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Nr LS8 Dienstag den 19. Juni 1917 Bezug-Pret-, An-gabr X mit tliuitr. Beilage vierte 2 40 In Dresden uii« g-mj Deutsch land frei HauS 2.1-2 m Oesterreich S.28 X. s Dresden uccü diertelsithrlich 2.1«^ d ganz Deutschland frei Oesterreich 4.V« X. In HanS < 52 in Oesterreich Einzel-Nummer I« Z. Dte ESchstlche »olkSzeitung erscheint an allen Wochentagen nachmittags. Sächsische UolksMim- Geschäftsstelle i«Ur Redaktlanr SdreSdeueA. Itt» Hslbeinftraste 4< Fernsprecher 21306 PostschekUonto Leipzig Sir. 147»? Aaietge»! Asaadme von SeschästSanzeiaen bis IN Uhr. von Kamilienanzcigen bis 11 Uhr dorm Veet« sttr die Peltt-Ebaltzeilr 20 Z. im NeNa- meteit «0 g undeutlich geichrtebene. sowie durch Hern- autgegekein A,izetgen können wir die ortlichleil siir die Richtigkeit de- Der»«- nicht übcrnehmeii. Sprechstunde der Redaktion: 11—12 Uhr vorm. ö Einzige katholische Tageszeitung im Königreich Sachsen. Organ der Ientrumspartei. Ausgabe ä mtt illustrierter Unterhaltungsbeilage und relig. Wochenbeilage Feierabend. Ausgabe 8 nur mit der Wochenbeilagc. Das Rätsel von Stockholm Es ist reckst still geworden in unserer sozialdemokra tischen Presse über das Friedenswerk, das die sozialistische Internationale in Stockholm mit solch groben Hoffnungen in Angriff nehmen zu können glaubte. Die deutschen Dele gierten sind seht heimgekebrt und wir dürfen wohl an- uetmien, um manche Erfahrung lind Enttäuschung reicher. Bevor sie aiiszogcn, schien eS ihnen so leicht, mit ihren aus ländischen Gesinnungsgenossen den gemeinsamen Boden inner Verständigung zu finden, aber sie lstiben Loch wohl sebr schnell erfahren.müssen, das; sie selbst bei den sozia listischen Vertretern neutraler Länder vor fast tauben Obren predigten, als sie das Recht und die Schuldlosigkeit ihres Vaterlandes an diesem Krieg bezeugen wollten. -Ob wohl sie sich dagegen wehrten, der Eindruck mußte doch aus- konnnen, das; die deutschen s o z i a l i st i s ch e n Ver treter in Stockholm twr dem sozialistischen Gerichtshof unter dem Vorsik Brantings ans die Anklagebank gedrängt wurden. Dieses Eindrucks bat sich wohl auch der sozialistische Abgeordnete Heine nicht envehren tonnen, als er im „Berl. Tagebl." die Worte schrieb: „Aus geschlossen ist es nicht, das; eine geschickte Regie die inter nationale Sozialistenkonferenz zu einer Kundgebung gegen Deutschland und die deutschen Sozialdemo kraten mißbrauchen könnte." Viel wäre jedenfalls gc- laonneii, wenn unsere Sozialdemokraten aus den Stock holmer Erfahrungen die Lehre ziehen wollten, daß ihre Gutgläubigkeit und ihre Vertrauensseligkeit bei den Sozia listen anderer Länder keine Gegenliebe findet und von ihnen nur zum Nachteil unseres Volkes und Vaterlandes auSgenützt wird. Oie „Wiener Reichspost" erhält ans Stockholm einen interessanten Bericht, der die Gründe für die völlige Erwtglosigkeit der sogenannten internationalen Konferenz erörtert. Die Tagung l-atte nach den geheimsten Msichten ihrer Einherufer von Anfang an gar nicht den Zweck, den Frieden z n fördern,sondern ihn zu ver - eirel n. Der eigentliche Macher, auf den unsere deutschen Sozialisten gutgläubig l>ereingefallen sind, war Eng- l a n> d. das seinen Zweck auch völlig erreicht hat. D»och hören wir. uns der.skorrespondent des Wiener Blattes