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Nummer 151 — 28. Jahrgang Sricheii» «mal wichen«, mit ten illusir. GraUSbeUagen.Die Heil' u»d gür nuiere «einen Leute', sowie den reiibeilagen ,LI. Beuiio-Biatt'. .Unterhaltung „nd Wissen'. .Di» Welt der grau', Aerzlttcher Ratgeber'. Da» gut« Buch', .ffilmrund. schau'. Monatlicher Be,ug»dreti> S Mt. «Inschl. Bestellgeld, iinjelinimmer 10 4- Sonnabend- ».Sonntagnummer i»0 Hauvlschrtftlelter: Dr. w. Le»«»»». Dresden. Sächsische Mittwoch. den S. Juli 1»2» tverlagSor« > Dresden «»»etaenvrette r Di- igelvaltene Petttzetl« »« 4. Familien- «„«eigen ».Stellengesuche »«4- DiePetitrellamezeile. Mmm breit. 1 ?siir Anzeigen autzerhalb des Verbreitungsgebiete» ^04 dtePetttreNamezetlel.tdO^. Briesgeb.itt»^. Am Halle höherer Gewalt erlischt iede Nerpslichtung aus Liesernng lowie Ersiillung v. An,eigen.«ultrSgen u. Leistung v. Schadenersatz, «eschltstltcher Lell: Artur Len». Dresden. volk-seiMns «eschäftSstelle, Druck».«erlag> Germania.«^». sür Verlag »nd Drucker«t.sttlialeDresden.DreSden-A.1. Poliersirahe N. Fernr»s2l0l2. Postscheckkonto Dresden rioz. Bankkonto- «tadtbank Dresden Nr. «171» Für christliche Politik und Kullur DreSdew Redaktion der SSchftschen Boir»,eltun, Sden-AUsiadt 1. Polterstras,e N. Fenmn MU und rioiL Frankreichs Isolierung England, Italien, Belgien und Deulschland für London als Konferenzork Macdonald bleibl fest L, London. 2. Juli. Der diplomatische Korrespondent des „Daich Telegraph" schreib!-: Die italienische Negier»,u, hat jetzt endgültig ihre Zu stimmung zu dem britischen Vorschläge mitgeteilt. die Repara- tions- und Rheinlands!,onferenz in London abzuhalten. Nach dem nunmehr Italien. Belgien und Deutschland ihre Bereitwilligkeit zur Teilnahme an einer Londoner Konferenz bekundet haben, ist es nicht iiberaschend, datz Ma^onald und seine Kollegen es ablehnen, sich durch die an den Haaren herbei gezogenen Pariser Argumente von ihrer ursprünglichen Absicht abbringen zu lassen. Britich-e Kreise geben zivar zu, daß die Umwandlung des Aoungberichtes in einen Vertrag erhebliche Arbeit machen wird. Sie teilen aber nicht die französische An sicht. daß diese Aufgabe Monate beanspruchen muß. Alis der Daweskonferenz von 1924 haben die Staats männer und Sachverständigen gleichzeitig die politisclien und finanziellen Fragen beli-andelt. Diesem Vorbild sollte man folgen. Britische Kreise erwärmen sich nicht für den Gedanken, drei aufeinanderfolgende Konferenzen abzul>alten, nämlich eine der Staalsmänker, eine der Sachverständigen und dann wieder eine der Staatsmänner. Ein solches Verfahren würde geeignet sein, die Rheinlandräumung über das laufende Jahr hinaus zu verzögern. Macdonald und seine Kollegen sind keinesfalls bereit, eine solche Möglichkeit in Erwägung zu ziehen. Pie Minister sind nicht mit Unrecht überzeugt, daß sie bet einer entschlossenen Haltung in der Räumungssrage die öffentliche Meinung ohne Unterschied der Partei hinter sich haben werden. Es sind zivar »och Keine formellen Aniveisungen an das britische Hauptquartier in Wiesbaden abgesandt worden, aber es ist bekannt, daß von Sachverständigen an Ort und Stelle Pläne ausgearbeitet worden sind, die sofort nach Ein gang des Räumuugsbefehls zur Anwendung gebracht iverden sollen. Die britische Regierung wünscht ernstlich Im Einver nehmen mit allen interessierten Parteien zu