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Nr. L«« »«. Jahrg. A«r«f»recher: «etzaktto» 2120« — «eichüstsftele 1S018 V»K1che»»»«t«: Dresden SK.147V7 Siickllsche Montag, 2. Mai 1921 Redaktio« «md Geschäftsstelle: Dresden-«. 16, Holbeinftratze 46 VI«rt«liah,I>ch sr«l Hau» L «U Mustrterter »eUag« IS.VS Uu»,«d» v 11 »4 ^ »Ins<HII«bI>ch Paftdesiellgeld »l« Tüchstsche Bolk»,«ttung «rlchiint au ollen Wochrntagen nachm. — kprechpnnde »er MedaMoni II bl» I» Uhr vorm. «n»»«g«n> «miahme von «elchkft»-iiz»Ig«n bl» lv Uhr, von FamIIienanzeigen b>» »1 Uhr vorm. — Prei» für di» VeM-SPaltzcile 1.4V ^c, im SieNameteil S.SV Famtlienanzeigen 1.S« — Für undeutlich geschriebene, sowie durch Fernsprecher ausgegebene «»zeigen sinnen wir die Beraniworillchkeit sür die Sitchligketl d-S LexteS nicht übernehmen j><rpierpreisfrage, Landtag und Regierung Mn Kapitel skr sich Die Art und Weise, mit der die Regierung die An» frage des Abgeordneten Hetzlein wegen der ungeheuerlichen Steigerung des Zeitungspapierpreises am Mittwoch den 27. April im Landtage behandelt hat, rief naturgemätz in den Krei se» der Presse und weiter darüber hinaus grotze Verstimmung herpor. Wir haben schon in Nr- 97 vom Donnerstag den 28. Avril darauf hingewiesen, datz die Beantwortung der Anfrage des Abgeordneten Hetzlein durch die Sächsische Negierung als vollständig ungenügend bezeichnend werden mutz und leider auf recht wenig Verständnis 'der sächsischen Regierung für die Auf gaben der Presse schlietzen läßt. In einem gedruckten Rund schreiben beschäftigt sich nunmehr auch der Verein Sächsi scher Zeitungsverleger mit der Angelegenheit. Er weist darauf hin, datz die Anfrage des Abgeordneten Hetzlein im säch sischen Parlament fast klanglos erledigt worden ist und datz die Antworten der Landesregierung keineswegs befriedigen. Es heißt dann in dem Rundschreiben wörtlich folgendermatzen: „Der Herr Präsident würdk sicherlich von unseren Schrit ten bei der Reichsregierung Kenntnis erlangt, die Antwort sich nicht auf die Nebergehung der sächsischen Regierung in der Frage der Bewirtschaftsaufhebung beschränkt haben, wenn unser Ersuchen an die Fraktionen, vor Beratung der Inter pellation Hetzlein einen interfraktionellen AuSschutz zu bilden, in dem ein sachkundiger Verleger Vortrag halten sollte. Gehör gefunden hätte. Der Sprecher einer Partei äußert sich uns gegenüber hierzu: „Die Beantwortung der Frage, sowie die Bemerkung vom Präsidenten hierzu war nicht besonders freundlich. Ich habe darauf Herrn Präsident Frätzdorf noch einmal die Lage dargestellt. In dieser Besprechung erkannte auch er Ihre Notlage an, doch glaubte er der Konsequenzen wegen darin nicht einwilligen zu können, einen Vortrag in der Kammer zuzulassen." In dem Rundschreiben heißt es dann, das bei der Behänd- kuug der Anfrage in der Kammer zutage getretene geringe Ver ständnis lasse es dringend notwendig erscheinen, datz eine rest lose Aufklärung der Bevölkerung erfolgt. Es ist gewiß richtig, datz ein Vortrag über die Papierpreisfrage im Ple num des Landtages der Konsequenzen halber sich nicht ermög lichen lätzt. Anders verhält es sich jedoch mit der Bildung eines interfraktionellen Ausschusses. Ein solcher interfraktioneller Ausschuß hätte angesichts dieser wichtigen Frage sehr wohl ge bildet werden können. Und vor einem solchen interfraktionellen Ausschuß hätte dann ein sachkundiger Verleger referieren kön nen. Für eine solche Maßnahme sind sogar schon Vorgänge vor handen. Wir erinnern nur daran, datz bei den Arbeitslosen- dcnionstrationen am 6. Januar d. I. sofort die ArbeitSlosenfüh- rec Gelegenheit fanden, ihre Notlage vor den Vertretern sämt licher Fraktionen darzulegen. ES ist tief bedauerlich, datz Land- tag und Regierung, vor allem aber die sächsische Regierung, der wichtige» Frage so wenig Verständnis