schreibt. Es l-eißt in seinem Berichte: Die Konferenz war für 15. Mai angesagt. Jene Dele gierten, die pünktlich eintrafen, erwartete eine merkwürdige l! e ö e r r a sch u n g. In Stockholm wußte man i> i ch t s überdie Konferenz. Es war nichts vorbe reitet. ES schienen nicht einmal Vorakten zu existieren, Weiche Verhandlungen mit den einzelnen nationalen Grup pe:: betrafen, es gab kein Programm, alles hing im Urige- wnsim. Verwundert fragten die eingetroffenen Delegierten der. Einbernfer Branting, wo denn die Eng länder. Franzosen und Russen stecken, ohne deren Ersineinen die ganze Sache ja keinen Sinn habe, und wann m.w die Beratungen werde beginnen können. Herr Bran ting zuckte die Achseln und vertröstete mit großer Beredsam- leit die Enttäuschten. Endlich am 22. Mai konnte die erste Sitzung stattfinden, und Branting erklärte sie bereits als Teil der großen allgemeinen Konferenz. Tie Einberufer Hanen sich nämlich damit geholfen, daß sie in Ermanglung einer wircklichcn internationalen Beschickung eine sogenannte gruppenweise Beratung beginnen ließen. die itnun erlaubte, noch für eine Weile das Nichtzustaude- kommen einer internationalen Zusammenkunft zu verdecken. So kamen zuerst die Bulgaren daran, die die Pünktlichsten gewesen waren, und die nun unter Teilnahme des gesamten nordischen Bureaus die erste Konferenz abhielten, die drci- eirch-alb Stunden währte und in deutscher Vcrtrandlungs- soreckie geführt wurde. Aber schon in dieser Konferenz und ebenso in den folgenden Beratringen trat eine neue ans- fallende Erscheinung hervor: man hatte erwartet, daß in den Vertändlungen der nationalen Gruppen die Aufgabe Ver salwerden würde, das nationale Friedenspro- pro mm der betreffenden Gruppe festzustellen, darüber In »ausgreifende Fragen aber auszuschließcn. um am Schluß die verschiedenen einander gcgcnüberstehenden Forderungen obzuwägen. Indessen rollte Branting alsbald das Tt-mia „Elsaß-Lothringen" auf und begann die Bickaaren und andere Gruppen mit der Frage z» be- -rängen, wie sie sich zn der Abtretung Elsaß-Lothringens an Frankreich stellen. Die französischen Sozialistcn seien in der Elsaßfragc völlig verpflichtet, ohne eine Kompensation — dieser schöne Ausdruck ersetzte hier plötzlich ist- Bezeichnung „Annexion" — würden die sranzösisckien Sozialisten schwerlich für eine Verständigung zu haben sein, auch bedeute die günstige Lösung der Elsaßfrage für das Prestige der französischen Sozialisten eine Frage ans Leben und Tod. und wenn man die sozialistische Bewegung in Zer mW LeM WMW kW. T. B. Amtlich.) Großes Hauptquartier, den 19. Juni 1917. Westlicher Kriegsschauplatz Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht An der Flandern- und Arras-Feont ist die Lage unverändert. In wechselnder Stärke dauert der Artillerie, kampf an; gestern war er besonders zwischen Baesinghe und Freliiighien lebhaft. Oestlich von Monchy warfen unsere Sturmtrupps die Engländer ans einigen Gräben, die bei den Kämpfen am 11. Juni noch in F-eindeshand geblieben waren. Heeresgruppe deutscher Kronprinz: Non neuem versuchten die Franzosen bei Einbruch der Dunkelheit die ihnen kürzlich entrissenen Gräben nordwest lich des Gehöftes Hurtebise zurückzugewinnen; ihr zwei maliger Anlauf wurde znrückgeschlagen. In der Champagne drang der Feind gestern Morgen