handeln, sie wird aber nicht zögern, von ihrem Recht Gebrauch zu machen, selb ständig vorzugehen, wenn von irgendeiner Seite eine Verschleppungstaktik geübt wird. Diese Aeußerung des „Daily Telegraf" hat deshalb be sondere Bedeutung, weil dieses Blatt der Opposition an gehört. In England gibt es also in der Frage der künftigen Konferenz nur eine Meinung. Die Uebereinstimmung der Mächte hinsichtlich des Kon ferenzortes bringt Frankreich in eine sehr schwierige Lage. Frankreich ist heute in der großen europäischen Politik völlig isoliert. Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß die großen französischen Blätter der Rechten heute eine sehr scharfe Sprock)« gegen England führen, Frankreich wird sich, wenn es sich nicht in den Ruf bringen will, das Zustande kommen des Poung-P laues sabotiert zu haben, dem Zivange der Tatsachen fügen müssen. Zumal mit Rücksicht auf Amerika, dessen Wohlwollen die französischen Finanzen dringend nötig haben. Europas wirtschaftliche Solidarität Späte Einsicht in Paris Paris, 2. Juki. Gestern abend veranstaltete das „Comite d'action econo- mique et douanniere", in dem die französisch Industrie und der französische Handel organisiert sind, zu Ehren der auslän dischen Presse ein Bankett, dem auch die Leiter der Wirtschafts- abteilungeii der ausländischen Missionen der größeren Staaten — die deutsche Botschft ivar vertreten durch Gesanütschastsrat Döhle — sowie Handelsminister Bonnesou und Arbeits minister Loucheur beiwohnten. Der Vorsitzende der Bereinigung George Berger er klärte. cs sei nicht die Aufgabe der Vereinigung, für die voll kommene Niederreitzung der Zollgrenzen einzutrete,,. sondern ^ sich vielmehr für die Herabsetzung der übertriebenen Zölle und sür eine wirtschstlich Verständigung einzusetze». In diesem O Gedankengang wandte er sich gegen die geplanten Zollerhöhun- ^ gen der Mreimgten Staaten, die eine Bestürzung in Europa hervorgerufen hätte». Auch Handelsminister Bonn esou erwähnte die Zoll- Politik der Vereinigten Staaten, Er erklärte, es sei ein Para doxon, wenn man von einem Lande fordere, daß es seine Schul den bezahle, während man ihm durch übertriebene Zölle die Mittel hierzu verweigere: denn nur aus dem Ausfuhrüberschuß könne man seine Schulden begleichen. — Arbeitsminister L o u- cheur wies darauf hin. daß Europa sich wirtschaftlich organi sieren müsse, nur auf diese Weise könne man der wirtschaft lichen Konkurrenz der Bereinigten Staate» begegnen. Auf alle Fälle aber werde mau hierdurch die Möglichkeit einer Verhand lung mit Amerika auf dem Fuße der Gleichheit erzielen. * Diese Aeußerungen sind in mehr als einer Hinsicht be merkenswert. Der Grundsatz, daß nuraus demAusfuhr üb e r s ch u ß S ch u l d e n beglichen werden können, ist von Deutschland bei den Verhandlungen über die Reparationen seit Jahren verfochten worden, ohne daß damals Frankreich diesen Grundsatz anerkannt hat. Heute, ivo Frankreich zahlen muß. werden auf einmal die gleichn Argumente verivandt, die ma». von deutsche Seite vorgebracht, als nicht richtig gelten lassen wollte. Jedenfalls ist dieser Fortschritt der wirtschaftlichen Ver minst in Frankreich zu begrüßen, wenn dieser Fortschritt auch nur unter äußerem Druck erzielt worden ist. Der Gedanke einer wirtschaftlichen Organisation Europas kann nur dann verwirklicht werden, wenn Frankreich das, ivas es als maßgebend