich schwerer Arbeit vor den Hochöfen Monate um Monate ausgeharrt hatten, weil uns die Summe, die wir wäh rend dieser Arbeit zurücklegten, an zwei Börsentagen zu einem Nichts zusammenschmolz. Für uns waren diese Verluste un ersetzlich. Cie.bedeuteten für uns: einige Jahre Studium ver loren. Und cs gibt noch keine Statistik der Opfer, die das Werk- stndcntentum unter der Jugend gefordert hat. Wie viele ruinierten hier ihre Gesundheit, wie viele waren nach zwei Jahren für rin ganzes Menschenleben fertig! Taufen- Adressen für sieben Mark Das waren eigentlich die „Vornehmsten*, die prinzipiell nur eine leichte Beschäftigung übernahmen. Sie hatten es nicht so sehr nötig. Ihr Monaiswechsel war vielleicht ein wenig knapp, so daß er nur für die Miete und das Mittagesten in der Mensa reichte. — es genügte also eine kleine Nebenbeschäftigung. Und wenn sie einmal nichts verdienten, so reichte es zur Not auch für ein paar Wochen ohne Arbeit. Für sie war das Adres- senschrciben die gegebene Gelegenheit, die paar Mark zum Mo- natsfixum zu verdienen. Adrcssenschreiben ist eigentlich eine ziemlich cinsache Sache. Man hat einen Kartothekkasten vor sich, der mit mehreren Tausend Adretzkärtchen gefüllt ist und schreibt die Anschriften der Neihe nach auf die Briefumschläge. Wenn man es so zwei Tage gemacht hat, so ist man schon fast abge stumpft gegen die Eintönigkeit, gegen die Sinnlosigkeit dieser Arbeit. Man schreibt ganz mechanisch wie ein Automat, und das ..Herrn" oder „Frau" und auch dis gebräuchlichsten Vor namen schreibt man nach wenigen Tagen ans eine ganz neue Art. in einem ganz neuen Zuge, — ko das, man. wenn man am Abend einige Briefumschläge überblickt, vor seiner eigenen Handschrift entsetzt ist: Das habe ich nicht geschrieben, das hat irgendein ganz Fremder hingekritzelt, mit dem ich nichts zu schaffen habe! Durchschnittlich wurden für 1000 Adressen sieben Mark ge zahlt. Andere Unternehme» zahlten aber auch nur sechs Mark oder nur fünf Mark — wieder andere auch zehn und zwölf Mark. Di« Werkstudenten unter sich kannten sich natürlich, insbesondere kannten sich di« Spezialisten, also etwa diejenigen, die nur Adressen schrieben, ganz genau untereinander. Es war gleichsam eine stille Organisation der Adressenschreiber. Wer üur fünf Mark bezahlte, wurde boykottiert. Die aber zehn oder zwölf Mark zahlten, wurden überlaufe». Und der Konkurrenzkampf erforderte schließlich auch, daß der Einzelne, der eine besonder- gute Gelegenheit ansgckundschaftet hatte, diese nicht mehr so ohne weiteres seinen Kommilitonen verriet. So saßen sie Woche um Woche in den verstaubten Büro», in irgendeinem abgelegenen Zimmerchen und schrieben von morgens 8 Uhr bis nachmittags um 1 Uhr. Sie dursten sich kaum einige Minuten Pause gönnen, wenn sie das vor geschriebene Pensum sertigbringen wollten Acht Stunden Arbeitszeit und in diesen acht Stunden schassten die meisten 000 oder 700 Stück. Ein Tagesverdienst also von zwischen 8.80 Mark bis sieben Mark! Dabei aber ist zu bedenken, daß der Avrcssenschreiber natürlich nicht jeden Tag beschäftigt ist. son dern nur etwa durchschnittlich zwei bis drei Tage in der Woche Und nach diesen acht Stunden geisttötender Arbeit mutz sich dann der junge Mensch auf sich selbst besinnen, auf sein Stu dium und aus seine geistigen Interessen. Weitere sieben oder acht Stunden des Studiums bringen ihn dann auf «inen Ar beitstag von rund sechzehn Stunden und es bleibt ihm zum Schlafen — noch Abzug der Zeit sür Pausen und Wege — noch eine fünf- bis sechsstündige Nacht. Datz das im Alter von 10, 20 und 21 Jahren