nach starkem Feuer in einen vorspringenden Teil unserer Stellung südwestlich des Hoch-Berges. Ein abends unter nommener Vorstoß zur Erw-ckterimg seines iUesitzeS schlug verlustreich fehl. Heeresgruppe Herzog Albrechi'. Nichts Neues. Vom Oestllchen Kriegsschauplatz und von der Mazedonischen Front sind größere Kampfhandlungen nicht gemeldet. Der erste Generalquartiermeisteu Ludendorfs. Dir Beute Berlin, 19. Juni. (W. T. B. Amtlich.) Neue U Booterfolge im Atlantischen Ozean: 24000 Brutto- Register-Tounen. Unter den versenkten Schiffen be fanden sich u. a. drei große bewaffnete englische Dampfer, von denen zwei durch Zerstörer gesichert waren, und der englische Dampfer „Amor" (947!) Tonnen) mit 5000 Tonnen Getreide. Ter Chef des Admiralstabs der Marine. Auszeichnung des Prinzen Philipp von Coburg Wien. 18. Juni. (W. T. B.) Der Kaiser hat bei seinem jüngsten Besuche in Ebenthal aus Anlaß der An wesenheit des Königs der Bulgaren dem Prinzen Philipp zu Sacksten-Eoburg-Gotlxi das Großkreuz des St. Stepban- Ordens verliehen. Spende des Könige von Bulgarien München, 18. Juni. (W. T. B.) Der König von Bulgarien hat bei seiner Abreise von München je 5000 Mark für die Stadt München und die Verwundeten ge spendet. Oesterreichische Ministerkrisis? Wien. 18. Juni. (W. T. B.) Die Abendblätter per- zeichnen das Gerücht, der Ministerpräsident Graf Etam Martinic l>ade dem Kaiser infolge des Beschlusses des Polen- kliibs, der gegenwärtigen Regierungen einen vorläufigen Hanshaltplan nicht zu bewilligen, den Rücktritt des gc samten Kabinetts angeboten. Der Kaiser habe sich die Entscheidung Vorbehalten. Ter für morgen zur Ver- Handlung des vorläufigen Hmish.cktplanes eiuberufcne Haushaltsausschus; wird die Sitzung ablxckten. Aiitlientisck)eS liegt nicht vor. Versenkt Bern. 18. Juni. kW. T. B.) „Progräs de Lyon" meldet a»S Nenyork: Das amerikanische Petrolenmschisf „Mereni" wurde nach heftigem GesM ans 7 Kilometer Entfernung versenkt. Frankreich nicht unmöglich machen wolle, so müj'e man schon ans diesem Grunde dem Begehren der französischen Genossen eiitqegenkomiiien: im übrigen könne man ja eine Grenz- korrektnr in Kurland als Ersatz an Deutschland in Aus sicht neluiieu. Es sei also die Aufgabe der Nichtreichs- deutschen Sozialisten, aus d e m B n u d e der Mittelmächte (!). die Brücke zwischen de»t- s chem und französischem Soziali § m us zu bilden und de-Sl-alb bezüglich Elsaß - Lothringen zu gunsten Frankreichs Stellung zu nehmen. Das Vorgei>en Brantings verstärkte den Arg- w oh», der sich selbst bei Teilnehmer» der Konferenz bald nach ihrem Eintreffen in Stockholm zu regen begonnen hatte. Man sah sich nun die Leute etwas näher an, die hier Einberufer spielten, lieber Branting war nicksts Neues mehr zu erfahren. Er hatte nie ein Hehl daraus gemacht, daß er ein Anhänger der Ente u t e sei, und batte im Gegensatz zur öffentlichen Meinung ganz Schwe dens die Agitation zum Nutzen Englands und Frankreichs geführt. Er ist ein geschickter Taktiker, von unzweifellwster diplomatisckrer Begabung, hinterhältig, äußerlich sehr ge wandt. Ein Demagoge vom Typ Vandevelde, dessen in timer Freund er ist. Der Belgier HuySmauS, der zweite Einherufer, macht den Eindruck eine-S pfiffigen und dabei doch verworrenen .sonst schwachen Menschen, der sicher sich nicht die treibende