für seine Schuldcnzahlung an Amerika an erkennt — die Leistungsfähigkeit — als alleinigen Maßstab auch für die Zahlung der deutschen Reparationen an erkennt. Die Schulden an Amerika . Nr. Paris, k. Juli. ^ Die politische Krise der letzten Tage hat, wie es scheint, ihren Höhepunkt überschritten. Frankreich ist sichtlich bemüht, der Ablehnung seines Stundungsgesuches durch die amerika nische Regierung mit Haltung zu begegnen und sich in Erman gelung eines besseren wieder auf den „Stolz des ehrenhaften Schuldners" zu besinnen. Wie die Pariser Blätter heut» schreiben, nimmt dis französische Kammer die negative Ant wort Washingtons „ohne Erstaunen und ohne Bewegung" hin. Regierung und Parlament sind bestrebt, die Trümmer, welche die unkontrollierte Eefühlswallung einer schwachen parlamen tarischen Stunde Lbriggelassen hat, mühsam wieder zusammen zusuchen. Die Auseinandersetzung über die Verantwortlichkeit habe jedoch eine solche Schärfe, daß die Gefahr eines Rücktritts der Regierung bis in die späten Abend stunden des gestrigen Tages gegeben war. Wie zuverlässig verlautet, äußerte Briand in der gestrigen Kabinettssitzung, die unter dem Vorsitz des Präsidenten der Republik abge halten wurde, allen Ernstes die Absicht seines Rück«! tritts. Der Leiter der französischen Außenpolitik empfindet es als einen schweren Eingriff in seine Rechte, daß der Ministerpräsident dis nationalen Rauschausbrüche der Rechten vor sich gehen ließ, ohne ihren verhängnisvollen Anträgen dis Vertrauensfrage des Kabinetts entgegenzustellen. In der Tat ist es nur durch die persönliche Belastung Poincarss, der bis vor zwei Jahren noch zu den grundsätzlichsten Gegnern der Schuldenabkommen mit England und den Vereinigten Staateir gehörte, zu erklären, daß er nicht zu diesem, ihm so geläufigen Mittel griff. Leider melden sich schon einige Stimmen, vke aus dem Vor kommnis keine anderen Folgerungen zu ziehen wissen, als di« Jntransigenz gegenüber dem eigenen Schuldner. Die Argu mente jener Nachtsitzung gegen eine finanziell« „Versklavung an das Ausland" sind mit einem Schlage vergessen, und was bei den rechten Parteien Übriggebliebe» ist, ist die verstärkt» Forderung, von Deutschland Garantien für seinen Zahlungs willen zu erhalten. Man wird nicht fehlgeh«» in der An nahme, daß diese Aeußeruygea auch auf Rhei« ugd Sggr zu beziehe,, sind. - Die Entwicklung in -er Türkei Ruf imch Wahrheit. — Der Weg der Reformen. — Aus. sichten für die Zukunft. Konstantinopel (UTA ). Ein führendes türkisches Blatt hat kürzlich darüber Klage geführt, daß das Ausland über die Vorgänge iir der Türkei noch immer in Formen unterrichtet werde, die an die Märchenerzählangen aus der Zeit Abdul Hamids erinnern. Man will nicht mehr, daß die Türkei als ein Nebelland erscheine, als ob man noch durch Spalten von Haremsgittern spähen müßte, als ob noch immer nächt lich Säcke mit furchtbarem menschlichen Inhalt in den Bosporus fielen, man verlangt, daß Europa die Türkei als das sehe, was sie wirklich ist, als einen modernen (oder fast modernen) Stoot. Dos türkische Blatt, das gegen die Berichterstattung in einein Großteil der Aus» landspresse in heftiger Form polemisiert, fordert, daß über die Türkei die Wahrheit, endlich die Wahrheit geschrieben werde. Es ist eine heikle Forderung, die das kemalistische Blatt erhebt. Die volle Wahrheit ül>er die Türkei?, Würde