entgegenbringen. Eine ganz andere Behandlung hat am 26. April die In terpellation Schlittenbauer und Dirr über die- selbe Frage im Bayerischen Landtag erfahren. Abge ordneter Dr. Schlittenbauer konnte mit Recht darauf Hinweisen, „daß die Holzpreise ganz gewaltig gesunken sind, und ferner, datz die Papierfabriken in den letzten Jahren so viel verdient hoben, daß sie eine bestimmte Zeit hindurch ein wenig zusehen oder wenigstens auf derartige Gewinne verzichten können". Im Bayerischen Landtage hat der zuständige Minister Hamm sich selbst zu der Frage eingehend geäußert, und nicht, wie die sächsische Regierung, die Angelegenheit durch einen Ministerial direktor mit einer Handbewegung abtun lasten. Minister Hamm har mitgeteilt, datz eine Nachprüfung d^r bayerischen Papierfabriken von der Landespreis stelle seit einigen Wochen durchgeführt wird. Er hat zugegeben, datz in der Ausfuhrbewilligung in den letzten Monaten bedauerliche Fehler vorgekommen sind. In einer Anzahl von Fällen ist Zei tungsdruckpapier überhaupt ohne Ausfuhrbewilligung über die holländische Grenze verschoben worden. Für insgesamt 326 Wagenladungen Zeitungsdruckpapier wurden bei der Autzenhan- delsstelle für das papierverarbeitende Gewerbe Ausfuhrbewilli gungen unter der falschen Benennung als Klosettpapier eilige- holt, ohne datz sich die AutzenhandelSstelle durch die unwahrschein lich hohe Menge zu besonderer Prüfung veranlaßt gesehen hätte. Zutreffend hat der bayerische Minister erklärt, „daß es ein drin gendes Bedürfnis der Reinlichkeit in unserem Staatsleben ist, daß solche Vorkommnisse raschestenS schonungslos aufgedeckt, die Schuldigen mit äußerster Härte bestraft und die Öffentlichkeit alsbald über das Ergebnis unterrichtet wird". Die sächsische Re gierung hat, was ja sehr bequem ist, einfach au das Reich ver wiesen, während Minister Hamm erklärte, die bayerische Regierung halte es für die Pflicht des Staates, nach Möglichkeit auf die Sicherung des Bestan des der Press« hinzuwirken. Der bayerische Minister erklärte weiter, daß die bayerische Laudespreisstelle sich zur Prü fung der Verhältnisse der bayerischen Papierfabriken um so mehr verpflichtet halte, als eine Reihe von Papierfabriken aufsehenerregende Gewinne machten, die als im Mißverhältnis zu der Belastung der Öffentlichkeit infolge der hvhen^ Papierpreise stehend empfunden wurden. lieber diese ungeheuren Gewinne ist ja an dieser Stelle schon mehrmals Näheres mitgeteilt worden. Der Minister gab der Hoffnung Ausdruck, datz es zu einem freiwilligen Ausgleich der beteiligten Kreise kommen möge. Die nächsten Tage müssen darüber die Entscheidung bringen. Ein uns vorliegendes Rundschrei ben des PapiersyndikateS lätzt allerdings wenig Raum für die Verwirklichung dieser Hoffnung offen. Kurzer Hand werden einfach in diesem Rundschreiben die Ausführungen der Tagespresse als irreführend bezeichnet. Man muß sich wundern über den Mut dieses Syndikates, wenn es sich bei den hohen Gewinnen der Papierfabriken noch darüber beklagt, daß vom 1. Januar 1021 ab der bare Neichszuschutz von 16 006 006 Mark monatlich weggfallcn ist. Wir haben selten eine Rechtfertigung gelesen, die sich so fadenscheinig erweist, wie dieses Rundschreiben des Papiersyndikates. Dieses Rundschreiben sagt von den Gewinnen, die erzielt worden sind, sagt von den Divi denden, die auSgfchüttet worden sind, kein Wort. Man braucht ja nur einmal sich umzusehen, dann wird man finoen, daß kein anderer Industriezweig wie gerade die Papierfabriken so hohe Rücklagen machen konnte, datz kein anderer Industrie zweig in der Lage war. im letzten Jahre so außerordentlich große bauliche Veränderungen auszuführen, wie das bei den dem Pa piersyndikat angeschlossencn Papierfabriken der Fall ist. Und da? zeigt sich gerade bei den Papierfabriken, die vor dem Kriege weder leben noch