Kraft dieser Konferenz sein kann. Dabei wäre noch aufzuktären, wie er, der Sekretär der iezialistisckwii Organisation Vanderveldes, für einen inter nationalen Kongreß in Stockholm sein kann, den sein eigener Ebef Vanderveldc ablc-hnt. Der dritte ist Troelstra, iine sympathisckwre Gestalt, aber obne jede Autorität, die fähig wäre, eine so ernste Aktion zn leiten. Tann ist da noch Frau Bank, eine Dänin, Witwe nach einem dänischen Sozialistensülirer, eine weißhaarige, sehr ehrenwerte, pausbackige T-anie. die von den großen Fragen der inter nationalen Politik keine Ahnung hat, und deren Fragen immer so klingen, wie wenn jemand Fremder aus ihr sprechen und ihr selbst der geistige Zusammenbing für die cnvarteten Anttvorten fehlen würde. Das sind die Vorgänge im Stockholmer Hotel „Konti nental". Die Beratungen und Verhandlungen waren bat- als B i l d e r a u s d e m H o b I s p i eg e l zu erkennen, der hinter der Szene gehandbabt wurde. Diese Stock holmer Friedenskonferenz existiert nur in dem guten Willen der I r r e q e f ü h r t e n, die mit feierlichen Man daten hierher gelockt worden sind. Man muß ernstlich die Frage anftverfen, was ist da vorgegangen, daß eine solche grobe Täuschung der gesamten Frieden wünschenden Welt durch eine mit pompl-after Reklame angekündigle Konferenz stattfindet? Die Z u s a m m e n b ä n g e sind l'ier in Stockholm sehr klar geworden. Der Peters burger Arbeiter- und Sol Laten rat lxckte die Initiative ergriffen, um internationale Friedens- bespreckungen auzubahnen. Diese Konferenzen konnten tat sächlich den Frieden bringen, da die Einberufer, in ihrer Heimat mit Macht ausgestattet, den Frieden wollten. Da wurde plötzlich die S t o ck h o l m e r Konferenz ringe- schoben, die, wie aus der Pistole gesckwsicn, auftauchte, und in der Branting, der Freund und das erprobte Werkzeug der Entente, die Führung kuckte. Daß Branting. als er dem Petersburger Arbeiter- und Soldatenrat die Initiative m«S der Hand riß und die Stockholmer internationale Konferenz ankündigte, nickst gewußt kuiben sollte, daß letztere ein Torso bleiben und niemals die Franzosen und Eng länder zu dieser Konferenz kommen würden — seine Freunde, mit denen er so gute und rasclw Verbindungen br saß, wird man niemand Unbefangenen glauben machen können. Als der Zweck der ganzen Stockholmer Konfe renz entpuppt sich das Unternehmen Brantings imInte > - esse Englands, die von Rußland aus drohende Frie densbewegung ans ein totesGleis zn führen. Außer dem sollte noch in das Lager der Mittelmächte selbst der Zwist h i n e i n g e t r a g e n werden, indem nian durch die E I s a ß f r a g e die reichsdeutscheu Sozialisten von jenen der anderen Staaten zu isolieren suchte. Dies ist die Lösung des Rätsels von Stockholm. Daß es z» irgend einem Positiven Ergebnis für den Frieden auf der Stockholmer Tagung, und sei es auch nur zu einer An- Näherung zwischen den sozialistischen Parteien der krieg führenden Staaten kommen könne, diese Unmöglichkeit haben in tiefer Niedergeschlagenheit Teilnehmer aus ollen erschienenen Gruppen schon offen e i n g e st a n d e n. In schwedischen neutralen Kreisen gibt man sich keinem Irrtum darüber hin. daß die Stock holmer Konferenz eine Niete für alle diejenigen gewesen ist, die von ihr etwas Ernstliches für den Frieden erhofften.