die Gesundheit angreist, datz wird wohl jeder verstehen können. Der Kofarbeiker Es gab andere Studenten, d!e hiekken es für unter ihrer Würde, den Tag mit einer solch stumpfsinnigen und geistlosen Arbeit zuzubringen, wie es das Adrcssenschreiben ist. Dann lieber sein Geld mit schwerer körperlicher Arbeit verdienen. So gingen sie in die Fabriken, in die Hüttenwerke und in die Zechen. Auch das ist nicht das schlimmste, wenn sich die Arbeits zeit nur auf die Ferien erstreckt hätte. Aber es soll hier von den besonderen Verhältnissen während der Inflation berichtet werden. Da zerrann der Ferienverdienst in den ersten. Ce- mestertagen zu nichts. Da mutzte man während des Semesters weiter arbeiten, wenn man leben wollte, wenn man sein Studium aufrecht erhalten wollte. Und das waren die fürch terlichsten Jahre unserer Studienzeit. Morgens um sechs Uhr ausstehen I Im schäbigsten Rock zur Fabrik, wo um h«7 Uhr die Schicht beginnt. Wir waren zu dreien als Hosarbeiter in einem Schmelzwerk angestellt worden. „Kräftige Burschen für alle Hofarbeiten gesucht I" so lautete di« Anzeige in der Zeitung. Der Betriebsleiter lachte uns aus, als er unser Ver langen hörte. Darauf wünschten wir den Ehef selber zu sprechen. Der Ehef war ein junger Mensch in unserem Alter, der eben erst die Technische Hochschule absolviert hatte und das Werk seines Vaters seit einigen Wochen selbständig leitete. Er hatte Verständnis für uns, sprach uns mit „Kommilitonen" an, und ein paar Worte zum Werksührer — wir waren engagiert! Datz wir gegen seinen Willen uns zu dieser Arbeit ge drängt hatten, das vergatz uns unser Vorgesetzter nicht. Er war immer höslich, liebenswürdig, und er konnte uns mit dem freundlichsten Lächeln die allerniedrigsten, allergröbsten und allerschwersten Arbeiten anweisen. Wir haben bei den Arbci lern des Werkes viel mehr Verständnis gesunden. Eie Hab uns — wenn es möglich war — bei unseren schwersten Arbeiten geholfen, oder sie haben auch dem Werkmeister gegenüber offen erklärt, datz diese oder jene Arbeit doch wohl sür uns zu schwer sei. Eie waren gute Kameraden Wenn sie eine Lohnaufbesse rung für sich erdichten, so vergasten sie niemals, dafür zu k-r- gen, datz wir auch dieser Vergünstigungen teil wurden. Uw Nt Uhr abends war die Schicht beendet, sllnf Minuten svät-r hatten wir schon den Fabrikhof verlosten, liefen nach Hause, zogen uns um. atzen ein wenig während des Umziehens »nd erreichten es. datz wir zum Vicr-Uhr-Kolleg noch rechtzeitig der Universität waren. Es waren harte Monate. Die eigent liche Arbeit konnte ja für uns erst abends - "--r ginnen, wenn wir wieder daheim waren und in unserer Stil« dicrstube über den Büchern saßen. Es waren Monate, die wi« wohl niemals vergessen werden. Ein Waggon voll Kupfer zu laden! In dem Eietzwerk wurde Schrotlmaicrial, wie es der Lumpenhändler i» den Häusern und auf den Werkhüfen zusam- menliest, zu kleinen Barren umgeschmolzen. A» den Gietzosen selbst waren Facharbeiter beschäftigt, und wir bekamen nur selten einmal einen Einblick in den eigentlichen Betrieb. Für uns war der Hos das Arbeitsfeld. Tie weiten Lagerschuppen des Absallmaterials und der fertig gegossenen Barren — di« lannten wir nach kurzer Zeit bis in die verborgensten Winkel. Einen Sonnabend — lurz vor Mittag — wurocn wir beaus tragt, einen Waggon mit dem Material, das dort in einem Lagerschuppen hoch ausgeslapelt lag, voll zu laden. In drei Stunden ist Schichtschluß, bis dahin mutz die Arbeit geschafft sei»! Vom Stapelplatz bis zur Eiseiibahnrampe mutzte man di« Barren auf kleinen eisernen Schubkarren