sterben konnten. Gar nicht zu reden von den Unternehmungen, die, wie Minister Hamm auöführte, schon vor dem Kriege sehr hohe Kurswerte und Dividende zu verzeichnen hatten, so zum Beispiel die Papierfabrik Ammendorf, die bereits vor dem Kriege 36 Prozent Dividende auSwarf. Bedauerlich ist es-, daß einige Politiker selbst diese Sache aufs parteipolitische Gebiet zu schieben versuchen. Co sagt zum Beispiel die „Chemnitzer Volksstimme" (Nr. 03), Herr Hetzlein solle sich an seinen Parteifreund Fehrcnbach wenden Diese Auslastung beweist überaus mangelndes Verstäudn'S für das parlamentarische System. Mit Recht sagten neulich die „Dresd ner Neuesten Nachrichten", datz der Berater des Neichskabinetts in diesem Falle der NeichswirtschafiSministcr Scholz ist. „der nach Hannover den Zeitungsverlegern sagen ließ, cs sei notwen dig, mindestens 36 600 Mark für den Wagen Papier zu zahlen. Wenn das Papiermachcrgewerbe erhalten werden solle". Herr ReichSwirtschaftsminister Scholz gehört der Deutschen Volkspar tei an. Das hat, und zwar mit vollem Rechte, die Deutsche VclkSpartei des preußischen Abgeordnetenhauses nicht abgehal- ten. ebenfalls im preußischen Parlamente eine kleine Anfrage wegen der ungeheuren Erhöhung der Zeitungödruckpapierpreise zu stellen. Alles in allem genommen mutz gesagt werden: es handelt sich hier doch um eine Lebensfrage der deutschen Presse und damit um eine Frage, die für das ganze Volk von außerordentlicher Wichtigkeit und Bedeutung ist. Wir möchten daher an dieser Stelle der Hoffnung Ausdruck geben, datz die sächsische Regierung sich doch noch davon überzeugt, wie völlig ungenügend die Be antwortung der Anfrage des Abgeordneten Hetzlein war. Es ist dringend notwendig, datz die Regierung unverzüglich bei der Reichsregierung entsprechende lM,ritte unternimmt. Vor allem dann, wenn die Besprechungen, die jetzt in diesen Tagen erneut in Berlin zwischen ZeitungSverlcgern und Papicrsyndikatsver- tretern stattfinden, nicht noch in letzter Stunde einen Ausgleich herbei führen sollten. Krisengerüchle Schon seit einigen Tagen konnte man die Beobachtung machen, datz die neuerdings eingetretene Wendung in der außenpolitischen Entwicklung seit den Tagen von London nicht ohne Einwirkung bleiben würde auf die Gestaltung der Verhältnisse im Innern. Man sprach schon seit einiger Zeit von einem bevorstehenden Rücktritt des Außenmini sters Dr. Simons. Nunmehr wird bekannt, das; in der Tat bereits ein offizielles Rücktrittsgesuch des Neichsautzen- ministers vorliegt. Dies erinnert uns daran, daß gleichzeitig mit dem Gerücht von dem neuen Angebot der deutschen Regie rung in der Reparationsfrage, in deren Mittelpunkte tu der ersten Phase die völlige Unterwerfung unter den Schiedsspruch des amerikanischen Präsidenten und seiner Negierung stand, die selbe Version von einer Nücktrittsabsicht schon einmal die Runde durch die Oefscntlichkeit gemacht hat. Kreise, die dem Reichs- anßcnminister nahe stehen, bevanpten nämlich, daß Dr. SimonS sofort nach seiner Rückkehr aus der Schweiz den Wunsch ge- üutzert habe, von der schweren Bürde seines Amtes enthoben zu werden. Dabei seien Gründe persönlicher Art entscheidend ge wesen. Die physische Kraft und die seelischen Auslegungen hät ten zu einer Ueberanstrengnng geführt, die bei fernerer Dauer zu einer schweren gesundheitlichen Erschütterung führen müßten. Zweifellos bedeutet die Diskussion über die Frage eines Wechsels im Außenministerium in diesem Augenblicke eine noch nicht abzuschende Erschwerung der Stellung der deutschen.Re gierung der Entente gegenüber, zumal das NückirittSgesuch'deS Herrn Dr. Simons mit einer Krise des gesamten Kabinetts in Zusammenhang gebracht wird. Datz durch die Ereignisse auch das Kabinett in Mitleidenschaft gezogen werden würde, war einem sorgfältigen Beobachter nicht entgangen. Denn