man die in Angora und Konstantinopel auch wirk lich vertragen, es sei denn, daß man an die Wahrheit denkt, die hier auftragsgemäß täglich verbreitet wird, was begreiflicheriveise in einem Staate der Fall sein muß, in dem vollkommene Diktatur herrscht. Air Beispielen hierfür fehlt es in anderen Staaten ja nicht, man wird auch ans der italienischen Presse nie erfahren, wie es im eigenen Lande wirklich aussieht, nicht zu reden von der Somjetpresse. Hinzukommt allerdings in der Türkei dis Erleichterung oder auch starke Erschwerung, daß ein Großteil der Bevölkerung von der Lektüre der Zeitun gen ausgeschlossen ist und — das ist schon wieder Mär- chenorient — nur auf mündliche Erzählungen oder auf den Vorleser, um den sich Gruppen sammeln, verwiesen ist. Denn wenn auch der Direktor der Staotsdruckerei Saik Sabrt Bep erklärte, daß er in zwei Monaten mehr als 500 000 Bücher in lateinischer Schrift ge druckt habe, wenn auch alle Zeitungen an einem Tage die lateinischen Lettern anwenden müßten, weiß man auch oder — genauer gesagt — zählt man auch, wie viele Bewohner der Türkei die lateinische Schrift, diese Bücher und Zeitungen heute nicht lesen können oder — ivos viel bedeutsamer ist — nicht lasen wollen? Die Zahl die ser Mohammedaner, für die man vergebens die lateini schen Bacher und Zeitungen druckt, die sich in keine Lese, schule pressen lassen oder dort — den Koran beten, ist vielleicht größer, als man glauben will. Der Aufstand iir Anatolien-, die Komplotte gegen das Leben Kemals. von denen man nur selten erfährt, würde» pnd werden von diesen Leuten gemacht, die man in Angora als Reaktio näre und Verschwörer ausruft, die aber in Wahrheit nichts anderes sind als Menschen, die an dem Glauben ihrer Väter hängen, die eine Bernichtung des Islam in dem Reformwerke des Diktators sehen lind ihm, im stillen natürlich aber hartnäckig, die Gefolgschaft ver weigern. Wenn inan die Wahrl-eit sagen soll, so darf inan nicht verschweigen, daß es in der Türkei eine nicht zn unterschätzende Zahl dieser Alttürken gibt, daß der Bruch mit der Vergangenheit, den Kemal im Handumdrehen durchsü-hrte, nur zum Teil gelungen ist und auch nur zuin Teil gelingeil konnte. Vergleiche mit anderen Ländern sind hier nicht am Platze. Wenn inan auch nur die ober flächlichste Kenntnis von Altasien hat. dann muß man, auch ohne die Resultate des Kemalismus zu kennen, ernstlich bezweifeln, ob eine völlige kulturelle Umwäl zung innerhalb der Frist möglich sein kann, die der Dik tator diesem Volke eingeräumt hat. Die histor > schen Daten sprechen am besten: Im November 1922 wird dos Sultanat abgeschafft und der letzte Herrscher verläßt das Land. Ein Jahr spä ter wird die Republik ausgerufen und Mustapl>a Ke mal zum Präsidenten proklamiert. Roch einein holden Jahr wagt Kemal den letzten großen Schritt und schafft das Kalifat ab. Das geschieht mittels Ediktes vom 3. März 1924. Wenige Monate später ist der Kurden- aufstand in vollem Gange und nur ein Bündnis mit den Sowjets, ein Berzweiflungsschritt in der damaligen Lage, ermöglicht Kemal 1925 den Kurdenaufstand niederzu schlagen. Unter Aufgebot aller Machtmittel gelang es, die Kurden blutig niederzuiverfen. aber die Reaktion, die Unzufriedenen, die Altgläubigen? Im folgenden Jahre wird eine große Verschwörung gegen das Leben Kemals entdeckt und der Diktator konnte nicht mehr im Zweifel