transportieren. Man ladet also die Karre voll mit de» schweren Metallbarren, schiebt sic — unter der ungeheuren Last keuchend — zur Bahnrampe, reicht jeden einzelnen Block hinaus zu dem Arbeiter, »er sich dann im Waggon ordnungsgemäß ausstapelt. Vor dieser Arbeit hat ten alle Scheu. Nicht nur, daß die Last so ungeheuer schwer ist, nicht nur, daß man an den rauhgegosscnen Barren die Hände zerreißt, sondern man atmet auch fortgesetzt den ganz seinen Metallstaub ein. der in dichten Schwaden in den Lagerhallen liegt, und der sich drückend aus die Atmungsorgnne legt. Ein unendlich tviderlicl>er, süßlicher Geschmack macht sich sckwn nach wenigen Minuten aus der Zunge bemerkbar. Wenn man schluckt, spürt man das Metall in der Kehle und am Gaumen, »nd beson ders dieses GeftihI war es, was die Arbeit so ausserordentlich unerträglich machte. Arbeiter die schon jahrelang hier beschäf tigt waren, bestätigten uns, daß sie das gleiche empfinden. Wenn wir drei Stunden laug Kupserbarren in den Waggon eingeladen hatten, dann konnten wir nichts mehr egen, weil bei jedem Dissen der süßliche Mctnügephmack wieder auf die Zunge kam. Aber nach drei Stunden Kupserladen balle man auch kein Bedürfnis mehr zu eben, man hatte nur ein Bedürfnis: nach Hause zu komme» und -u liegen. Ich erinnere mich lebhaft dieses Sonnabendmittags, wie wir uns mühsam nach Hause schleppten, wie ich — buchstäblich aus Hände» und Füßen — die Treppe hin an kroch, mich auss Bett warf und bis zum Sonntag srüh schlief, wie ich dann mit unsagbaren Schmerzen in allen Gliedern auf wachte und mich am Montag wieder zum Wer'hos schleppte, z« neuem Kupferladen. Nach Mo inten hatten sich unsere Muskeln schon mehr daran gewohnt, und auch unsere Gaumen vertrugen den widerlichen Geschmack des Kupftrs schon leichter. Während dieser ganzen Zeit haben wir neben der F.z'-nstlarbcit noch täg lich durchschnittlich sechs bis siebe» Stunde» sür unser Studium gearbeitet. Theologe und Jettun^sbv's Die allmähliche Konsolneruug und die Stabilisierung der Mark haben es mit sich gebracht, daß das Wcrlsiudcutcntum in dieser krassen Form heute seltener geworden ist. Die meisten, die noch neben dem Studium verdienen müssen, arbeiten in den Ferien, sparen das Ge d auf und leben banne da von während des Semesters. Andere aber auch haben sich einen richtigen Beruf erwählt und üben ihn neben dem Studium aus. Zwar gibt es an den Unincriii len eine Bestimmung. daß ein Student nicht mehr als vier Stunden tägüch beschäftigt sein inrf. aber in der Praxis wird viele Benimmuna nicht !o streng Das Backhaus von Jakob Sineip Wenn Anfang November das Letzte von den Feldern her- elngekominen war und die Welt sich von den Wäldern, die unser kleines Hunsrückdorf umgeben, mit Grau und Nebel verhängte, so begann nach viel harter Arbeit für die Bauern eine Zeit der Ruhe und Einkehr. Die Welt schien da draußen oft wochenlang »geschlossen. Für uns Kinder aber kam mit Nebel uno Dunkel- eit und dieser Abgeschiedenheit von Bera und Wald und allem, ums dahinter lag, eine geheimnisvoll« Zeit des Märchens, des Traun,es und der Erwartung aus das große Fest der Lichter, das hinter diesen Tagen des Dunkels mit seiner himmlisck)«» Wunderoracht verheißungsvoll aufstieg. Wir schlossen uns"um diese Zett enger zusammen und suchten im Bereich des Dorfe» neue Spielplätze aus, wo wir vor Regen und Kälte geschützt waren. Der weitaus schönste dieser Spiel plätze war das Backhaus. Auf einer kleinen Anhöhe stand dieses Backhaus, da, wo di« drei Hauptstößen des Dorfes: die Kirchaasie, die Korngasie und die Vorderortgasse