wir täu schen unS selbst nichts vor, sondern möchten bemerken, daß sich schon seit einigen Tagen vielerlei Anzeichen bemerkbar machten, d'e auf einschneidende i»»e>'politische Rückwirkunacn hinzuden- ten geeignet waren. Darüber zu sprechen aber lag keine Ur sache vor, weil eS eigentlich geacben war, datz erst ein gewisser Abschluss in den von neuem angebahnten Verhandlungen, sei es negativ oder positiv, erreicht werde» inntzte, ehe sich praktische Auswirkungen ergeben konnten. Rnnmebr wird von zuständiger Stelle zu den Nachrichten über eine anaebliclie Krise nn Kabi- ncit eine Mitteilung folgenden Inhalts verbreitet, cs- sei richtig, daß der Minister für auswärtige Angelegenbciten vor kurzem dem Reichspräsidenten sein RücktrittSgesiich vorgelegt habe. Matz gebend für diesen Entschluß, des AntzenministerS sei se>n Ein- druck über die Stellungnahme der deutschen öffentlichen Mei nung zu seiner Politik gewesen. Mit Rücksicht auf die von ib,n eingeleiteten Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten habe sich der Minister bereit erklärt, die Geschäfte vorläufig weiterzu- fübrsn. Der Reichspräsident habe das Gesuch abgelehnt, da nick>t nur da? Kabniett geschlossen die Fortführung der durch den Reicks-Minister des Aentzcren begonnenen Verhandln»^,» mit Amerika billige, sondern auch die Reichstagsdebatte gezeigt habe, daß die Volksvertretung in ihrer großen Melirhest der'a Fom- führnng wünsche. Letzteres ist zweifellos richtig »nd dieser Ge sichtspunkt der Notwendigkeit einer Anbahnung neuer Vecb,nw- liing/n zvia Zwecke einer gemeinsamen und fnedlickea Lösung de? RcvaraucmSproblemS hat die Parteien auch da<u ge'üt.rt, d-» Gr niotschritt der Regierung zu billigen und mit fe u-m Takt und kluger Einsicht angesichts der furchtbar schn ercu Lage des Reiches uud der Regierung äußerste Zurückhaltung in der Beurteilung der Einzelphasen des Schrittes der Regierung zu übe». Die päpstliche Friedensvermlttlimq 1917 Unter dieser Spitzmarke schreibt die „Germania" in ihrer Nr. 224 vom 30. April folgendes: An die Veröffentlichung der in de» letzten Tagen erschiene nen Scheidemannbroschüre knüpfen sich in parlamentarischen Kreisen mehr oder minder erregte Erörterungen, vor allem über di: Art und Weise, wie Herr Scheldemann zu dem streng ver traulichen Aktenmaterial gelangt ist, auf welche» er seine Dar stellung anfbaut. Man wird zunächst das- Ergebnis der cinge- leiteten Untersuchung abwarten müssen, bevor ein endgültiges Urieil abgegeben werden kann. Unabbängig davon darf aber heute schon fcstgcstellt werden, datz die schriftstellerische Verwer tung von Akten, die daS Auswärtige Amt als streng vertraulich bezeichnet, zu keinem Zeitpunkte weniger opportun erscheint, als im gegenwärtige», wo alle Veranlassung vorlicgt, die an sich hinreichend verwickelte außenpolitische Lage nicht durch unnötige und unfaire Indiskretionen noch nichr zu komplizieren. Immerhin wird man zugeben können, datz die Scheide- maimsche Darstellung in wesentlichen Hauptlinien den Ereig- nisicii des Sommers 1917 gerecht wird. In nicht unwichti gen Einzelheiten bedarf jedoch die von Scheide mann gegebene Darstellung unbedingt der Korrektur. So vor allem derjenige Passus, der die Unter redung des päpstlichen Nuntius Pacelli mit Kaiser Wilhelm im Hauptquartier zu Kreuznach zum Gegenstände hat. Die von Sckcidemann mitgetcilten Auszüge über den Inhalt der Unter redung beruhen ausschließlich auf nachträglichen Schilderungen des Kaisers selbst. Wer die impulsive Art Wilhelms H. in Reden, Schreiben und Handeln kennt, wird nicht versucht sein, ihn als objektiven Geschichtsschreiber in eigener Sache anzuer- kcnnen. Die von Scheidcmann mitgeteilte kaiserliche Aeutzcrung über die Ausrüstung des Vatikans (30 060 Gewehre, 28 Ma schinengewehre und eine Million Patronen) trug den Charakter