zusammenliefen. Rechts vor der breiten Eingangspforte befand sich ein tiefer, alter Ziehbrunnen; hinter dem Backhause aber erhob sich aus dem gleichen Hügel, inmitten des kleinen Friedhofes, die Dorstirche. Das Backhaus war ein alter vielleicht gar der älteste Bau im Dorfe. Ucber den meterdicken Steinmauern des Erd- eschosses. das als Vackraum diente, erhob sich, mit breiter sardensenstern. „ .. ... .. . „ ^ Haussaal und in den kleinen Stuben, die sich da fanden, war noch Raum für die Allerärmsten, denen die Gemeinde hier ein Obdach gewähren mutzte. Und noch ein Eelatz war da. das zuweilen einen seltsamen Gast beherbergte. Es war das Spritzenhaus, ein kleiner An bau. in welchem die Sünder von der Landstraße Vagabunden »nd Strolche, eingelocht wurden, bis die hohe Polizei sie zur Kreisstadt beförderte. Mit Neugier und geheimem Gruseln umstrichen wir dann den Vau, spähten nach den kleinen ver gitterten Luftlöchern in der Türe und horchten aus jeden Laut, der herausdrang. . . , , ^ . In diesem Backhaus also, und zwar in der hohry Halle im Erdgeschoß, an deren Rückseite die Backöfen lagen, war zur be ginnenden Winterzeit alltäglich unser Spielplatz. Aber all den holden, abenteuerlichen Zauber, all das buntbewcate Leben auszumalen, das sich im Flamme,«schein von zwei großen glüh- roten Backosenlöchern in dieser rauchgeschwänaerten Hall« be wegte; dazu gehört« fast der Pinsel eines Remorandti Durch die große Tür, die stets weit offen stand, sah man die Bauern und Bäuerinnen, vom Sckzein der Glut beleuchtet, hin- und he«geh«n oder an den Oesen hantieren. Da wurden große Reisigbündel in den Rachen des Ofens geschoben und in Brand gesteckt; und waren dann die dicken Backsteine im Innern vom Feuer durchglüht, so wurde mit langen Holzschaufcln di« übrig, gebliebene Masse von Asche und glühender Kohle wieder her ausgeholt und in große Löcher h,ne »geworfen, die unter der Ofenössnung lagen. Dort prasselten und glühten die Kohlen noch lange und erfüllten den ganzen Raum und die Gesichter der Menschen mit zauberhaftem Licht. Während aber meist von männlicher Hand die Ocsen be feuert wurden, „wirkten" die Frauen aus den mächtigen Tischen, die an beiden Längsseiten der Halle standen, den Teig, sie kneteten, klopften und wälzten ihn zu Brotlaiben zusammen, und waren dann die Oesen zur Aufnahme bereit, so wurden di«. zeichneten auf den Tischen, sobald sie frei wurden. Figuren, setz ten Würfel, bunte Glaskugeln oder im Notfall gar Bohnen als Würfel bunte Glaskugeln oder im Notfall gar Bohnen als Einsatzziel hinein und schoben mit Klickern danach wie auf einer Kegelbahn: wir spielten, wenn zwischen den Tischen Platz war. blinde Kuh oder benutzten den dunklen Gang, der hinter dem mächtigen Ofen herlicf. ja. oft gar die breiten, mit Staub und Asche bedeckten Rücken der Oesen zum Versteckspielen. Zwnschendurch aber kam. über all den holden Düsten, di« stch hier verbreiteten, der Hunger. Di« stumme -Sprache unserer Augen rührte dänn oft genug an das Herz eines Bauern oder einer Bäuerin, datz sie uns einen Apfel- oder Zwetschenplatz aus den Tisch warfen und sich herzhast an unserem Zugriff erfreu ten. Aber die Neichen wqren dabei keineswegs die Freigebig, sten. Oft schenkten gerade die Armen uns lachend mit vollen Händen von ihrem üxnigen und freuten sich, wenn wir wacker zugriffen. Aber an dunklen und kalten Wintertagen lockte die warm und hell erleuchtete Halle auch manch anderen Dörfler herein. Kam da ein Mädchen zum Brunnen, so schaute rs wohl einmal zum Backhaus hinein, und fand eg lustige Gesellschaft, so schwatzte und lachte rs eine Weile mit sprang dann rasch wie der fort und trug einen Abglanz von der Fröhlichkeit, die hier herrschte, mit nach Hause. Ging aber ein Bauer vorüber, der eben zum Schmied, zum Stellmacher oder zum Gemeindeschöffen wollte, so trat er eben ein stopfte sich eine Pfeife und hörte, was es Neues gab im Dorf und im Kirchsoiel; denn das Back haus war behaglicher und besuchter als jedes Wirtshaus zu dieser Zeit. Und selbst das alte Mütterchen, das am Nachmittag einen Schritt zum nahen Friedhof oder zur Kirche tun wollte, fand herein, wärmte sich einen Augenblick die Hände, schwatzte ein wenig mit Das oder Rachbari» und ging dann weiter ihre, Weges. Zuweilen aber erschien auch die blinde Susanne, eine arm«, alte Jungfer, die einsam am Dorsende in einer Strohdachhütte wohnte. Und die lahme Wilwe von Ginster dem Eauhirten, und die Armen, die in dem Eiübckcn über dem Backhaus non der Gemeinde ausgehaltcn wurden, wagten sich schüchtern her ein, wenn die Not sie zwang. Ader sie br-uchleu kein Vettel- wort auszusplecken Ihr Erscheinen genügte, um der Bäuerin zu sagen, was sie Hierhcrgetriehen. Und worNos schob map der Armen ein Brot oder einen Apfclplatz unter die Schürze. Ja. einmal schien es mir sogar. n!s ob die Geister der Toten, die hinter dem Giebel des BncklMües auf dem Kirckbos lagen, hier Zutritt und Anteil hätten: denn da Kapps-Linkser eben ein böses Wort über den toten Stesses-Bauern ausiprach, hob Liefern, der Schmied, der vor dem flammenden Backofen stand, seinen schweren Bart, faltete die dunkle Stirn und warnte: „Nimm das Wort zurück. Linkier! Der Stef es liegt dort hinter der Mauer und hört zu. Er könnte sich im Grabe rühren und gleich dort an die Wand klopfen." Und einmal erlebte ick es mit. datz es wickklch an die Wand klopfte, aber nickt mit leisem Geistersinger, ionoer» mit harter Faust: doch die Bauern und ihre Frauen erschraken nicht, denn sie wußten sofort: das ist die Hand des krummen, arbeitsscheuen Schellen-Kaspars. der wieder einmal wegen einer Dieberei im Spritzenhaus sitzt Und diesmal zeigten sie nickt einmal Mit leid: mag ihn weiter der Hunger -wirken! Am nächsten Mor gen aber hatte der Krumme die Fackwand durchstoßen, hatte dem Loosen-Wirt «in Mar Hühner gestohlen und war auf und davon. Ehrlichen und unbescholtenen Wanderburschen aber wurde im Backhaus Herberge gewährt. Auch Zigeuner. Zirkw'leute und Komödianten durften bei grotzer Kälte hier ihr Nacht quartier nehmen. Und aus dem Nöcken der Backöien und in dem Gang, der dahinterlicf, fanden sie in den kältesten Nächten ein warmes Lager. All das erlebten wir Kinder mit. und so glitt vor unseren Augen in diesem gesegneten Raum, wenn draußen kalter Nebel und Regen hing, der bunte Wechsel menscklicher Freuden und Leiden vorüber. Trieb aber der Schäfer bei Einbruch der Nacht die Herde ins Dorf und ries vom Turm oben die Glocke zur Abendandacht, so zerstob alsbald unser Völkchen aus der Back haushalle. Wir liefen zur Klicke hinüber. Und plötzlich ian- dc» wir uns in einer anderen Well: im Halbdunkel der Kirche knieten wir. eng aneinander gedrückt: unsere Stimmen wurden aus den Strömen der Orgel mit emporgctragcn. und wir sprachen mit der Gemeinde, die hinter uns kniete, die Gebete. Und wenn dann dos erste Ndventskicd erklang und der Spalt der Türe sich zu dem himmlischen Weihnachtswunder schon ein wenig auftat. so wurden wir von heiligem Schiuer ersaßt und zogen glückselig nach solchem Tag, von Weihe und srohcr Er wartung erfüllt, durch die dunklen Gassen nach Hause zurück.
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